Sportlicher Koalitionsvertrag: Goldene Träume von Olympia
In der neuen Bundesregierung soll der Sport Chefsache werden. Eine grauenhafte Vorstellung. Denn davon versteht der künftige Chef nachweislich wenig.

D eutschland bekommt also einen Sportminister – oder eine Sportministerin. Im Kanzleramt soll ein Staatsministerium eingerichtet werden. So sieht es der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vor. Der Sport werde zur Chefsache, wurde landauf, landab getitelt. Chefsache? Das wäre erst mal keine gute Nachricht. Denn der Chef, Friedrich Merz, hat im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er von den Vorgängen im deutschen Sport keine Ahnung hat. Die Bundesjugendspiele sollten wieder eingeführt werden, krakelte er, es solle wieder Siegerurkunden geben.
Es hatte zwar eine Reform der Bundesjugendspiele gegeben, abschaffen wollte den Schülerinnenwettbewerb aber niemand. Und auch Siegerurkunden gibt es immer noch. Egal! Für donnernden Applaus unter seinen Fans reichte es allemal.
Es kann einem also nur grausen, wenn der Sport zur Sache eines Chefs wird, der sich für die Forderung, dass man die Jugend nicht mehr in Watte packen solle, feiern lässt. Dass im Koalitionsvertrag nun steht, dass „Bundesjugendspiele wichtige Institutionen sind, um Kinder und Jugendliche für den Leistungssport zu begeistern und an den Wettbewerbsgedanken heranzuführen“ ist in politische Bündnissprache gegossene Stammtischhetze gegen die faule Jugend von heute.
Es kann schon sein, dass am Ende alles nicht so schlimm kommt, wie es Merz’ schwarzpädagogische Einlassungen aus dem Wahlkampf andeuten. Im Koalitionsvertrag stehen schließlich auch ein paar nette Worte über Mutterschutz für Profisportlerinnen, die Stärkung der Sichtbarkeit von Frauensport und die Inklusion von benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Wo bleibt die Idee?
Und doch wird aus dem Papier klar, dass der Sport von oben gedacht wird. Medaillen sollen her, und die Olympischen Spiele sollen nach Deutschland geholt werden. Die Spitzensportler werden weiter haufenweise in Uniformen von Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll gesteckt und dafür bezahlt, um mit Staatsinsignien auf den Klamotten Nationalmarketing zu betreiben. Eine Idee, wie das mit dem Medaillensammeln und dem Zuschlag für die Ausrichtung von Olympischen Spielen klappen könnte, sucht man vergeblich im Koalitionsvertrag.
Da ist man angewiesen auf die Expertise des Deutschen Olympischen Sportbunds. Der hat am Tag, als der Koalitionsvertrag veröffentlicht wurde, beschlossen, erst 2026 zu entscheiden, mit welchem Konzept und welcher Stadt oder Region er sich für die Spiele bewerben möchte. Die Koalitionäre haben in ihren Vertrag geschrieben, die Spiele sollen „insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Wettkampfstätten zu einem Fest für ganz Deutschland“ werden, was nun auch keinen Hinweis liefert. Das ist gewiss kein Wunder. Ausgehandelt haben den Vertrag ja auch Repräsentanten der vier möglichen Bewerberregionen Rhein-Ruhr, Hamburg, Berlin und München.
Ob Deutschland so zu einer goldmedaillenglänzenden Sportnation werden kann? Vielleicht bräuchte es eher einen Ansatz, der den Sport von unter her denkt. In den Entwürfen des Koalitionsvertrags war noch die Rede davon, dass jedes Jahr 1 Milliarde Euro in den Bau und die Sanierung von Sportstätten investiert werden sollen. Jetzt ist von insgesamt 1 Milliarde die Rede. So viel schießt der Bund in etwa schon jetzt zu. In dieser Hinsicht ist der Koalitionsvertrag eine herbe Enttäuschung für den Sport.
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