Stadtentwicklung vs. Naturschutz: Ein Drittel bleibt Grün
Hamburgs rot-grüne Koalition hat mit Naturschützern einen Vertrag geschlossen, der Stadtentwicklung und Natur unter einen Hut bringen soll.
Um das zu erreichen, wird der Senat analog zum Vertrag für das Wohnen einen Vertrag für das Stadtgrün schließen. „Alle städtischen Dienststellen und Betriebe werden verpflichtet, danach zu handeln“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Dementsprechend wird es als Gegenstück zum Koordinator für den Wohnungsbau auch einen Koordinator für das Stadtgrün geben.
Die vom Naturschutzbund (Nabu) getragene Volksinitiative hatte binnen weniger Monate 23.000 Unterschriften gesammelt; 10.000 wären für die Einleitung eines Volksbegehrens notwendig gewesen. „Wir wollen nicht weiter zusehen, wie Fläche um Fläche immer mehr Grün für gewinnorientierte Bauprojekte geopfert wird“, hatte der Nabu-Landesvorsitzende Alexander Porsche bei der Übergabe der Unterschriften im Mai 2018 gesagt.
Ergebnis der Verhandlungen sind konkrete Ziele und Mechanismen, die verhindern sollen, dass wichtige Grünflächen verschwinden. Dazu gehört, dass der Flächenanteil der Naturschutzgebiete von 9,4 auf zehn Prozent der Landesfläche vergrößert werden soll und der des Biotopverbundes auf 23,2 Prozent – das Hamburger Naturschutzgesetz schreibt 15 Prozent vor.
Die 30 Prozent Grün, die erhalten bleiben sollen, setzen sich aus Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie weiteren Flächen des Biotopverbundes zusammen. Die Bebauung von Naturschutzgebieten bleibt tabu. Im Gegenteil: Mindestens die Hälfte davon soll in den nächsten zehn Jahren aufgewertet werden.
Alexander Porsche, Nabu-Landesvorsitzender
Für wegweisend halten Senat und Initiative, dass innerhalb des zweiten grünen Rings jede Bebauung in der Nähe flächengetreu ausgeglichen werden muss. Der zweite Ring zieht sich vom Jenischpark über den Friedhof Ohlsdorf, den Öjendorfer Park, die Boberger Niederung und den Harburger Stadtpark bis zum Rüschpark in Finkenwerder. Heute schafft es der Senat nicht einmal alle Bauprojekt überhaupt auf dem Stadtgebiet auszugleichen, geschweige den flächenmäßig.
Um das zu schaffen, will sich der Senat ein Vorkaufsrecht für Grundstücke in Landschaftsschutzgebieten sichern. Bezirke will er verpflichten, Bedarf für Ausgleichsflächen für Bauvorhaben dem Sondervermögen Naturschutz und Landschaftspflege zu melden. Das soll verhindern, dass die Umsetzung bei den Bezirken auf ewig verschoben wird.
Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) versicherte, diese Vorgaben seien mit dem Plan, 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen und ausreichend Gewerbeflächen bereitzustellen, vereinbar. „Wir haben keine leichtfertige Zusage gemacht“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und verwies auf eine Flächenanalyse, an der viele Behörden beteiligt gewesen seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion