Strafbefehl gegen G20-Polizisten: Streit ums Reizspray
Erstmals wird nach dem G20-Gipfel in Hamburg gegen einen Polizisten ein Strafbefehl erlassen – allerdings nicht wegen Gewalt gegen Demonstrant*innen.
„Es handelt sich um kein klassisches G20-Verfahren“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Der Fall gründe eher auf einem „Missverständnis“. Es sei um die Frage gegangen, wer in einer Gefangenensammelstelle (Gesa) Waffen tragen darf und wer nicht.
In der Nacht vom achten auf den neunten Juli 2017 war der beschuldigte Polizist aus Minden demnach in der Gesa in Harburg eingesetzt. Der geschädigte Hamburger Polizist sei vor Ort gewesen, weil er einen Gefangenen begleitete. Der Beamte hatte Reizspray bei sich.
Weil die Gesa eigentlich eine „waffenfreie Zone“ gewesen sei, so Frombach, sei der beschuldigte Beamte davon ausgegangen, dass der Hamburger Polizist dies nicht durfte. Das habe zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Beamten geführt. Der beschuldigte Polizist habe dann „ungeduldig“ nach dem Spray gegriffen und den Hamburger dabei am Finger verletzt. Die Folge sei eine Bänderdehnung gewesen.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat bis Ende vergangenen Jahres 827 Ermittlungsverfahren gegen mehr als 1.000 identifizierte Demonstrant*innen gegen den G20-Gipfel eingeleitet.
Weitere 1.580 Verfahren wurde gegen unbekannte Beschuldigte eingeleitet.
Insgesamt wurden bisher 248 Anklagen erhoben und 71 Strafbefehle beantragt. 275 Verfahren wurden eingestellt.
In 120 Strafverfahren wurden bereits Entscheidungen getroffen, teilweise sind sie noch nicht rechtskräftig, in einigen wurde Berufung eingelegt.
Gegen Polizist*innen gab es bis Anfang Dezember 2018 150 Ermittlungsverfahren.
In 84 Fällen wurden sie „mangels Tatverdacht“ eingestellt. Vor Gericht stand bisher kein*e Polizist*in.
Ein dritter Polizist, der die Szene beobachtete, habe Anzeige erstattet. Das erklärte ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde der taz. Daraufhin habe das Dezernat Interne Ermittlungen der Hamburger Polizei den Fall übernommen.
„Es ist ja häufig nicht so einfach, den Geschädigten zu finden, wenn ein Dritter eine Tat anzeigt“, so der Sprecher. In diesem Fall habe der betroffene Polizist aber ermittelt werden können und eine Aussage gemacht. Die Staatsanwaltschaft übernahm den Fall schließlich und befragte insgesamt acht Zeugen: sechs Polizeibeamte und zwei Justizbeamte.
Am Ende stellte sie einen Strafbefehlsantrag bei Gericht. Das ist ein verkürztes Verfahren, das bei leichten Straftaten zur Anwendung kommen kann. Wird der Strafbefehl rechtskräftig, hat er das gleiche Gewicht wie ein Urteil nach einer Gerichtsverhandlung.
Das Gericht hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprochen und Strafbefehl erlassen. Demnach soll der Polizist aus Nordrhein-Westfalen eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erhalten. Wenn er sich in den nächsten zwei Jahren etwas zu Schulden kommen lässt, muss er 4.000 Euro Geldstrafe bezahlen.
Der Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke ist der Fall bekannt, wie ein Beamter der taz bestätigte. Weitere Fragen zur Funktion des beschuldigten Polizisten innerhalb der Polizei sowie zu Konsequenzen aus dem Vorfall wollte er aber nicht beantworten. Die Behörde äußere sich grundsätzlich nicht zu internen Personalangelegenheiten.
Bis Ende Januar kann der Polizist aus Minden gegen den Strafbefehl noch Widerspruch einlegen. Zur Zeit ist die Akte laut Gerichtspressestelle beim Rechtsanwalt des Beschuldigten. Legt er keinen Widerspruch ein, wird der Strafbefehl rechtskräftig. Sollte er Widerspruch einlegen, käme es voraussichtlich zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht.
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