Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen: Kurzes Comeback für Hubertus Knabe
Der abgesetzte Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt – musste dann aber wieder gehen.
Das Landgericht Berlin hatte am Donnerstag per Einstweiliger Verfügung entschieden, Knabe mit sofortiger Wirkung wieder als Gedenkstättendirektor einzusetzen und die Geschäfte der Stiftung vorläufig weiterführen zu lassen. Daraufhin hatte der Stiftungsrat der Gedenkstätte Knabe am Sonntagabend mit sofortiger Wirkung als Vorstand und Direktor der Gedenkstätte mit dem Verweis auf „diverse Rechtsverstöße“, Pflichtverletzungen Knabes und ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis abberufen. Als Interims-Vorstand und –Direktor bestellte der Stiftungsrat den bisherigen stellvertretenden Vorstand und Verwaltungsleiter der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek, Jörg Arndt.
Mit der Rückkehr Knabes gab es damit am Montagvormittag zeitweise zwei Direktoren in der Gedenkstätte. Der Stiftungsrat legte daraufhin am Montag umgehend Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung ein. Noch am gleichen Tag kassierte die Vertreterkammer der eigentlich zuständigen Zivilkammer die Verfügung (AZ: 63 O 42/18). Damit musste Knabe die Gedenkstätte wieder verlassen.
Nach Überzeugung des Gerichts hat die Stiftung glaubhaft machen können, dass der Stiftungsrat am Sonntag einstimmig beschlossen hatte, Knabe mit sofortiger Wirkung als Vorstand und Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen abzuberufen. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheine es zumutbar, dass Knabe bis zur Entscheidung über den Widerspruch der Stiftung nicht wieder tätig wird.
Knabe hat Vowürfe zurückgewiesen
Knabe war am 25. September im Zuge von Vorwürfen gegen den Vize-Gedenkstättendirektor Helmuth Frauendorfer vom Stiftungsrat der Gedenkstätte einstimmig von seinen Aufgaben entbunden worden. Frauendorfer soll Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben und hatte die Vorwürfe zum Teil eingeräumt. Er wurde beurlaubt. Der Stiftungsrat warf Knabe vor, nicht entschieden genug gegen die sexuelle Belästigung von Frauen durch seinen Vize vorgegangen zu sein und stellte ihn ebenfalls frei. Knabe hat die Vorwürfe gegen sich immer zurückgewiesen und erklärt, er habe in den 17 Jahren seiner Tätigkeit seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „immer fair und respektvoll behandelt“.
Kritiker des Stiftungsrates wie der CDU/CSU-Fraktionsvize im Bundestag, Arnold Vaatz (CDU), und der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner vermuten hinter der Entlassung Knabes eine politische Intrige der Linkspartei. Vaatz erklärte am Sonntag, Lederer versuche mit fadenscheinigen Begründungen, Knabe „aus dem Weg zu räumen“. Wegner erklärte am Montag, Lederers Vorgehen komme einer Vorverurteilung von Knabe gleich, die darauf abziele, das unbestrittene Lebenswerk Knabes und seine persönliche Integrität zu zerstören.
Widerspruch für diese These bekommen beide aus ihrer eigenen Partei. „Eine politische Intrige Lederers und der Linkspartei kann ich beim besten Willen nicht erkennen“, sagte der Brandenburger CDU-Politiker Dieter Dombrowski dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dombrowski, der Mitglied des Stiftungsrates ist, attestiert dem Kultursenator ein völlig korrektes Verhalten. Zudem habe Lederer die Vorgänge vom Berliner SPD/CDU-Vorgängersenat geerbt, dem die Fälle bekannt gewesen waren, der aber untätig geblieben sei, sagte Dombowski. Die Stasiopfer-Gedenkstätte wird vom Bund und dem Land Berlin gemeinsam finanziert.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung