piwik no script img

Start der MotorradsaisonUmwelthilfe gegen Motorradlärm

Aktivisten führen ein taz-Meldeportal über Proteste gegen zu laute Fahrzeuge weiter. Es zeigt, wie weit verbreitet dieses Gesundheitsrisiko ist.

Die einen haben ihren Spaß – die anderen leiden Foto: Robert Kalb/imago

Berlin taz | Zum Start der Motorradsaison haben Umweltorganisationen ein Meldeportal der taz übernommen. Dort können Orte gemeldet werden, die besonders durch Motorradlärm belastet sind. Die daraus generierte Karte zeigt inzwischen mehr als 360 Orte in ganz Deutschland, für die Proteste gegen Lärm von Motorrädern oder unnötig lauten Autos registriert worden sind. Künftig sammeln und veröffentlichen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Vereinigte Arbeitskreis gegen Motorradlärm (VAGM) die Eingaben, die etwa von AnwohnerInnen kommen.

Nach Luftverschmutzung ist Lärm die zweitgrößte umweltbedingte Ursache für Gesundheitsprobleme. Unter den Lärmquellen ist der Straßenverkehr nach Angaben des Umweltbundesamts die mit Abstand wichtigste: Umfragen zufolge fühlen sich etwa drei Viertel der Bevölkerung durch Straßenverkehrslärm gestört oder belästigt, also in der Lebensqualität eingeschränkt. Dabei können chronische Lärmbelastungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle verursachen, warnt das bundeseigene Robert-Koch-Institut.

„Unter www.motorradlaerm.de/#hotspot-melden haben die Verbände eine neue Plattform ins Leben gerufen, auf der Betroffene Lärm-Hotspots in einer Karte eintragen sowie bestehende Initiativen in der Umgebung ausfindig machen und kontaktieren können“, teilten die Umweltorganisationen mit. Außerdem solle eine Sammlung von fachlichen Stellungnahmen, Gerichtsurteilen und Gutachten auf der Internetseite Betroffenen helfen, ihr Recht auf mehr Schutz vor Lärm durchzusetzen. Ein Hotspot werde nur eingetragen, wenn über eine Presseveröffentlichung, eine Beschwerde bei Behörden oder eine juristische Auseinandersetzung um das Thema nachgewiesen werden kann, dass der Lärm dort als besonders laut empfunden wird.

„Lärm macht krank. Insbesondere unnötig laute Motorräder sind seit Jahrzehnten ein ernst zu nehmendes Problem für Millionen Menschen“, sagt Dorothee Saar, DUH-Leiterin für Verkehr und Luftreinhaltung. Einerseits seien Lärmtests in den Zulassungsverfahren für Motorradtypen wirkungslos und von der Industrielobby beeinflusst.

Drei Viertel der Bevölkerung fühlen sich laut Umfragen durch Straßenverkehrslärm beeinträchtigt

Andererseits stießen Kommunen auf bürokratische Hürden des Straßenverkehrsrechts, wenn sie lokale Gegenmaßnahmen wie Tempo 30 durchsetzen wollten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) müsse Gesetzesänderungen vorschlagen, „die den Kommunen den notwendigen Handlungsspielraum geben“.

Der VAGM forderte die Länder auf, der Polizei ausreichend Personal und Mittel zur Verfügung zu stellen für regelmäßige Kontrollen und um zu laute Motorräder aus dem Verkehr ziehen zu können. Lärmblitzer, wie sie in Frankreich bereits eingesetzt werden, müssten auch in Deutschland zugelassen und in den betroffenen Regionen installiert werden. „Dazu müssen auch auf Bundesebene endlich die Weichen gestellt werden.“

Die taz hat als erstes überregionales Medium 2018 darüber berichtet, dass BMW und andere Konzerne Motorräder oder Autos absichtlich so bauten, dass sie lauter sind als zum Fahren nötig. Die Unternehmen bestätigten, dass sie in den Auspuff mehrerer Modelle Klappen einbauen. Diese dienen dazu, bei den im Zulassungstest geprüften Drehzahlen den Lärm zu verringern. Insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten sind die Fahrzeuge aber lauter. Der Grund: Gerade männliche Kunden bevorzugen es, wenn die Fahrzeuge einen „kräftigen Sound“ haben.

Die ebenfalls 2018 begonnene Karte der taz zeigte, dass Lärm durch Motorräder und unnötig laute Autos weiter verbreitet ist als bis dahin bekannt war. Datengrundlage waren Meldungen von Betroffenen bei der VAGM und der taz sowie Presseberichte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Was viele nicht am Schirm haben ist, das ein Lauteres Motorrad eine Lebensversicherung ist, weil ein großteil der Autofahrer mit Träumen, Telefonieren, Schminken oder Unterhaltung jedoch nicht mit Autofahren beschäftigt ist.



    So Sind z.B. manche sind richtig erschrocken, wenn man diese überholt obwohl man schon längere Zeit hinten nach fuhr.



    Huch, wo kommt der denn her. Spiegle, Verkehr beobachten - Fehlanzeige.

  • 6G
    676595 (Profil gelöscht)

    Für E-Fahrzeuge gibt’s ja auch die unterschiedlichsten Sound Booster, von dezent bis extrem. Für Motorräder, egal ob Verbrenner oder Elektro, schlage ich Kombilösung vor:

    1. Der gewünschte Sound direkt im Helm, frei programmierbar, also inklusive Fehlzündungen.



    2. Die Woofermatte als Erweiterung unterm Hintern, synchron zum Helmgeräusch für das besondere Kribbeln.

    Beides natürlich auch für den Sozius. Außen kommt nichts davon an, denn nur die Gefühlsechtheit auf dem Zweirad zählt.

  • Danke, dass das Thema von der TAZ aufgegriffen wird. Die Politik verschließt die Augen und schützt Menschen (in der Regel Männer), die egoistisch ihren persönlichen Freiheitsdrang auf Kosten anderer ausleben.

    Laute Motorräder und laute Autos gehören an Ort und Stelle stillgelegt (Parkkralle wie in Amsterdam) und mit einem empfindlicchen Bußgeld belegt.



    Der PS-Porno ist ja in der Regel vorsätzlich und schränkt die Freieht anderer ein.

    Da in der Regel auch nur zum Spaß von A nach B über X und Y gefahren wird, ist dieser Luxus in Hinblick auf den Lärm nicht zu akzeptieren. Neben Lärm emittieren Abgase und fossile Rohstoffe werden verheizt. Die Kisten saufen ja auch ordentlich Kraftstoff, nicht nur wenn aufgedreht wird.

    Lieber geht die Politik Geschäfte mit diktatorischen Regimen ein, fördert Fracking in Übersee und lässt Regenwälder für Biokraftstoffe roden anstatt mal diesen PS-Zirkus einzuhegen.

  • Sehr nervig sind auch die künstlichen Fehlzündungen, um einen Rennmotor vorzugaukeln.

    Elektronische Motorsteuerungen produzieren keine Fehlzündungen mehr, es sei denn, sie sind dafür programmiert. In einer Doku über Autotuning hat der Anbieter erklärt, dass bei Aktivierung automatisch genau drei Sekunden lang Fehlzündungen produziert werden, wenn man Gas wegnimmt. Also völlig überflüssig und sorgt sogar für vorzeitigen Verschleiß, was noch zusätzliche Ressourcen kostet.

  • Dröhn, Röhr, Hust, Fehlzünd ...

    Verchwörung is hier wohl keine Theorie: Autobauer Tuningzube-Hörer Werkstätten und der ein oder andere Politiker Polizist IHK-Präsi, die in ihrer Freizeit selber ganz gern Krach machen: da ist 'Personalmangel' die perfekte Ausrede für: NULL LÄRMKONTROLLEN. Nachts halbvier, und EIN Idiot weckt ganze Stadtviertel. Nicht identisch, aber weitgehend überschneidet sich das mit der Raserszene, die auch keiner kontrollieren möchte. Wer überhaupt erst auf die Idee kommt, sich nen Opel zu tunen oder nen Porsche zu kaufen, DER (selten:die) meint, unser Lebensraum steuerfinanzierter Verkehrsraum Atemluftraum sei eigentlich für den Motorsport gemacht. Und Stuttgarts Münchens Ingolstadts Wirtschaft ohne Porsche AMG BMW Audi? Siehste !

  • "Insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten sind die Fahrzeuge aber lauter. Der Grund: Gerade männliche Kunden bevorzugen es, wenn die Fahrzeuge einen „kräftigen Sound“ haben."



    Haallloo - dann baut gefälligst den Sound als Kopfhörer in den Helm, dann haben'se den ganz alleine!

  • Schade dass das nur in Verbindung mit Gerichtsbeschlüssen oder Presseberichten funktioniert. Das Verbauen von Sport- und Klappenaspüffen hat auch bei PKWs enorm zugenommen, bis hin zum Kleinstwagen. Hier im Wohngebiet gibt es das auch. Da wackeln beim lautesten Fahrzeug die Wände, und der Typ fährt natürlich auch zigmal am Tag vorbei. Geschwindigkeitsbegrenzungen bringen überhaupt nichts, wenn das Fahrzeug schon im Leerlauf extrem laut ist und der Fahrer das Gaspedal betätigt etc.

    Solche Fahrzeuge sollten nur auf Rennstrecken zugelassen sein.