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Squatting Days in HamburgHausbesetzer machen Wirbel

1.500 demonstrieren in Hamburg für die Legalisierung von Hausbesetzungen. Es kommt zu Festnahmen.

Demo gegen eine profitorientierte Stadtentwicklung. Bild: dpa

HAMBURG taz | Im Rahmen „Squatting Days“ haben am Samstag – einen Tag vor Ende des Hausbesetzer-Kongresses – rund 1.500 Menschen in St. Pauli und im Schanzenviertel „gegen die kapitalistische Verwertung innerstädtischer Räume“ und für das Recht auf Hausbesetzung demonstriert. „Ups’ schon drin – das ist ja einfach“, stand am Lautsprecherwagen. Ähnlich schlicht das Motto: „Selber handeln – gegen eine profitorientierte Stadtentwicklung“.

Im Anschluss an den – laut Polizei friedlichen – Protest bildete sich jedoch am Abend eine weitere Spontandemo auf St. Pauli. Während des Marsches wurden Böller und Nebeltöpfe gezündet. Die rund 500 Menschen errichteten Müll-Barrikaden, bevor sie sich wieder zerstreuten. Die Polizei kesselte später mutmaßliche Beteiligte ein. 25 Menschen wurden in Gewahrsam genommen.

Die Demonstration der 1.500 Hausbesetzer-Aktivisten am Mittag war vom Park-Fiction-Gelände zur Roten Flora und zum symbolischen Refugee Welcome Center im Karoviertel gezogen – entlang der ehemals besetzten Hafenstraßen-Häuser und der abgerissenen Esso-Häuser.

Am Vorabend hatten die Beginner mit Jan Delay vor der Roten Flora ein Gratiskonzert zum 25. Jahrestag der Besetzung des Zentrums gegeben. Mit Beamer und Lautsprecher wurde es auf die Piazza übertragen. An die 7.000 Besucher hörten zu.

Squatting Day

An den Squatting Days haben seit Mittwoch mehrere hundert Aktivisten teilgenommen.

Mehrere Aktionen fanden neben den bildungspolitischen Workshops im Camp im August-Lütjens-Park auch außerhalb statt.

Ein neuer Bauwagenplatz in der Schützenstraße ist vorübergehend besetzt worden, parallel demonstrierten Aktivisten in der Finanzbehörde gegen Miet- und Profitzwang sozialer Projekte. Zudem wurden die vom Abriss bedrohten Häuser Breite Straße 114-116 besetzt.

Die CDU wettert auf ihrer Facebook-Seite dagegen, dass die SPD in Altona den Hausbesetzer-Kongress zugelassen hat. "Hamburg darf nicht zur Event-Stadt für Krawall Touristen werden."

Querstraßen abgeriegelt

Den ganzen Samstag über zeigte die Polizei Stärke. Unterstützt von Einheiten aus Schleswig-Holstein und Bremen riegelte sie in den engen Stadtvierteln Querstraßen und Zugänge zu Hinterhöfen ab, um einen Häuserkampf zu verhindern. An neuralgischen Punkten postierte sie Wasserwerfer und Räumpanzer, an denen die Protestler mit Sprechchören „Miete verweigern – Kündigung ins Klo – Häuser besetzen sowieso“ und „Ihr reißt die Häuser nieder – und wir sind die Chaoten“ vorbeizogen. Es gab auch konkrete Parolen mit Bezug auf eine Hausbesetzung in der Nacht zu Donnerstag. „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen“, wurde gerufen.

Bei einer Hausbesetzung in der Breiten Straße waren fünf Menschen verhaftet worden. Gegen zwei von ihnen hat am Freitag eine Richterin wegen versuchten Totschlags U-Haft angeordnet. Sie sollen bei der Erstürmung des Hauses durch die Polizei ein Waschbecken und einen Feuerlöscher aus dem Fenster geworfen haben.

Die Anwälte der Festgenommenen legten sofort Haftbeschwerde ein. „Aus Sicht der Verteidigung ermöglichen die vorgelegte Akte und vorgespieltes Videomaterial keine Identifizierung der Mandanten als Täter“, sagt Anwältin Britta Eder. „Darüber hinaus stellt sich juristisch die Frage, inwieweit das Werfen der Gegenstände aus dem Haus überhaupt den Tatbestand eines versuchten Totschlages erfüllen kann.“

Deshalb ist es Samstagabend zusätzlich zu einer Spontan-Demonstration vor dem Untersuchungsgefängnis gekommen, wobei abermals 25 Menschen in Gewahrsam genommen wurden. Danach bildeten sich kleine Gruppen, die durch die Straßen zogen und vom Polizeihubschrauber verfolgt wurden.

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1 Kommentar

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  • Wenn es der regierenden SPD in Hamburg wirklich um "bezahlbaren Wohnraum für alle" ginge, dann hätte sie ja zumindest schon mal Maßnahmen gegen den Leerstand von Wohnungen und den Verfall von Bauten zu Spekulationszwecken auf die Tagesordnung setzen können. Ich hab davon bisher noch nichts gehört. Eigentlich sollte die SPD die Hausbesetzer nun mit offenen Armen empfangen und sich freuen, dass die ihnen die Arbeit abnehmen, mit der sie selbst so hoffnungslos überfordert sind. Ausser dem üblichen hysterischen Polizeipfusch kommt da aber wieder mal nix.