Stars bei der Amtseinführung Joe Bidens: Die richtige Dosis Pathos
Die Show für Joe Biden am Kapitol zeigte Sinn für Repräsentation. Für echte Aufbruchsstimmung aber sorgte die junge Dichterin Amanda Gorman.
D ie Erlösung trug einen roten Ballonrock. Als Lady Gaga bei der Amtseinführung Joe Bidens die Bühne betrat, um die Nationalhymne zu singen, war das nicht weniger als ein Exorzismus. Denn die Sängerin ist so etwas wie Madonnas und David Bowies Tochter im Geiste – immer die Schrillste im Raum, dabei immer aufseiten der Außenseiter, der Queers und Freaks. Damit steht sie für vieles, was Trump-Fans bis aufs Blut reizt.
Die Inaugurationsfeier Bidens war, wie Inaugurationsfeiern immer, symbolpolitisch heikel. Schließlich muss die Veranstaltung unterhaltsam und würdevoll, zeitgeistig und massenkompatibel sein – eine echte Kreisquadratur. Trump hatte vor vier Jahren neben einem Castingshow-Star und einer mittelberühmten Grobklotzband (3 Doors Down) keine Promis für seine Amtseinführung gewinnen können.
Joe Biden und Kamala Harris hingegen fuhren ein mächtiges Ensemble auf. Neben Lady Gaga war auch Jennifer Lopez geladen; sie sang ein Medley aus Woody Guthries Klassiker „This Land Is Your Land“ und „America the Beautiful“. Im Anschluss sang Countrystar Garth Brooks „Amazing Grace“.
Ganz offensichtlich hat das Team Biden/Harris den Wert von Repräsentation verstanden. Sie versammelten einen Platinpopstar in queerer Tradition, eine Latina aus der Bronx, deren amerikanischer Traum – von der Nachtclub-Tänzerin zur Millionärin – immer Gegenstand ihrer Erzählung gewesen ist, und einen Cowboyhut-Mann aus der guten alten Zeit. Es war ein Cast, um der Welt zu zeigen, was gut und richtig am liberalen Amerika ist. Eine Party, um zu beweisen, dass man Größe und Exzellenz performen kann, ohne andere bewusst herabzusetzen.
„Yesterday's Man“ als Gastgeber
Eines aber haben Gaga, Lopez und Brooks gemein: Ihre Zeit als richtungsweisende Kräfte liegt ein paar Jahre zurück, wenn auch in Lady Gagas Fall nicht viele. Popstars wie die Sängerin Ariana Grande oder die Rapperin Cardi B, die Debatten der vergangenen Jahre geprägt haben, hatten einen anderen unterstützt: Bernie Sanders. Aus Sicht der jungen, durch die „Black Lives Matter“-Proteste politisierten US-Amerikaner:innen muss Joe Bidens Amtseinführung eine rührende Show gewesen sein – mit einem wohlmeinenden „Yesterday’s Man“ als Gastgeber, der vieles, aber sicher keine Aufbruchstimmung bringen wird.
Für die war eine andere zuständig: Die 22-jährige Schwarze Dichterin Amanda Gorman trug ihr Gedicht „The Hill We Climb“ vor, mit dem rechten Maß an Pathos und doch unaufgeregt, und lieferte so die vielleicht interessanteste Botschaft des Tages: niemand quadrierte den Kreis besser.
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