Stark steigende Infektionszahlen: Mit 2G gegen die 4. Welle ankämpfen
Der Senat verabredet schärfere Coronaregeln. Weithin soll 2G gelten, außer beim Einkaufen und in Bus und Bahn.
Weil am Dienstag viele Gedenkveranstaltungen zum 9. November einer regulären Senatssitzung im Weg standen, hatte sich die Landesregierung schon am Montagabend per Telefon zusammengeschaltet. Zentraler Punkt war die Abkehr vom bisherigen Optionsmodell, bei dem Gastwirte und Veranstalter entscheiden können, ob sie ihre Gäste und Besucher nach dem 2G- oder 3G-Modell einlassen. Das bedeutet bislang: Zutritt entweder nur für Geimpfte und Genesene, die dann keine Maske tragen müssen, oder auch für Getestete, dann aber mit Maskenpflicht.
Wegen der stark gestiegenen Zahl neuer Corona-Infektionen will der Senat nun wie andere Bundesländer weitgehend auf 2G setzen. Die Zahl der Neuansteckungen wuchs am Dienstag gegenüber der Vorwoche um über 30 Prozent. Der Anteil derjenigen, die Corona auf die Intensivstation bringt, hat sich im selben Zeitraum um rund 10 Prozent erhöht. Die Charité gab am Dienstag bekannt, ab sofort alle planbaren Eingriffe abzusagen. Dringliche Operationen soll es aber weiter geben.
Die mögliche künftige Vize-Regierungschefin Bettina Jarasch (Grüne), die als derzeitige Co-Fraktionschefin an den Sitzungen des Senats teilnehmen kann, hatte bereits am Montagmorgen eine Verschärfung angekündigt. Nach ihren Vorstellungen soll 2G zur Regel werden. Davon nahm sie die Grundversorgung und die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs aus. Was der nicht genau definierte Begriff „Grundversorgung“ umfasst, war am Dienstag noch offen. Nahe liegt, dass sich die Ausnahmen an der langen Liste jener Geschäfte orientieren, die trotz Lockdowns offen bleiben durften. Darunter fielen neben Lebensmittelgeschäften auch Buchläden, Brillenläden und Schreibwarengeschäfte.
In der Brandenburger Landesregierung hat das Thema Maskenpflicht in Grundschulen Streit ausgelöst. Erst nach einer Pause von mehreren Sekunden antwortete Gesundheitsenatorin Ursula Nonnemacher (Grüne) in einer Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung auf die Frage, ob sie einen Rücktritt ausschließe. Bildungssenatorin Britta Ernst (SPD) hatte Bedenken geäußert, wie von Nonnemacher gefordert erneut eine Maske vorzuschreiben. Die Entscheidung wurde daraufhin auf Donnerstag vertagt. „ Ich komme in große Probleme, was ich mit meinem ärztlichen Gewissen noch vereinbaren kann", sagte Nonnemacher, die bis 2009 zweieinhalb Jahrzehnte Klinikärztin in Spandau war. (sta, dpa)
Im Gespräch ist zudem, 2G teilweise zu 2G plus zu verschärfen. Das soll nicht immer heißen, dass Genesene oder Geimpfte zudem einen tagesaktuellen Testnachweis dabeihaben müssten. Laut Vize-Senatssprecher Julian Mieth kann das auch für eine Maskenpflicht stehen, die es beim reinen 2G-Konzept nicht gibt. Entscheidend sei, was wann mehr Sinn macht.
Beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband reagierte man schicksalsergeben: Man habe die Wahlmöglichkeit zwischen 2G und 3G sehr begrüßt, sagte Landesgeschäftsführer Thomas Lengfelder der taz, werde jetzt aber auch die neue Regelung mittragen. Die Kontrolle der nötigen Nachweise wird aus seiner Sicht nicht gerade leichter. Schon bislang gelte: „Die Gastronomen müssen sich von dem einen oder anderen Gast durchaus was anhören. Das ist ja hier nicht so breit akzeptiert.“
Details werden laut Vize-Senatsssprecher Mieth derzeit ausformuliert. Mittwoch oder spätestens Donnerstag soll der offizielle Beschluss folgen und ab dem Wochenende gelten. Eine Verzögerung ergibt sich daraus nicht: Auch ein Beschluss vom Dienstag hätte erst im Amtsblatt veröffentlicht werden müssen und ab Samstag gelten können.
Dass die Rückkehr zur Maskenpflicht in den Grundschulen – und auch in den Jahrgängen 5 und 6 der grundständigen Gymnasien – bereits Fakt ist, hat laut Mieth folgenden Hintergrund: Hier konnte die Senatsverwaltung für Bildung, unterstützt von einem Hygienebeirat, allein entscheiden, weil die Coronaverordnung des Senats ihr dazu „quasi eine Pauschalermächtigung“ gibt.
Die Maskenpflicht soll laut Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Laufe der Woche gültig werden, „sobald die Schulen die Eltern informiert haben“. Erst eine Woche vor den Herbstferien war diese Pflicht in den Grundschulen entfallen, über einen ähnlichen Schritt in den Oberschulen sollte nach den Ferien diskutiert werden. In Brandenburg sorgt eine neuerliche Pflicht für Streit im Kabinett (siehe Kasten).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“