Stillen auf dem Catwalk: Babys als neue Trend-Accessoires
Das US-Topmodel Mara Martin stillte ihr Baby auf dem Laufsteg. Das löste einen Begeisterungssturm aus. Dabei steckt dahinter ein bedenklicher Trend.
Wir müssen mal wieder über Stillen in der Öffentlichkeit reden. Was das verständlichste der Welt sein sollte, nämlich dass Mütter ihre Babys im Café, am Arbeitsplatz oder im Park stillen dürfen, erregt immer wieder die (männlichen) Gemüter. Dieses mal ist aber das genaue Gegenteil passiert.
Am vergangenen Sonntag lief das US-amerikanische Victoria Secret-Model Mara Martin bei einer Bademoden-Show des Magazins Sports Illustrated mit ihrem Baby über den Laufsteg. Martin trug einen gold-glitzernden Bikini, auf ihrem Arm lag ihr fünf Monate altes Baby in einer grün gehäkelten Unterhose über der Windel und blauen Kopfhörern auf den Ohren. Das Besondere daran: Martin stillte ihr Kind während sie barfuß die neuste Bademode präsentierte.
Auf dem Blog der der Bademoden-Marke schreiben die Verantwortlichen, es wäre eine spontane Aktion gewesen. „Ich habe die Idee geliebt, Mara zu erlauben auf dem Laufsteg zu stillen und dabei hervorzuheben wie unglaublich und wunderschön Frauen sind“, sagte der Verantwortliche MJ Day zum Blog swimsuit von Sports Illustrated. Und die Idee kam gut an. Unter dem Instagram-Post des Models bezeichnen viele Mara Martin als „Heldin“ und bewundern den „Mut der wunderschönen Frau“ – einzelne negative Stimmen blieben natürlich nicht aus.
Und auch verschiedene US-amerikanische und internationale Medien feierten den Gang über den Laufsteg als empowernden Akt. ABC News beschrieb in ihrer morgendlichen Show Martin als „Modelmutter, die mit ihrem wertvollsten Accessoire den Laufsteg revolutioniert“. Und hier liegt auch das Problem des Ganzen, in dem das Baby zu einem trendigen Accessoire wird.
Es steht nicht zur Diskussion, dass Frauen in der Öffentlichkeit stillen sollten, ohne dass Außenstehende sich darüber ärgern sollten. Und es ist auch allein Mara Martins Entscheidung, ob sie ihr Baby auf dem Laufsteg stillen möchte oder nicht.
Keine revolutionäre Aktion
Doch revolutionär ist das nicht. Die Aktion reiht sich in einen Trend ein, der ein Ideal prägt, wie Frauen beim Stillen auszusehen haben. Denn Mara Martin ist Topmodel, sie entspricht dem westlich geprägten Schönheitsideal und erfüllt nach fünf Monaten wieder die Maße eines 90-60-90-Models. So auch Gisele Bündchen, die Bilder bei Instagram postet, in denen sie ihr Baby stillt während ihr die Nägel lackiert und die Haare geföhnt werden. Oder das russische Topmodel Natalia Vodianova, die nackt auf einem Sofa liegt, während ihr Baby an ihrer Brust trinkt. Sie alle sind normschöne Stars, die mit ihren inszenierten Instgram-Bildern versuchen Tabus zu brechen.
Doch mit diesen Bildern und Aktionen wird Stillen in der Öffentlichkeit – wie am Arbeitsplatz oder im Restaurant – nicht enttabuisiert, sondern als etwas Glamuröses inszeniert. Doch eine Frau muss nicht glamurös sein, wenn sie stillt. Und die Maße eines Topmodels fünf Monate nach der Geburt eines Babys zu haben ist okay – aber muss nicht das Ziel von Müttern oder Frauen überhaupt sein. Diese Vorbilder setzen Mütter unter zusätzlichem gesellschaftlichem Druck, dem sie ohnehin schon ausgesetzt sind.
Da sind es doch eher die Aktionen, wie die Mitte August in Hannover, die das Tabu aufbrechen können. Die Künstler*innen Marianne Iser und Thomas Duda laden Frauen ein, in der Innenstadt Babys in der Öffentlichkeit zu stillen. Und hier spielt es keine Rolle, welche Klamotten sie dabei tragen, wie ihre Körpermaße sind und ob ihre Haare mit der Rundbürste frisiert wurden. Sondern das Stillen zu lediglich zu dem zu machen, was es ist: etwas vollkommen natürlichem.
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