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Stasi-Gedenkstätte HohenschönhausenKurzes Comeback für Hubertus Knabe

Der abgesetzte Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt – musste dann aber wieder gehen.

Mit Blumen begrüßt: Der abgesetzte Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe trotzt seiner Abberufung Foto: dpa

Berlin epd | Die Auseinandersetzung um den entlassenen Direktor der Berliner Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat am Montag mehrere überraschende Wendungen genommen. Trotz eines gegenteiligen Beschlusses des Stiftungsrates unter Vorsitz des Berliner Kultursenators Klaus Lederer (Linke) kehrte Knabe am Montagvormittag an seine Arbeitsstelle zurück. Begrüßt wurde er dabei von Sympathisanten und Vertretern von Opferverbänden, die ihm Blumen überreichten und ihm zum Durchhalten aufforderten. Wenige Stunden später verfügte ein Gericht, dass Knabe seinen Platz wieder räumen muss.

Das Landgericht Berlin hatte am Donnerstag per Einstweiliger Verfügung entschieden, Knabe mit sofortiger Wirkung wieder als Gedenkstättendirektor einzusetzen und die Geschäfte der Stiftung vorläufig weiterführen zu lassen. Daraufhin hatte der Stiftungsrat der Gedenkstätte Knabe am Sonntagabend mit sofortiger Wirkung als Vorstand und Direktor der Gedenkstätte mit dem Verweis auf „diverse Rechtsverstöße“, Pflichtverletzungen Knabes und ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis abberufen. Als Interims-Vorstand und –Direktor bestellte der Stiftungsrat den bisherigen stellvertretenden Vorstand und Verwaltungsleiter der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek, Jörg Arndt.

Mit der Rückkehr Knabes gab es damit am Montagvormittag zeitweise zwei Direktoren in der Gedenkstätte. Der Stiftungsrat legte daraufhin am Montag umgehend Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung ein. Noch am gleichen Tag kassierte die Vertreterkammer der eigentlich zuständigen Zivilkammer die Verfügung (AZ: 63 O 42/18). Damit musste Knabe die Gedenkstätte wieder verlassen.

Nach Überzeugung des Gerichts hat die Stiftung glaubhaft machen können, dass der Stiftungsrat am Sonntag einstimmig beschlossen hatte, Knabe mit sofortiger Wirkung als Vorstand und Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen abzuberufen. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheine es zumutbar, dass Knabe bis zur Entscheidung über den Widerspruch der Stiftung nicht wieder tätig wird.

Knabe hat Vowürfe zurückgewiesen

Knabe war am 25. September im Zuge von Vorwürfen gegen den Vize-Gedenkstättendirektor Helmuth Frauendorfer vom Stiftungsrat der Gedenkstätte einstimmig von seinen Aufgaben entbunden worden. Frauendorfer soll Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben und hatte die Vorwürfe zum Teil eingeräumt. Er wurde beurlaubt. Der Stiftungsrat warf Knabe vor, nicht entschieden genug gegen die sexuelle Belästigung von Frauen durch seinen Vize vorgegangen zu sein und stellte ihn ebenfalls frei. Knabe hat die Vorwürfe gegen sich immer zurückgewiesen und erklärt, er habe in den 17 Jahren seiner Tätigkeit seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „immer fair und respektvoll behandelt“.

Kritiker des Stiftungsrates wie der CDU/CSU-Fraktionsvize im Bundestag, Arnold Vaatz (CDU), und der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner vermuten hinter der Entlassung Knabes eine politische Intrige der Linkspartei. Vaatz erklärte am Sonntag, Lederer versuche mit fadenscheinigen Begründungen, Knabe „aus dem Weg zu räumen“. Wegner erklärte am Montag, Lederers Vorgehen komme einer Vorverurteilung von Knabe gleich, die darauf abziele, das unbestrittene Lebenswerk Knabes und seine persönliche Integrität zu zerstören.

Widerspruch für diese These bekommen beide aus ihrer eigenen Partei. „Eine politische Intrige Lederers und der Linkspartei kann ich beim besten Willen nicht erkennen“, sagte der Brandenburger CDU-Politiker Dieter Dombrowski dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dombrowski, der Mitglied des Stiftungsrates ist, attestiert dem Kultursenator ein völlig korrektes Verhalten. Zudem habe Lederer die Vorgänge vom Berliner SPD/CDU-Vorgängersenat geerbt, dem die Fälle bekannt gewesen waren, der aber untätig geblieben sei, sagte Dombowski. Die Stasiopfer-Gedenkstätte wird vom Bund und dem Land Berlin gemeinsam finanziert.

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11 Kommentare

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  • Äquivalenzen

    Das erinnerungspolitische Äquivalent in Berlin zur Gedenkstätte Hohenschönhausen ist die „Topographie des Terrors“. Dessen Direktor wäre niemals in die Lage gekommen, 29 Jahre nach dem Untergang des Regimes, dessen Massen- und Völkermord-Verbrechen sein Forschungsgegenstand sind, beim Rausschmiß von einstigen Opfern dieser Verbrechen aus Solidarität mit Blumen empfangen zu werden. Aus einem einfachen Grunde: 29 Jahre nach dem Ende der Hakenkreuzler gab es dieses Äquivalent noch nicht...

  • Respekt, damit zeigt er Rückgrat und Mut den man heutzutage so oft vermisst.



    Die Entlassung war offensichtlich rein politisch motiviert und das gesamte Verfahren verstieß gegen geltendes Recht wie das Gericht ja nun festgestellt hat.

    Das gerade eine Partei wie die Linke, die so gerne Arbeitnehmerrechte hochhält kein Moment zögert, Rechtsbruch zu begehen um eine unbeliebte Person Loszuwerden lässt tief blicken.

    Auch, dass die Kommentare hier vielfach Politik über Recht stellen ist sehr bedauerlich.



    Der Zweck heiligt offenbar die Mittel.

    • @Horst Horstmann:

      Sie haben aber schon mitbekommen, dass ein Gericht die einstweilige Verfügung kassiert hat?

      Und ihnen ist bewußt, dass auch hochrangige CDU-Vertreter im Stiftungsrat wiederholt gegen Knabe gestimmt haben?

    • @Horst Horstmann:

      Man sollte auch den ganzen Beitrag lesen, bevor man kommentiert.

      Das Gericht hat in der Sache noch überhaupt nichts entschieden, das Verfahren läuft noch, es geht hier nur um eine einstweilige Verfügung. Und wie im Artikel erwähnt wurde, wurde die ursprüngliche einstweilige verfügung vom Donnerstag, bei der Herr Knabe vorläufig wieder als Direktor eingesetzt wurde, heute am Montag wieder kassiert, also aktuell darf er auch laut Gericht nicht als Direktor tätig sein. Aber wie gesagt, das Verfahren läuft aktuell noch, es ist insofern vollkommen offen. Und sollten die Vorwürfe stimmen, dann ist er definitiv als Direktor unhaltbar.

      Im übrigen wäre es tatsächlich eine politische Intrige, wie kommt es dann das ein CDU-Politiker, der ebenfalls im Stiftungsrat sitzt, dies bestreitet. Der hätte wohl ein großes Interesse die Linken schlecht dastehen zu lassen.

  • Eine traurige Posse. Besonders merkwürdig erscheint mir die fast schon militante Parteinahme von Opferverbänden zugunsten Knabe. Als wäre nur er in der Lage die Aufarbeitung der Vergangenheit zu gewährleisten, als würde mit seiner Kündigung gleich auch die gesamte Arbeit der Gedenkstätte gefährdet. Eine mindestens übertriebene Solidarisierung ist das. Wenn eine CDU- Kulturstaatssekretärin und ein Linken- Kultursenator übereinstimmend der Meinung sind, dass in der Gedenkstätte das Vertrauensverhältnis zwischen Leitung und Mitarbeitern nachhaltig gestört ist, wer will da ernsthaft ein Komplott wittern? Und wenn Grütters und Lederer mit ihrer Einschätzung recht haben dann müssen sie schon aus ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten heraus handeln. Abseits von den konkreten Streitpunkten gehört die Gedenkstätte auch einfach nicht den Opfern der staatlichen Verbrechen in der DDR sondern der Allgemeinheit und der Chefposten ist keine Lebensstellung. So etwas tut der Arbeit der Institution nicht gut, irgendwann hat man sonst nur noch ein Museum und mit den Betroffenen stirbt dann irgendwann auch die Relevanz der Einrichtung. Ich finde es traurig wenn so verdiente und mutige Menschen so wenig pber den eigenen Tellerrand sehen können oder wollen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ich fürchte fast, Herr Knabe sieht das etwas anders als Sie. Der Mann ist auf der Jagd. Es geht ihm weniger um eine sachliche Aufarbeitung der Geschichte oder um die Frage, was die „Öffentlichkeit“ braucht an Erkenntnissen / Zusammenhängen. Es geht ihm ums Strafen. Er sieht sich als eine Art Ein-Mann-Gerichshof, der besser machen kann, was nach 1945 nicht gut gemacht wurde seiner Ansicht nach.

      Manchen Opfern gefällt das, was ich beinahe verstehen kann. Diese Menschen haben – anders als Herr Knabe – wirklich gelitten unter der SED. Aber Rache ist nicht sinnvoll, schon gar nicht pauschal, undifferenziert und überzogen. Die DDR war eben NICHT Nazideutschland und wir leben auch nicht mehr im frühen Mittelalter.

      Was aber die von Ihnen thematisierte „Lebensstellung“ angeht, hat sich Herr Knabe offenbar öffentlich positioniert, in dem er von seiner „Lebensaufgabe“ gesprochen hat. So eine „Lebensaufgabe“ schreit schließlich geradezu nach einer „Lebensstellung“. So einen Mann wieder los zu werden, wenn man ihn einmal am Hals hat, ist nicht ganz leicht in einem Land wie unserem. Es wäre wohl besser gewesen, man hätte ihn sich vorher etwas genauer besehen. Aber vielleicht hat man das ja sogar.

      • @mowgli:

        Jagd? Ja das denken die alten Stasiseilschaften. Verständliches Gejammere. Die gleiche Opferattitüde wie bei den AfD-Hampels.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Die Opferverbände haben das rechte Opfergehabe halt lange vor der AfD perfektioniert. Jede Kritik an Knabe ist für die nur noch ein politisches Manöver einer stasiunterwanderten Politik

  • Wird Zeit, diese AfD-Brutstätte nun komplett dichtzumachen.



    Dieses exemplarische Beispiel für das traditionell enge Zusammenwirken von Antikommunismus und Rechtsradikalismus darf nicht länger von uns Steuerzahlern gepampert werden.

    • @Linksman:

      Wat den nu? Stasi und Co war „Kommunismus“? Und Stalin war dann wohl der Messias.

    • @Linksman:

      Spricht hier der SED-Nostalgiker? Aus den Augen, aus dem Sinn! Wir machen die Gedenkstätte zu und alles DDR-Unrecht ist vergessen. Auch ohne Herrn Knabe hat die Gedenkstätte eine wichtige Aufgabe. Das hat gar nichts mit Antikommunismus und Rechtsradikalismus zu tun.