Steigende Kosten für Berlins Polizei: Weniger Polizei, mehr Sozialarbeit
Die Polizei in Berlin wird permanent aufgerüstet und ausgebaut, obwohl die Kriminalität zurück geht. Diese Fehlentwicklung gehört gestoppt.
D ie Polizei löst keine sozialen Probleme, sondern macht vor allem in sogenannten Brennpunkten vieles nur schlimmer. Sie traktiert Menschen mit psychischen Problemen mit Pfefferspray. Sie prügelt Obdachlose ins Koma, sodass diese später sterben. Sie erschießt in Extremsituationen offensichtlich psychisch verwirrte Menschen, die selbst im Ausnahmezustand sind. Und sie eskaliert Konflikte, wo es den chronisch unterbesetzten sozialpsychiatrischen Notdienst braucht.
Immer wieder kommt es in Folge von Polizeieinsätzen in Grenzbereichen zwischen sozialen Problemen und Kleinkriminalität zu unnötigen und gewalttätigen Maßnahmen, im schlimmsten Fall mit Todesfolge. Die Liste ist lang. Und dann haben wir noch gar nicht von Racial Profiling, rechtsextremen Chatgruppen und Verflechtungen mit der extrem rechten Szene gesprochen, geschweige denn von mutmaßlich rassistisch motivierten Morden an Menschen im Polizeigewahrsam.
Dennoch wird selbst im rot-grün-rot regierten Berlin die Polizei kontinuierlich ausgebaut. Polizeieinsätze sind häufig faktisch die einzige Antwort auf komplexe soziale Situationen. Am Kottbusser Tor gibt es multiple Problemlagen zwischen Armut, Kleinkriminalität und Drogenkonsum? Die SPD-Antwort darauf ist eine überteuerte Polizeiwache mit panoptischem Überblick, gegen die es viele Widerstände gibt. Selbst der Kontaktbereichsbeamte, der sich wie kein zweiter vor Ort auskennt, lehnt die die Polizeiwache ab.
Kein Wahlkampf kommt ohne die Forderung nach mehr Polizei aus, um ein kontrafaktisches Unsicherheitsgefühl zur Not auch ohne Datengrundlage zu befrieden. In Berlin gab es in den vergangenen zehn Jahren keinen Landeshaushalt, durch den nicht mehr Geld in die Polizei gesteckt wurde, wie eine Linken-Anfrage diese Woche zeigte (taz berichtete).
Es braucht eine Zeitenwende
Ob nun absolut oder relativ gesehen: Im Gegensatz zu prekären Beschäftigungsverhältnissen im sozialen Bereich und anderen unterfinanzierten Feldern wird die Polizei übermäßig gebuttert und hofiert. Seit 2010 hat sich das Budget für die Polizei deutlich vergrößert – zu ungunsten von anderen Bereichen im Landeshaushalt. Das dürfte nicht zuletzt auch an konstant nörgelnden und omnipräsenten Polizeigewerkschafter*innen liegen, die sich permanent über zu wenig Personal oder zu wenig Mittel beschweren, wenn sie sich nicht gerade mit rassistischem Grundrauschen bei „Bild TV“ äußern.
Die jetzt bekannt gewordenen Zahlen zeigen einmal mehr: Es braucht ein Umdenken im Umgang mit in Teilen auch sicherheitsrelevanten sozialen Problemen. Es braucht mehr Sozialarbeiter*innen statt Polizist*innen, deeskalierende Parkläufer*innen statt Schlägertrupps in laufenden Dieselfahrzeugen. Es braucht kommunikative Kontaktbereichspolizisten statt rumlungernde Hundertschaften.
Ungeprüft übernommene Polizeimeldungen
Politiker*innen wie Journalist*innen wissen eigentlich um den simplen Fakt, dass Kriminalitätsraten seit Jahrzehnten rückläufig sind. In die Berichterstattung schaffen es trotzdem regelmäßig ungeprüft übernommene Polizeimeldungen, die wiederum für ein übertriebenes Unsicherheitsgefühl sorgen. Die Polizei bekommt als Belohnung für ihre überbordende Social-Media-Arbeit, die den Unsicherheitsdiskurs noch befeuert, eine wohlwollende Debatte über Aufrüstung – über Bodycams, Panzerfahrzeuge, Taser und sogar Polizeiroboter.
Medien sollten klar benennen, dass es nicht mehr Polizei braucht. Politiker sollten Aufrüstungsforderungen der Sicherheitsbehörden mit Hinweise auf die Faktenlage abblocken – und in Kriminalitätsschwerpunkten in häufig ärmeren Stadtteilen sollten anhaltende Probleme nicht mit mehr Repression gegen Betroffene, sondern mit lösungsorientierter Sozialarbeit beantwortet werden.
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