Staatsanwaltschaft ermittelt: Grünen-Spitze unter Verdacht

Der Parteivorstand gönnte sich einen Coronabonus, zahlte diesen nach Kritik aber zurück. Die Ermittlungen hätte er aber gerne diskret behandelt.

Sechs prominente Grüne vor einem Waldplakat

Mit Corona kam die Bonuszahlung: Die Grünenspitze vor der Pandemie Foto: Teutopress/imago

BERLIN taz | Horst Peter Preßler-Höft versteht sich als Mann der Basis, und als solcher ist er irritiert über den Grünen-Vorstand. Am Mittwochabend wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen die sechsköpfige Parteispitze ermittelt. Grund sind Bonuszahlungen, die sich der Vorstand selbst genehmigt hatte und wegen derer jetzt der Verdacht der Untreue im Raum steht. „Ich verstehe nicht, wie solche Vorgänge möglich sind. Die Leute, die das gemacht haben, haben es doch eigentlich gar nicht nötig“, sagt Preßler-Höft. „Der Parteibasis, die ihre Mitgliedsbeiträge zahlt, ist das schwer zu erklären.“

Der Schleswig-Holsteiner ist vom Fach, er hat jahrzehntelange Berufserfahrung im Bereich Rechnungsprüfung und Compliance. Seine Expertise würde er auch gerne in der Partei einbringen, die er einst mitgegründet hat und der er vor einem halben Jahr nach langer Pause wieder beigetreten ist. Auf dem Parteitag kommende Woche kandidiert er für das Amt des Schatzmeisters. Chancen rechnet er sich als Neuling zwar nicht aus gegen den Amtsinhaber Marc Urbatsch, der vor zwei Jahren mit 85 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Aber wer weiß, nach den Neuigkeiten vom Mittwoch könnte ihm zumindest ein Achtungserfolg gelingen.

Ganz neu sind die Vorgänge zugegebenermaßen nicht: Schon im vergangenen Jahr wurde durch Presseberichte bekannt, dass der Grünen-Vorstand im Jahr 2020 einen Coronabonus in Höhe von 1.500 Euro beschlossen hatte – für alle Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Bundesgeschäftsstelle und eben auch für sich selbst. Nach Kritik unter anderem von den parteiinternen Rech­nungs­prü­fe­r*in­nen zahlten die Vorstände ihre Boni zurück. Außerdem änderten sie die Finanzordnung der Bundespartei. Sonderzahlungen an den Vorstand sind jetzt ausgeschlossen.

Neu ist allerdings, worüber am Mittwoch zuerst der Spiegel berichtete: Bei der Staatsanwaltschaft Berlin gingen infolge der Berichte mehrere Anzeigen von Privatpersonen ein. Auf deren Grundlage hat die Behörde Ermittlungen wegen Untreue gegen alle sechs Vorstände eingelegt: Vizekanzler Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, Staatssekretär Michael Kellner und die Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer (sie alle kandidieren auf dem Parteitag nicht wieder) sowie Schatzmeister Urbatsch und Ricarda Lang, die sich kommende Woche zur Parteichefin wählen lassen möchte. Ihre Kandidatur wird jetzt von den Ermittlungen überschattet.

Juristisch hat die Parteispitze wenig zu befürchten

Die Grünen-Spitze ist bemüht, das Verfahren, das sie gerne unter dem Teppich gehalten hätte, herunterzuspielen. „Das wird sich jetzt alles sehr schnell aufklären“, sagte Noch-Parteichef Habeck am Donnerstag. Die Angelegenheit sei „mehrfach politisch durchgenudelt“.

Ob die Zahlungen tatsächlich rechtswidrig waren, muss die Staatsanwaltschaft erst noch klären. Die Finanzordnung der Partei, in der die Regeln festgelegt sind, ist nicht öffentlich verfügbar. Laut dem Bericht der parteiinternen Rech­nungs­prü­fe­r*in­nen für den Parteitag wäre es zwar „zu empfehlen“ gewesen, dass der Vorstand andere Gremien konsultierte, bevor er sich selbst einen Bonus auszahlte. Ein genaues Verfahren für Sonderzahlungen an Vorstände sei in der Finanzordnung in der Fassung 2020 aber gar nicht festgeschrieben gewesen.

Um eine Einschätzung zu dem Fall gebeten, sagte der Berliner Strafverteidiger Benedikt Mick am Donnerstag der taz: „Ob die im Raum stehenden Vorwürfe zutreffen, wird das Ermittlungsverfahren zeigen; die Frage, ob der Bundesvorstand durch die Zahlungen seine Befugnisse missbrauchte, wird dabei sicherlich eine gewichtige Rolle spielen.“

Sollten die Er­mitt­le­r*in­nen zu dem Schluss kommen, dass die Parteispitze tatsächlich rechtswidrig gehandelt hat, wäre das für die Grünen-Vorstände politisch misslich. Juristisch hätten sie aber vermutlich wenig zu befürchten, da sie nicht vorbestraft sind, es um geringe Beträge geht und das Geld schon zurückgezahlt ist. Aus Erfahrung sagt Rechtsanwalt Mick: „Selbst wenn die Staatsanwaltschaft letztlich meint, ein strafbares Verhalten annehmen zu können, käme noch eine Einstellung des Verfahrens, beispielsweise gegen eine Geldauflage, in Betracht.“

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