Sprengsatzfund in Halle: Nur Zufall verhindert neuen Terror
Als die Polizei in Sachsen-Anhalt eine Wohnung durchsucht, stolpert sie über einen Sprengsatz. Ein Mann plante offenbar einen rassistischen Anschlag.
Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher der Grünen in Sachsen-Anhalt, sieht noch Klärungsbedarf. Seine Fraktion hat bei der Landesregierung einen Bericht beantragt. „Hatten die Behörden den Täter schon vorher auf dem Schirm? Das ist eine der Fragen, die wir als Grüne dem Innenministerium stellen wollen.“
Bekannt ist bereits: Der 36-jährige Hallenser, bei dem die Bombe gefunden wurde, hatte selbst auf sich aufmerksam gemacht. Am vergangenen Samstag rief er rassistische Parolen aus dem Fenster und trug dabei eine vermeintliche Waffe bei sich, so berichtet es die Staatsanwaltschaft Halle. Die Polizei habe ihn daraufhin festgenommen und seine Wohnung durchsucht.
Die vermeintliche Waffe stellte sich zwar als Spielzeuggewehr heraus. Doch die Beamten fanden rassistische Schriftstücke und Abbildungen – sowie den „unkonventionellen“, aber funktionsfähigen Sprengsatz, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
„Rechter Terror ist real“
Die Ermittlungen dauern derzeit an. Darum möchte sich die Staatsanwaltschaft Halle nicht zu den Details äußern und ließ auch unkommentiert, ob sich der Sprengsatz in einem Aluminiumkoffer befand, wie die regionale Mitteldeutsche Zeitung berichtet. Aber die Staatsanwaltschaft macht deutlich: „Wir gehen davon aus, dass er andere aus rassistischen und rechtsextremen Gründen töten wollte.“
Der Täter war der Polizei bekannt und vorbestraft, allerdings nicht wegen politischer Delikte. Auf taz-Anfrage beim Landesinnenministerium hieß es lediglich, man müsse die Informationen erst selbst in Erfahrung bringen.
Die Linkenpolitikerin Henriette Quade findet: „Man muss froh sein, dass es zum Polizeieinsatz gekommen ist, bei dem der Sprengsatz gefunden wurde.“ Der Fall zeige noch einmal deutlich: „Die Gefahr des rechten Terrors ist real und alltäglich.“ Rassismus sei ein zunehmendes Problem.
Das belegt auch die am Mittwoch veröffentlichte Polizeistatistik zu politisch motivierter Kriminalität in Sachsen-Anhalt. Rechte Straftaten erreichten demnach 2023 einen neuen Höchststand. Von den insgesamt 3.019 erfassten Fällen ordnet die Polizei 2.036 als rechts ein. Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) erklärte dazu: „Die stetige Zunahme von rechtsmotivierten Straftaten ist sehr ernst zu nehmen.“
Von einer zunehmenden „Gefahr für Menschen, die von Rassisten und Antisemiten als Feindbilder deklariert werden“, berichtet auch Antje Arndt, Projektleiterin der „Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt“ in Sachsen-Anhalt. Die Beratung veröffentlicht am Donnerstag ihre Jahresbilanz zu rechter Gewalt – und die deuteten ebenfalls darauf hin. Arndt stört allerdings teilweise die Berichterstattung über den aktuellen Fall.
2019: Terroranschlag auf Synagoge in Halle
Der MDR schrieb etwa von Problemen mit „Afrikanern“, die in der Nachbarschaft des Täters leben. „Dass Medien jetzt einen Zusammenhang suchen mit vermeintlicher Kriminalität von Migranten als Ursache, ist nicht nur realitätsfremd, sondern auch gefährlich.“
Doch insgesamt halte sich die Medienaufmerksamkeit in Grenzen, findet zumindest dem Grünenpolitiker Striegel. „Dafür, dass in Halle erneut ein rechtsextremer und rassistischer Terroranschlag geplant war und diese Pläne nur zufällig aufgedeckt wurden, ist es bisher gesellschaftlich viel zu ruhig.“
Am 9. Oktober 2019 hatte ein bewaffneter 27-Jähriger erfolglos versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen. Dort wollte er jüdische Menschen ermorden. Nachdem er nicht durch die Tür gekommen war, erschoss er zwei Passant:innen und verletzte auf seiner Flucht weitere schwer.
Henriette Quade hofft, dass Behörden beim aktuellen Täter genau hinschauen, die Onlinevernetzung prüfen und darauf achten, ob die gefundenen Schriften auf Organisationen oder Partner deuten. „Wie schon beim Anschlag vom 9. Oktober, sehen wir auch hier: rechter Terror braucht keine organisierten Strukturen im Sinne der 90er.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!