Stadtentwicklung: Ein Kleinod verödet
Die Finanzbehörde will die leer stehende Amsinck-Villa in Lokstedt verkaufen. Ein Investor entpuppte sich als Betrüger, jetzt werden die Karten neu gemischt.
Prachtvoll thront die Amsinck-Villa auf einer Anhöhe in Lokstedt, ein klassizistisches Kleinod, ringsum die ausgedehnten Grünflächen eines öffentlichen Parks. Prachtvoll? Oder doch eher schepp? Das Dachgebälk: durchgeschimmelt. Die Mauern: gelb angelaufen. Die Fenster: verrammelt.
Seit Jahren steht die im Besitz der Stadt befindliche Villa leer, und ein Weilchen wird das so wohl bleiben. Denn der von der Finanzbehörde betriebene Verkauf wurde vorerst gestoppt. Der Investor, die Tochterfirma eines englischen Schiffsfinanzierers, erschien wenig vertrauenserweckend, nachdem bekannt wurde, dass ihr Geschäftsführer eine Haftstrafe wegen Versicherungsbetrugs verbüßt hatte: Er hatte ein historisches Gebäude in Flammen aufgehen lassen, um sich die Versicherungssumme in die Tasche zu stecken.
Der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft empfahl nun eine erneute Ausschreibung für das denkmalgeschützte Gebäude. Das hatte zuvor schon der Ortsausschuss Lokstedt empfohlen, der zugleich mehr Transparenz für die örtlichen Gremien bei der Vergabe forderte.
"Die Finanzbehörde hat die Villa immer wie ihre Privatangelegenheit betrachtet", klagt auch Nora Ulrike Betz von der Initiative "Freunde der Amsinck-Villa". Die pensionierte Lehrerin wünscht sich, dass das Gebäude in der Hand der Stadt bleibt, und in einem öffentlichen, transparenten Prozess ein Nutzungskonzept erarbeitet wird, das die Interessen der Bürger vor Ort miteinbezieht. Für eine "bürgerfreundliche Nutzung" plädiert auch Rüdiger Rust von der Eimsbütteler SPD. So solle darauf geachtet werden, dass bei der Vergabe ein gemeinnütziger Bezug bestehe und der Zugang für die Öffentlichkeit gewahrt bleibe. Das war allerdings bereits in der ersten Ausschreibung der Finanzbehörde 2008 vorgesehen, zumindest für das Erdgeschoss. Weiter vorgesehen war eine Wohnnutzung, und dass das Grundstück nicht eingezäunt werde. Von den drei Bietern versprach damals nur der Versicherungsbetrüger, die Auflagen zu erfüllen.
Es zeichnet sich bereits ab, dass sich die Amsinck-Villa nur schwerlich zu Geld machen lassen wird. So muss die Finanzbehörde erst einmal 8.000 Euro in das renovierungsbedürftige Gebäude stecken, um es wenigstens winterfest zu machen.
Tatsächlich ist die Villa, seit 1956 im Besitz der Stadt, bereits ein altes Sorgenkind. Schon in den 1980er Jahren stand sie über Jahre leer und verfiel. Eine Galerie konnte sich später nicht lange halten, ein Architektenbüro ebenso wenig. Zuvor soll die Villa mal als Polizeiausbildungsstätte gedient haben. Mit Hundestaffel.
Erbauen ließ sie sich im Jahr 1868 der Hamburger Kaufmann Wilhelm Amsinck vom Rathaus-Architekten Martin Haller. Ergänzt wurde das Haupthaus durch Wirtschaftsgebäude, Stallungen und ein Haus für Bedienstete und Gäste. Der Blick ging über Wiesen, bis hin zum Dörfchen Niendorf. Allerdings stand auch damals das Gebäude bereits regelmäßig leer. Nur in der warmen Jahreszeit zogen die Amsincks mit Sack und Pack aufs Land. Die übrige Zeit versprach ihr Stadthaus mit Alsterblick dann doch mehr Annehmlichkeit als die Sommerresidenz.
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