Sterneköche in deutschen Kliniken: Krankenhausessen zum Nachkochen
Unser Autor hatte keine Erwartungen, was seine Verpflegung im Krankenhaus anging – und fand sich plötzlich auf „kulinarischer Europareise“ wieder.
N imm dir was Gutes zu essen mit! – Diesen lieb gemeinten Ratschlag bekam ich diese Woche, denn ich musste für ein paar Tage ins Krankenhaus. Und kaum etwas hat so einen miesen Ruf wie die Verpflegung in deutschen Kliniken. „Krankenhausessen“, das ist ein feststehender Begriff wie „Apothekerpreise“, und Klagen darüber sind Smalltalk-No-Brainer auf einem Level mit der Deutschen Bahn.
Ich ließ also alle Erwartungen zu Hause und bekam zum Ausgleich, Punkt 11.59 Uhr: einen absolut passablen Rheinischen Sauerbraten. Das Fleisch hatte Biss, die Sauce war gut gewürzt, sogar den Rotkohl mochte ich. Danach durfte ich mir das Essen für den nächsten Tag aussuchen, und zwar à la carte, aus mehr als 15 Hauptgerichten! Vollends fancy wurde es auf dem Cover der Speisekarte, dort stand: „Auf kulinarischer Europareise mit Max Strohe“.
Max Strohe, muss man dazu wissen, ist Chefkoch im Berliner Sternerestaurant Tulus Lotrek, außerdem Buchautor, Kochshowgast, Kolumnist. Zu Beginn der Pandemie startete er eine Initiative, bei der die damals unausgelasteten Gastronomen für die extrem überlasteten Menschen aus dem Gesundheitssektor kochten. So kam der Kontakt zum Krankenhausbetreiber Vivantes zustande, für den Strohe seit 2022 einen Teil der Gerichte mitentwickelt. Das alles wird auf der Webseite vom Vivantes auch ordentlich abgefeiert, mit hölzern gestellten Making-of-Fotos und sogar Rezeptkarten. Man kann sich jetzt also Krankenhausessen daheim nachkochen, weil die Erinnerungen so schön sind.
Der Sternekoch im Krankenhaus. Das ist die maximale kulinarische Fallhöhe und eine gute Geschichte. Eine, die in letzter Zeit häufiger erzählt werden kann, mit verschiedenen Hauptfiguren: sei es mit Peter Frühsammer (2020, Bad Belzig), Hendrik Otto (2021, Helios Kliniken), Ralf Meyer (bereits 2009, Bochum) oder ihren Gehobene-Küche-Kollegen Patrick Wodni (2018, Berlin-Havelhöhe) und Sascha Jakobi (2024, Naumburg).
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Sie alle müssen es schaffen, mit 5 bis 6 Euro Budget pro Patient für alle Mahlzeiten eines Tages vernünftiges Essen zu machen. Ihr Grundrezept dafür ist immer das gleiche: Mehr frische Zubereitung statt TK-Gemüse und Saucen aus Pulver. Das Essen nicht stundenlang warmhalten. Mehr mit Gewürzen arbeiten. Gesündere Zutaten.
Was dabei rauskommt, wird natürlich niemals Sterneküche sein. Entscheidend ist aber, dass hier versucht wird, Kantinennahrung ernst zu nehmen und wertig herzustellen. Denn, wie eine Schweizer Studie gezeigt hat, steigert eine bessere Verpflegung auch die Gesundheit und die Überlebenschancen der Patienten. Es wäre also schön, wenn aus diesem kleinen Trend ein großer würde.
Abends bekam ich dann übrigens grauenvoll pappiges Mischbrot. Zum Glück hatte ich auch noch was Kleines zu snacken dabei.
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