Staatliche Essensrationen fast halbiert: Taktiert Pjöngjang mit Hungerbericht?
Nordkorea spricht von einem Nahrungsmittelengpass. Ausgerechnet kurz vor dem Treffen von Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump.
Unter internationalen Beobachtern herrscht Skepsis. Die ungewöhnliche Geste der Schwäche nur wenige Tage vor dem zweiten US-Nordkorea Gipfel im vietnamesischen Hanoi könnte schließlich taktisches Kalkül sein.
Das nordkoreanische Regime, so lautet die Argumentation, würde den Druck auf US-Präsident Trump erhöhen wollen, die Wirtschaftssanktionen gegen das Land zu lockern.
De facto jedoch sind humanitäre Lieferungen ohnehin ausgenommen von den derzeit bestehenden Sanktionen gegen Pjöngjang. Indirekt jedoch verschärfen sie natürlich die Nahrungsmittelsituation: Verbotene Benzinlieferungen etwa führen dazu, dass Traktoren nicht mehr in der Landwirtschaft eingesetzt werden können. Und fehlende Devisen erschweren bitter benötigte Düngemittelimporte.
Umstrittene Sanktionen
Deshalb lehnen auch die meisten Menschenrechtsorganisationen, allen voran Amnesty International, die Sanktionen in ihrer jetzigen Form ab.
Hinzu kommt, dass die Sanktionen die ohnehin unterprivilegierte Landbevölkerung am stärksten trifft. Forscher der Stanford-Universität haben mithilfe von Satellitenbildern nachgewiesen, dass das Nordkoreas Regime in der Vergangenheit immer dann seine Energiezuteilungen am stärksten auf Pjöngjang konzentriert hat, als die Sanktionen am schärfsten waren. Sie haben also das regionale Gefälle weiter verstärkt.
Die Ernährungssicherheit in Nordkorea hatte sich dennoch in den letzten drei Jahren dank höherer Ernteerträge etwas entspannt. Dies wurde den Landwirtschaftsreformen von Machthaber Kim Jong Un zugeschrieben: Seitdem dürfen sich Landwirte zu kleinen Kollektiven zusammenschließen und bis zu 30 Prozent ihrer Ernteerträge auf dem freien Markt verkaufen.
„Chronische Ernährungsunsicherheit“
Laut einem aktuellen Bericht der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO sind jedoch noch immer ein Fünftel aller nordkoreanischen Kinder aufgrund von Mangelernährung in ihrem Wachstum beeinträchtigt. Von “chronischer Ernährungsunsicherheit“ seien gar über 40 Prozent der Bevölkerung betroffen. Doch hat auch die Ungleichheit im Land zugenommen.
Dass Kim Jong Un nun also die Essensrationen für die Bevölkerung hat halbieren lassen, klingt drastisch. Doch seit den letzten Jahren leben ohnehin immer mehr Nordkoreanerunabhängig vom staatlichen Versorgungssystem.
Das brach nämlich nach dem Kollaps der Sowjetunion, dem wichtigsten Öllieferanten und Handelsparter, vollständig zusammen. Die Folge war eine extrem Hungersnot in den 1990er Jahrehn – ein kollektives Trauma, das zu hunderttausenden Toten geführt und die Gesellschaftsordnung bis heute nachhaltig verändert hat.
Die Nordkoreaner mussten damals praktisch über Nacht selbst für ihr Überleben sorgen – auf den Schwarzmärkten, die sich damals massenhaft im Land herausbildeten.
Besonders linientreuen Parteimitgleidern, die weiterhin gewissenhaft ihrer Arbeit sowie den unzähligen Ideologie-Sitzungen nachgingen, traf der Hungerstod als erste. Wer jedoch stattdessen kapitalistisches Gespür entwickelte, konnte sich den neuen Gegebenheiten anpassen.
Sozio-ökonomischer Wandel
Eine neue Händlerkaste bildete sich, die zu einem Großteil aus jenen „politisch unliebsamen“ Familien stammen, die vor den Hungersnöten am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchie lebten.
Am kommenden Mittwoch nun trifft sich Trump erneut mit Kim zu Gesprächen. Der US-Präsident hat kürzlich erneut betont, dass er das Regime in Pjöngjang mit Wirtschaftshilfen für die Aufgabe des Atomprogramms belohnen wolle.
Zugleich schraubte er jedoch die Erwartungshaltung an den Gipfel herunter: Man habe bei der Lösung Nuklearfrage keine Eile.
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