piwik no script img

Steuerreform in ÖsterreichZaghafte Ökowende in Wien

Österreichs türkis-grüne Regierung will mit einer Steuerreform nicht nur die Bürger entlasten. Auch die Energiewende soll so an Fahrt gewinnen.

Traktor in Tirol: An den Steuerprivilegien für Diesel hält die türkis-grüne Regierung in Wien fest Foto: Kristen/imago

Wien taz | Die „größte Steuerentlastung der Geschichte“ soll in Österreich gleichzeitig die Energiewende bringen und alle Bevölkerungsschichten entlasten. Um pompöse Worte ist die türkis-grüne Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nie verlegen, wenn es darum geht, die eigenen Leistungen zu verkaufen. So auch am Sonntagnachmittag in Wien. Tatsächlich soll in den nächsten drei Jahren das für Österreich gigantische Volumen von 18 Milliarden Euro umverteilt werden. Nächtelang hatten ÖVP und Grüne über Details gefeilscht. Beide zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden.

Prestigeprojekt der grünen Regierungsbeteiligung sollte eine ökosoziale Steuerreform werden, die eine echte Energiewende bringt. Gemessen an diesem Anspruch ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne bescheiden. An der Zapfsäule wird sich das nächstes Jahr in höheren Treibstoffpreisen von 8 Cent pro Liter niederschlagen. Damit bleibt Tanken in Österreich immer noch billiger als in allen Nachbarländern. Bis 2025 soll der Energieaufschlag dann schrittweise auf 55 Euro/Tonne CO2 angehoben werden. In Schweden liegt er jetzt schon bei 120 Euro, ohne dass dort Massenproteste ausgebrochen wären. Nicht angetastet wurde das Dieselprivileg, also die niedrigere Besteuerung des von Spediteuren und Bauern favorisierten Treibstoffs.

Die zählen traditionell ebenso zur Klientel der konservativen ÖVP wie die Unternehmen, die mit einer Senkung der Körperschaftssteuer von derzeit 25 Prozent auf 24 in zwei Jahren und 23 Prozent im Jahr 2025 entlastet werden. Finanzminister Blümel verteidigte das als „standortpolitisches Zeichen“, frei nach dem neoliberalen Credo: Je niedriger die Steuern, desto mehr wird investiert. Mit Olaf Scholz als Bundeskanzler sei in Deutschland mit höheren Unternehmersteuern zu rechen. Österreich wolle da einen „Kontrapunkt setzen“.

Die Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten findet nicht statt

Die Grünen können hier einen kleinen Verhandlungserfolg verbuchen. Wäre es nach der ÖVP und den Wirtschaftsverbänden gegangen, hätte man die Körperschaftssteuer auf 21 Prozent gesenkt. Die von allen Ökonomen geforderte Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten findet nicht statt.

SPÖ: Reform ist weder sozial noch ökologisch

Die CO2-Steuer wird via Direktzahlungen an die Bevölkerung zurückgegeben. Je nach Vorhandensein öffentlicher Verkehrsmittel wird das Land in fünf Zonen unterteilt. Wer in der Großstadt Wien lebt, bekommt weniger als ein Bürger im strukturschwachen Südburgenland. Bei der Umverteilung sollen auch die niedrigsten Einkommensschichten berücksichtigt werden: Wer zwischen 18.000 und 31.000 Euro jährlich verdient, soll ab Juli 2022 nur mehr 30 statt 35 Prozent Lohnsteuer zahlen müssen. Für die nächsthöhere Stufe bis 60.000 Euro gilt ein Steuersatz von 40 statt 42 Prozent. Niedrigverdiener, die keine Steuer zahlen, sollen durch niedrigere Beiträge für die Sozialversicherung profitieren – ein Erfolg der Grünen, den Kanzler Kurz dreist als seinen darstellte. Der Familienbonus wird um 500 Euro pro Kind und Jahr auf 2.000 Euro kräftig aufgestockt.

Finanzieren will Finanzminister Blümel die Reform mit größerem Wirtschaftswachstum, das nach seiner Berechnung auch helfen werde, die Neuverschuldung zu reduzieren. Den zaghaften Einstieg in die CO2-Bepreisung verteidigt er mit der Menschenfreundlichkeit der Regierung: „Wir wollen die Leute ja nicht sekieren. Das ist nicht unsere Politik.“

Die Arbeiterkammer, die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer in Österreich, hat errechnet, dass ein gut verdienendes Paar mit zwei Kindern mit einer jährlichen Entlastung von 1.715 Euro rechnen könne, eine Arbeiterfamilie mit drei Kindern dagegen nur 308 Euro gewänne. Einer Alleinerziehenden mit einem Kind blieben übers Jahr 438 Euro mehr. Die Reaktionen der Opposition fielen entsprechend aus. Während SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer die Reform als „weder sozial noch ökologisch“ verurteilt, sieht FPÖ-Chef Herbert Kickl in erster Linie die höheren Energiekosten und verurteilt „ein Strafpaket für die österreichischen Steuerzahler“. Wohlmeinende Ökonominnen sehen immerhin eine Wende in der Energiepolitik, die seit 15 Jahren versprochen, aber von keiner Regierung angegangen wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Grünen in Duetschland können aus der Verhandlungsniederlage der Ösi-KollegInnen lernen, dass die Eckpfähle für Klimaschutpolitik frühzeitig eingeschlagen werden müssen.

    Das wurde in Wien versäumt, jetzt haben sie weitaus weniger Verhandlungsmacht gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP, als es vor knapp zwei Jahren der Fall gewesen wäre.

  • Interessant das eine Senkung der Lohnnebenkosten als Linke Politik verkauft wird….

  • Mit der NoVa hat Österreich beim Kauf des Autos bereits seit Jahren eine Art CO2 Steuer.