Straffreiheit für mündige Fußballer: Ein erster Schritt

Die Bundesligaspieler, die auf dem Rasen George Floyd gedacht haben, werden vom DFB nicht bestraft. Der Fußball gibt sich antirassistisch.

Der Fußballer Marcus Thuram kniert auf dem Rasen

Protest und Gedenken: Gladbachs Marcus Thuram Foto: reuters

War doch gar nicht so schwer, möchte man dem Deutschen Fußball-Bund zurufen. Oder: Hat doch bestimmt nicht wehgetan. Und dann wird man sich vielleicht die Augen reiben. Der Kontrollausschuss des DFB, die Staatsanwaltschaft für Regelbrüche auf dem Fußballplatz, hat am Mittwoch entschieden, keine Verfahren gegen die vier Bundesligaspieler einzuleiten, die am vergangenen Spieltag auf dem Platz ihre Solidarität mit dem von einem weißen Polizisten zu Tode gebrachten George Floyd Ausdruck verliehen haben. Der DFB tut endlich einmal, was er in PR-Aktionen immer wieder von sich behauptet: Er agiert im Sinne des Kampfs gegen Rassismus. Weil das ja nun wahrlich nicht allzu häufig vorkommt, ist das durchaus bemerkenswert.

Überraschend kam die Entscheidung indes nicht. Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußballverbands hatte die Tür weit aufgestoßen für die Straffreiheit von antirassisitschen Bekundungen. Am Dienstagabend verschickte die Fifa ein Statement ihres Bosses an die Medien: „Um Zweifel zu vermeiden: In einem FIFA-Wettbewerb würden die jüngsten Demonstrationen von Spielern in der Bundesliga einen Applaus verdienen und keine Bestrafung“, wird Infantino da zitiert.

Der DFB konnte sich also sicher sein, im Sinne der Fifa zu handeln, als er die Regel, nach der politische, religiöse oder persönliche Botschaften auf dem Spielfeld verboten sind, im Sinne der Spieler Jadon Sancho, Achraf Hakimi, Marcus Thuram und Weston McKennie interpretiert hat.

Auf der Website des DFB wird der Vorsitzende des Kontrollausschusses Anton Nachreiner so zitiert: “Im konkreten Fall handelt es sich um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler, die sich damit für Werte starkmachen, für die der DFB ebenfalls steht und immer eintritt. Daher werden keine Verfahren eingeleitet, auch bei vergleichbaren Anti-Rassismus-Aktionen in den nächsten Wochen nicht.“ Es darf also weiter protestiert werden gegen strukturellen Rassismus “im konkreten Fall“.

Wiedervorlage Katar 2022

Die Einlassung von Gianni Infantino sowie die Stellungnahme Nachreiners sollte man sich jedenfalls an einem gut auffindbaren Ort abspeichern. Mal sehen wie der Weltverband reagiert, wenn bei der Fußball-Männer-WM 2022 in Katar eine derartige Botschaft auf das Feld getragen wird. Wie wird der vom Gastgeberland Katar mit seiner notorisch homophoben Gesetzgebung so abhängige Weltverband wohl reagieren, wenn etwa ein Spieler ein Statement gegen Homophobie auf seinem Unterhemd trägt?

Und wie wird der DFB reagieren, wenn sich tatsächlich mal ein Bundesligaspieler zum strukturellen Rassismus in deutschen Polizeibehörden äußert und an den auf einer Polizeiwache in Dessau zu Tode gekommen Oury Jalloh erinnert?

Wie unglücklich der DFB auf dem Gebiet der politischen Äußerungen agieren kann, war jüngst zu beobachten, als die gewiss beleidigenden Äußerungen von Fans gegenüber dem Hoffenheimer Klubeigner Dietmar Hopp als diskriminierend bezeichnet wurden. Da wollte man Spiele abbrechen, indem man eine Regel, die für den Kampf gegen Rassismus formuliert wurde, zum Schutze eines Milliardärs angewendet hat. Mag sein, dass der DFB diesmal auf dem richtigen Weg ist. Er ist indes erst ein paar Schritte darauf gegangen. Es ist nicht mehr als ein Anfang. Ein solcher ist es immerhin.

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