Sprechrollen in Hollywoodfilmen: Heteronormativer Popcornmüll
Erfolgsfilme vernachlässigen besonders LGBT-Menschen und Behinderte. Kein Wunder in unserer menschenverachtenden Gesellschaft.
Brüste, schnelle Autos, Explosionen und Knarren – Hollywood hantiert gern mit Altbewährtem. Unvorstellbar, würde man bei der popcornverklebten Kinositz-Kuschelei auch noch mit der Ausgrenzung von Transpersonen konfrontiert.
Dass die Benachteiligung von Minderheiten sich auf dem Kinobildschirm kaum verändert hat, belegt eine neue Studie der University of Southern California (USC). Dafür untersuchte die Fakultät für Kommunikationswissenschaften und Journalismus die 100 Filme mit dem höchsten US-Einspielergebnis im Jahr 2015. Neben Frauen und ethnischen Minderheiten blickte die Studie auch auf LGBT-Menschen und Behinderte.
Bei 4.370 Charaktere mit Sprechrollen lag der LGBT-Anteil bei 0,3 Prozent, also 32 Personen. Von ihnen waren 19 schwule Männer, sieben Lesben, fünf Bisexuelle (davon drei Männer) und eine Transperson. Immerhin: Vergangenes Jahr waren es noch 19 Personen gewesen. Vergleichbar prekär ist die Lage bei Behinderten: Sie waren in 2,4 Prozent der Filme dabei, obwohl sie 19 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen.
Nicht nur dass, sondern auch wie Menschen in Filmen repräsentiert werden, spielt eine Rolle. Etwa ein Drittel aller Frauen sei laut Studie in den Filmen in „sexy Kleidung“ oder „teilweise nackt“ dargestellt gewesen – mehr als drei Mal so oft wie ihre männlichen Kollegen. Auch werden immer noch 73,7 Prozent der Sprechrollen von weißen besetzt. Satirist John Oliver machte darauf in einem Video vor den diesjährigen Oscars aufmerksam, als er sagte, Hollywood-Casts seien „weißer als ein Yeti in einem Schneesturm, der mit Tilda Swinton kämpft“.
So bedauernswert die Ergebnisse der USC-Studie, so wenig überraschend sind sie. In westlichen Gesellschaften, denen Menschenverachtendes wie „Bauer sucht Frau“ entwächst – und in denen sich daran aus purem Voyeurismus den „Unnormalen“ und „Hässlichen“ gegenüber gelabt wird –, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich niemand für Diversität im Filmgesellschaft interessiert. Zu komplex sind die Belange von Minderheiten, als dass sie in der Flut von heteronormativem Popcornmüll einen Platz fänden.
Darüber hinaus wird der Erfolg von Filmen noch immer häufig am Einspielergebnis gemessen. Das ist im bis in die letzte Schale Nachos mit Salsasoße durchökonomisierten Kulturbetrieb ebenfalls kaum verwunderlich. Doch was erfolgreich ist, liegt im Auge der BetrachterInnen. Warum nicht Filme an anderen Kriterien messen? Auch dafür müsste man zu lange nachdenken. Brüste, Explosionen und Co. haben bisher ja ganz gut funktioniert.
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