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Sportlicher KoalitionsvertragGoldene Träume von Olympia

In der neuen Bundesregierung soll der Sport Chefsache werden. Eine grauenhafte Vorstellung. Denn davon versteht der künftige Chef nachweislich wenig.

Wenn sich der Chef unter das Volk mischt: Friedrich Merz mit BVB-Schal und Hendrik Wüst bei Borussia Dortmund Foto: imago

D eutschland bekommt also einen Sportminister – oder eine Sportministerin. Im Kanzleramt soll ein Staatsministerium eingerichtet werden. So sieht es der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vor. Der Sport werde zur Chefsache, wurde landauf, landab getitelt. Chefsache? Das wäre erst mal keine gute Nachricht. Denn der Chef, Friedrich Merz, hat im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er von den Vorgängen im deutschen Sport keine Ahnung hat. Die Bundesjugendspiele sollten wieder eingeführt werden, krakelte er, es solle wieder Siegerurkunden geben.

Es hatte zwar eine Reform der Bundesjugendspiele gegeben, abschaffen wollte den Schülerinnenwettbewerb aber niemand. Und auch Siegerurkunden gibt es immer noch. Egal! Für donnernden Applaus unter seinen Fans reichte es allemal.

Es kann einem also nur grausen, wenn der Sport zur Sache eines Chefs wird, der sich für die Forderung, dass man die Jugend nicht mehr in Watte packen solle, feiern lässt. Dass im Koalitionsvertrag nun steht, dass „Bundesjugendspiele wichtige Institutionen sind, um Kinder und Jugendliche für den Leistungssport zu begeistern und an den Wettbewerbsgedanken heranzuführen“ ist in politische Bündnissprache gegossene Stammtischhetze gegen die faule Jugend von heute.

Es kann schon sein, dass am Ende alles nicht so schlimm kommt, wie es Merz’ schwarz­päda­go­gische Einlassungen aus dem Wahlkampf andeuten. Im Koalitionsvertrag stehen schließlich auch ein paar nette Worte über Mutterschutz für Profisportlerinnen, die Stärkung der Sichtbarkeit von Frauensport und die Inklusion von benachteiligten Bevölkerungsgruppen.

Wo bleibt die Idee?

Und doch wird aus dem Papier klar, dass der Sport von oben gedacht wird. Medaillen sollen her, und die Olympischen Spiele sollen nach Deutschland geholt werden. Die Spitzensportler werden weiter haufenweise in Uniformen von Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll gesteckt und dafür bezahlt, um mit Staatsinsignien auf den Klamotten Nationalmarketing zu betreiben. Eine Idee, wie das mit dem Medaillensammeln und dem Zuschlag für die Ausrichtung von Olympischen Spielen klappen könnte, sucht man vergeblich im Koalitionsvertrag.

Da ist man angewiesen auf die Expertise des Deutschen Olympischen Sportbunds. Der hat am Tag, als der Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde, beschlossen, erst 2026 zu entscheiden, mit welchem Konzept und welcher Stadt oder Region er sich für die Spiele bewerben möchte. Die Koalitionäre haben in ihren Vertrag geschrieben, die Spiele sollen „insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Wettkampfstätten zu einem Fest für ganz Deutschland“ werden, was nun auch keinen Hinweis liefert. Das ist gewiss kein Wunder. Ausgehandelt haben den Vertrag ja auch Repräsentanten der vier möglichen Bewerberregionen Rhein-Ruhr, Hamburg, Berlin und München.

Ob Deutschland so zu einer goldmedaillenglänzenden Sportnation werden kann? Vielleicht bräuchte es eher einen Ansatz, der den Sport von unter her denkt. In den Entwürfen des Koalitionsvertrags war noch die Rede davon, dass jedes Jahr 1 Milliarde Euro in den Bau und die Sanierung von Sportstätten investiert werden sollen. Jetzt ist von insgesamt 1 Mil­liar­de die Rede. So viel schießt der Bund in etwa schon jetzt zu. In dieser Hinsicht ist der Koalitionsvertrag eine herbe Enttäuschung für den Sport.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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15 Kommentare

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  • Die Entscheidung, welche sportliche Betätigung die Akteure gerne ausüben möchten, sollte schon in einem freiem Land - individuell getroffen werden dürfen. Es geht hier um den eigenen Körper - etwas wertvolleres besitzt der Mensch nicht. Eigentlich Aufgabe des Elternhauses, hier ihren Nachwuchs an verschiedene Sportarten heranzuführen / Intresse zu wecken.



    Sport unter dem reinem Aspekt von Leistung, Wettbewerb, Wettkampf vom Staat zu fordern, halte ich zumindest zu hinterfragen. Oder sollen hier kleine Sportschützen ausgebildet werden 😉

  • Ich find schon mal ganz gut, dass der Artikel die aufgeweichten Kernpunkte nennt, denn die Jugend soll man nicht enttäuschen, weil sonst aus der Familie nichts wird. In einem anderen Kommentar steht was von Flugsport : Optimisten glauben an den Kunstflugschein, Pessimisten an die Rolle rückwärts, Opportunisten an die gerissene Rolle.



    de.wikipedia.org/wiki/Gerissene_Rolle

  • Wahrscheinlich hält Merz auch das Herumfliegen im Privatjet für Sport. Daraus leitet er wohl auch seine weiteren sportpolitischen Ambitionen ab. Dazu zählen dann sicherlich das rechtzeitige Ellenbogen ausfahren wo immer nötig, den Faulpelzen gezielt in den Arsch treten, sowie, als Entgegekommen gegenüber Söder, das Fingerhakeln an bayrischen Stammtischen.

  • Anstatt mehr für eine sozialgerechte Umverteilung in der Sportwelt zu sorgen, wird sie mehr und mehr zu einem elitaristischen Projekt.

    • @Ice-T:

      Sport ist als Wettkampf- und Leistunsport betrieben per se ein eilitäres Projekt (PUNKT)

  • Butter bei die Fische, ich will die Siegerurkunde von Merz sehen!

    • @Axel Schäfer:

      Schonn. Aber wie er ja per Interview unlängst zu seiner Jugend nochmals klarstellte -



      Sport? Gewiß / Sport in Letzter ☝🏿- 🙀🥳😤 -



      Brilon 🌳📯🦌🌳🌲🌳🦌🧐🌲🌲🌲🌲 -



      Beschränkte sich doch auf Moped tunen!Woll



      Und mit langer Matte & Unter💪zug - um Zug -



      Pilsken🍺🍺🍺🍺🍺🍺Training am langen💪



      Woll



      &



      das - & - fein - wird in Rüthen bis zum Abi nicht anders gewesen sein. Na toll.



      &



      Sabbeln & immer das letzte Wort …



      Voll im Hohlmaß & so machem ein Tort •



      & btw



      Ja!Selbst beim wenigstens nen müden Hering!



      Vom Teller ziehn - vermißten wir ihn!



      & Buckeln & nach unten treten -



      “Hobbys des CDU-Chefs



      Merz wandelt sich vom Easy Rider zum E-Biker



      Friedrich Merz machte einst Schlagzeilen mit vermeintlich wilden Motorradtouren. Jetzt begnügt sich der Hobbypilot bisweilen mit dem Fahrrad. Nicht ohne sich selbst auf die Schulter zu klopfen (Natürlich gilt für ihn auch hier das Leistungsprinzip:): »Ich bin, glaube ich, ein ganz guter Mountainbikefahrer.«



      www.spiegel.de/pol...-912f-23480cb670bd



      “… »Meistens in den deutschen Alpen, aber auch im Hochsauerlandkreis – da bin ich allerdings häufiger mit dem Rennrad

      • @Lowandorder:

        Sorry - I forgot - das geistige Training con Bürgerschreck



        Und mit langer Matte & Unter💪zug - um Zug -

        Pilsken🍺🍺🍺🍺🍺Training am langen💪

        Woll, fand statt am Büdchen🍺🍕🍦



        Anne Eck - 🙀🥳🧐 -

        kurz - 👍🏻 Unser Kandidat war malson Richtiger Anti-Freddy-Quinn-Typ! 🤣Woll - 🎶“Wir“ 🎶 - Remember?!



        de.wikipedia.org/wiki/Wir_(Lied)



        Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? WIR!



        Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? WIR!



        Ihr lungert herum in Parks und in Gassen,



        Wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? WIR! WIR! WIR!



        Wer hat den Mut, für euch sich zu schämen? WIR!



        Wer läßt sich unsere Zukunft nicht nehmen? WIR!



        Wer sieht euch alte Kirchen beschmieren,



        Und muß vor euch jede Achtung verlieren? WIR! WIR! WIR!



        Denn jemand muß da sein, der nicht nur vernichtet,



        Der uns unseren Glauben erhält,



        Der lernt, der sich bildet, sein Pensum verrichtet,



        Zum Aufbau der morgigen Welt.



        Die Welt von Morgen sind bereits heute WIR!



        Wer bleibt nichtewig die lautstarke Meute? WIR!



        Wer sagt sogar, daß Arbeit nur schändet,



        So gelangweilt, so maßlos geblendet? IHR! IHR! IHR!



        Wer will nochmal mit euch offen sprechen? WIR! …

        Na bitte - Geht doch! Woll



        Vom Saulus zum Paulus! WIR •

  • Wahrscheinlich hält Merz auch das Herumfliegen im Privatjet für Sport. Und daraus leitet er wohl auch seine weiteren sportpolitischen Ambitionen ab. Dazu zählen dann sicherlich das rechtzeitige Ellenbogen ausfahren, wo immer nötig, den Faulpelzen gezielt in den Arsch treten, sowie, als Entgegekommen gegenüber Söder, das Fingerhakeln an bayrischen Stammtischen.

  • Die Deutschen brauchen keine Olympischen Spiele.

    Sie brauchen Geld für den Erhalt existierender Sportstätten und Schwimmhallen, für Schulen und Allgemeinheit.



    Sie brauchen Geld, um die Vereine in den Dörfern am Leben zu halten, eine höhere Übungsleiterpauschale.

    Deutschland braucht keine Medaillen, sondern mehr Bewegung.

    • @Octarine:

      Wir brauchen keine olympischen Dörfer, sondern sozialen Wohnungsbau in ganz Deutschland.

      Wo sind den Anmeldungen für den Biathlonsport, Rodeln und Rudern?



      Das sind keine Massensportarten, das löst unser Problem der fehlenden Bewegung nicht.

      Es geht nicht um die Wenigen, es geht nicht um Medaillen, nicht um Werbeverträge, es geht um die Gesundheit und die Freude an der Bewegung, das Miteinander.

      Wir brauchen Plätze und Grünflächen auf denen Sport möglich ist, für alle, auch wenn das schwer zu verstehen ist.



      Wir brauchen Möglichkeiten für die Menschen, denen der Zugang zu organisiertem Sport, eben nicht offen steht, auch aus finanziellen Gründen.

    • @Octarine:

      Das IOC ist mittlerweile entspannt, was Sportstätten angeht. Die wollen keine neugebauten Paläste mehr sehen. Und ein olympisches Dorf würde bei der Wohnungsnot auch nicht schaden.

    • @Octarine:

      Mehr Medaillen führen zu mehr Bewegung. Als Boris Becker Wimbledon gewann konnten sich die Tennisvereine vor Anmeldungen nicht mehr retten. Erfolg in einzelnen Sportarten macht diese eben sexy. Es gibt nämlich tatsächlich Kinder und Jugendliche, die Sportler bewundern die sich im Wettbewerb durchsetzen.

      • @Goodfella:

        Sach mal so - einen wie Bumm Bumm Becker brauchte ich nicht - die Familie reichte - mit 4 DMs 🚣 mit 20 unter den schnellsten der Welt - mit gut is abzutreten. But.



        So derart kritiklos das Leistungssportsystem auf Bewegung sich durchsetzen & Bewunderung - einzudampfen! Gelle



        Zeugt von tiefer Ahnungslosigkeit auf - sorry - Stammtischniveau •



        Der Kandidat hat da vllt noch n Pöstchen zu vergeben! Wollnich

  • Sport als Chefsache und hohes Fest der Leistungsgesellschaft? Lächerlich, dass die traurige Wirklichkeit in den Medien nicht längst Vorrang hat.

    Hinter dem wohlfeilen Gerede von Freiheit und Wohlstand steckt ein berechnender Sozialdarwinismus. Wer oder was auch immer bei dem systemimmanenten Streben nach Profit und Wachstum hinderlich ist, wird als verzichtbarer Kostenfaktor herabgestuft. So bleiben Ungleichheit und Armut, Umweltverschmutzung und unfaire Hhandelsbeziehungen erhalten.

    Wirtschaftswunderland und Exportweltmeister Deutschland, an dessen Werten die Welt genesen soll, hat übersehen, dass alle die schöne in besseren Zeiten hingeklotzte Infrastruktur auch teuer unterhalten und irgendwann auch ersetzt werden muss.

    Und, ach, der großmächtige Habitus im Windschatten der Supermacht USA muss nun auch noch irgendwie unterfüttert werden, mit sportlichen AKA deutschen Tugenden: Leistungswille, Opferbereitschaft, Schwerstarbeit und ganz viel Härte.