Stadtteilschulen in Hamburg: Rabe stört der Alarmismus

Schulsenator zieht Bilanz nach vier Jahren Stadtteilschule und schilt die Medien. Es handle sich um starke Schulen mit starker Ausstattung. Opposition sieht das anders.

Der Senat hat investiert: Kantine der Stadtteilschule Barmbek in der Fraenkelstraße. Bild: dpa

In Hamburg werde zu viel über die Probleme und zu wenig über die Potenziale der Stadtteilschulen geredet. So lautet das Fazit von Schulsenator Ties Rabe (SPD), der am Mittwoch vier Jahre Stadtteilschule bilanzierte. Der Senat wolle diese Schulform „zur ernst zu nehmenden Alternative zum Gymnasium entwickeln“. Nach drei Jahren Regierungszeit sei dazu ein solides Fundament gelegt.

Üblicherweise haftet solchen Bilanzen der Ruch des Selbstlobes an. Rabe ließ denn auch kein gutes Haar an der schwarz-grünen Vorgängerregierung und erklärte, erst die SPD habe diese neue Schulform besser ausgestattet.

So gebe es 550 zusätzliche Stellen für Inklusion, Ganztagesschulen, bessere Unterrichtsvorbereitung und kleinere Klassen. Dabei ließ er unerwähnt, dass rund 120 dieser Stellen aus einem Bundesprogramm stammen, das überhaupt erst nach dem Hamburger Regierungswechsel aufgelegt wurde.

Doch womit Rabe wohl Recht hat, ist, dass sich die öffentliche Diskussion um die Stadtteilschule leidenschaftlich um die Defizite rankt. Die Zeit titelte gestern sogar „Pfusch am Kind“.

In Hamburg haben behinderte Kinder das Recht, auf eine Regelschule zu gehen.

Die Stadtteilschulen erhalten für Kinder mit Förderbedarf eine Grundförderung, die von acht Prozent zu Fördernden ausgeht. Gemeldet sind aber 15,8 Prozent.

Die Grünen fordern einen Inklusionsfonds, die Lehrergewerkschaft GEW eine Doppelbesetzung in allen Inklusionsklassen.

Der Schulsenator zweifelt die Fördergutachten an. Es soll zum nächsten Schuljahr eine neue Diagnostik geben.

Für rund 400 Kinder, die durch ihr Verhalten den Unterricht stark stören, gibt es seit diesem Schuljahr eine gesonderte Betreuung in Kleingruppen.

Das Modell „Stadtteilschule“ wurde im August 2010 gestartet. Aus ehemals 52 Haupt- und Realschulen, 40 Gesamtschulen und vier Aufbaugymnasien wurden 52 Stadtteilschulen neu gebildet. Und weil dies zu wenig waren, wurden seither sieben neue gegründet mit so hübschen Namen wie „Brüder-Grimm-Schule“ oder „Max-Schmeling-Schule“.

Hatten zuvor nur 22 der früheren Gesamtschulen eine eigene Oberstufe, so haben inzwischen 47 Stadtteilschulen eigene Abiturienten. Allein das werte eine Schule insgesamt auf, heißt es in der Drucksache, die Rabe vorstellte. Abiturienten an der eigenen Schule könnten „als erlebbare Vorbilder gerade in bildungsferne Milieus ausstrahlen“.

An 19 Stadtteilschulen wurde 2013 zum ersten Mal das Abitur abgelegt, fünf weitere begehen in wenigen Tagen diese Premiere. An den neuen Standorten sind die Kinder noch zu jung, aber Rabe geht davon aus, dass es weitere Oberstufengründungen geben wird. In der Summe hat sich der Anteil der Abiturienten eines Jahrgangs von 45 auf 58 Prozent erhöht. Zugleich hat sich die Zahl der Schüler ohne Abschluss von 8,2 auf 6,6 Prozent verringert.

Schulstudien zufolge behalten Gymnasiasten insgesamt einen Leistungsvorsprung. Doch Rabe geht davon aus, dass sich durch bessere Bedingungen an den Stadtteilschulen bessere Ergebnisse erzielen lassen. Er appellierte, Geduld für diese jungen Schulform aufzubringen und verband dies mit einer Medienschelte. Kaum seien die Anmeldezahlen etwas schlechter, sagte er, „tobt die Diskussion um den Untergang“. Es sei Unsinn, die Schulform als gescheitert zu erklären, nur weil sechs Standorte Probleme haben.

Allerdings gibt es ungelöste Probleme. Dora Heyenn von der Fraktion Die Linke weist darauf hin, dass die Mehrheit der Abgänger nach Klasse zehn keinen Ausbildungsplatz erhält. Und die grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg schloss sich Rabes Lob für die Stadtteilschule zwar an, kritisierte aber, dass es immer noch keine angemessene Ausstattung für die Inklusion gibt.

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