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Stockende Verhandlungen im Gaza-KriegErbittertes Ringen um Waffenruhe

Eine Bodenoffensive der israelischen Armee auf die Grenzstadt Rafah rückt offenbar näher. Die Verhandlungen mit der Hamas stocken.

Eine Drohnenaufnahme zeigt aus Gaza geflüchtete Palästinenser in Rafah, 6. April Foto: Shadi Tabatibi/reuters

Berlin taz/ap | Die Signale, die in diesen Tagen aus Israel und von der radikalislamischen Hamas kommen, sind uneindeutig. Die Hamas ließ in einer Stellungnahme verlauten, dass der derzeitige Vorschlag über einen Waffenstillstand keiner ihrer Forderungen entspreche. Gleichzeitig erklärte die Organisation, dass sie den Vorschlag weiter prüfen und den Vermittlern ihre Antwort übermitteln werde.

Eine weitere indirekte Verhandlungsrunde zu einem Waffenstillstand und zur Freilassung der Geiseln zwischen der Hamas und Israel hatte am Montag in Kairo geendet. Knackpunkt der Verhandlungen scheint nach die Dauer der Waffenruhe zu sein. Während die Hamas einen vollständigen Waffenstillstand fordert, war Israel bislang nur zu einer vorläufigen Feuerpause bereit. Auch in der Frage, ob die palästinensischen Binnenflüchtlinge, die in den Süden geflohen sind, die Möglichkeit erhalten sollen, in ihre Häuser im Norden zurückzukehren, gibt es bislang keine Einigkeit unter den verfeindeten Parteien.

Das israelische Militär hatte am Sonntag einen großen Teil seiner Bodentruppen aus dem Gazastreifen abgezogen. Nur eine Brigade verbleibt noch in dem Küstenstreifen und teilt in einem Korridor weiterhin den Gazastreifen in ein südliches und ein nördliches Gebiet. Unklar bleibt, ob der Rückzug als Vorbereitung auf einen möglichen Waffenstillstand zu verstehen ist oder im Gegenteil als Vorbereitung auf eine Offensive auf die am südlichen Rand Gazas gelegene Stadt Rafah.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verkündete am Montagabend in einer Videobotschaft, der Termin für eine Offensive in Rafah stehe fest. Außerdem gab das israelische Militär an, 40.000 Zelte zu erwerben, um die Evakuierung von Hunderttausenden von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen aus der Grenzstadt nach Ägypten vorzubereiten. Das israelische Militär vermutet, dass vier Hamas-Bataillone in Rafah stationiert sind und sich Hamas-Anführer ebenfalls dort versteckt halten. Möglicherweise werden einige der israelischen Geiseln auch dort festgehalten.

Heftiger internationaler Widerstand gegen Israel

Bezüglich der Rafah-Offensive steht Netanjahu von zwei Seiten unter Druck. Sein rechtsextremer Minister für innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, drohte kurz nach dem Abzug der israelischen Truppen, dass Netanjahu keine Regierungs­koalition mehr haben werde, sollte es keine Offensive in Rafah geben. Einen Angriff auf Rafah hat Israel allerdings in den vergangenen Wochen oft angekündigt, bislang jedoch nicht durchgeführt.

Das liegt wohl auch an dem heftigen internationalen Widerstand, der den Plänen entgegenbläst, auch aus den USA. In Washington herrschen große Zweifel daran, dass der israelische Evakuierungsplan durchführbar ist. Rund eineinhalb Millionen Gazaner sind in die kleine südliche Stadt geflohen und leben dort unter katastrophalen Zuständen seit Monaten auf engsten Raum gedrängt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron, der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sowie der jordanische König Abdullah II. riefen in einem gemeinsamen Beitrag in der Washington Post am Dienstag zu einem sofortigen Waffenstillstand auf und warnten vor den „gefährlichen Konsequenzen einer israelischen Offensive in Rafah“.

Die Türkei schränkt derweil wegen des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen die Ausfuhr von Dutzenden Produkten nach Israel ein, darunter Baumaterialien und chemische Düngemittel. Auch Israel bereite als Reaktion derweil ein Einfuhrverbot für die Türkei vor, so der israelische Außenminister Israel Katz.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Binnenflüchtlinge, die in den Süden geflohen sind, sollen in jedem Fall in den Norden zurückkehren können. Das ist nicht der Knackpunkt bei den Verhandlungen.

    Der Knackpunkt ist, dass Israel auf Kontrollpunkten besteht, an denen sichergestellt werden kann, dass nicht auch die Terroristen wieder in den Norden zurückkommen, denn dort sind sie weitgehend ausgeschaltet worden. Dass Israel hier hart verhandelt ist am Ende auch im Interesse der Zivilbevölkerung, die dann im Norden ebenfalls endlich ihre Ruhe von der Hamas hätte.

  • "Während die Hamas einen vollständigen Waffenstillstand fordert..."



    Solange sie sich selber dran halten... was genau unterscheidet eigentlich einen dauerhaften Waffenstillstand faktisch von Frieden?

    • @Encantado:

      Frieden ist viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Dazu gehört mindestens Respekt und gegenseitige Anerkennung.

      Mit dem Ende der Besatzung Gazas in 2005 hatte Israel da einen großen Schritt getan und auch nie von sich aus Gaza angegriffen, sondern immer nur auf Aggression reagiert. Es ist die Hamas, die von der Anerkennung Israels nichts wissen will.

      • @Winnetaz:

        Der israelische Abzug aus Gaza war kein Schritt in Richtung Frieden, sondern nur eine militärische Frontbegradigung. Der Preis für den Schutz der Siedlungen war schlicht zu hoch. Der Abzug erfolgte einseitig, nicht aufgrund eines Abkommens, und ohne jede Anerkennung palästinensischer Souveränität. Im Gegenteil verstehen seine Modalitäten gegen die Bestimmungen der Abkommen von Oslo über eine palästinensische Autonomie, die eben gerade keine Abschottung zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten vorsahen. Und erst recht keine Abschottung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland.

    • @Encantado:

      Im Allgemeinen das der Kriegszustand noch anhält. Dass kann mannigfaltige rechtliche Folgen haben. Z.B. müssen Kriegsgefangene noch nicht freigelassen werden. Schließlich kann es ja sein, dass eine Partei gar keinen Wunsch nach einem dauerhaften Frieden hat, sondern lediglich eine Verschnaufpause braucht, um seine Krampfkräfte wiederherzustellen. Deshalb kann es auch seine Berechtigung haben, eine Blockade aufrecht zu erhalten, welche den Nachschub an Waffen für den Gegner unterbindet.

      • @Socrates:

        "(...) Dass kann mannigfaltige rechtliche Folgen haben. (...)"



        Das ist mir klar. Deswegen hab ich ja extra nach den faktischen Unterschieden gefragt.



        Wenn wir mal unterstellen, dass sich beide Seiten dauerhaft an eine Waffenruhe halten (was ich für sehr gewagt halte, aber glauben wir mal dran), sind andere Unstimmigkeiten doch eigentlich Dinge, die sich lösen ließen...