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Sport in Zeiten des Nahost-KriegsDie unheimliche Reise eines Basketballklubs

Ein irrwitziges Polizeiaufgebot sichert das Euroleague-Spiel von Maccabi Tel Aviv in Berlin. Das Team befindet sich im andauernden Ausnahmezustand.

Ausgelassene Stimmung: Maccabis Jake Cohen feiert mit Fans in Berlin Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin taz | Am Ende zweier langer Tage wandte sich Florian Naht, Sprecher der Berliner Polizei, über die Social-Media-Plattform X an die Öffentlichkeit. Er hatte eine gute Nachricht. „Das Einsatzkonzept ist aufgegangen“, sagte er und bedankte sich bei den angereisten Beamten aus Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt für die Unterstützung.

1.500 Polizeibeamte hatten dafür gesorgt, dass es vor, während und nach dem Basketballspiel in der Euroleague zwischen Alba Berlin und Maccabi Tel Aviv keine besonderen Vorkommnisse gab. Solche waren befürchtet worden, nachdem es Anfang November nach einem Europapokalspiel des Fußballteams von Maccabi Tel Aviv in Amsterdam zu organisierten Attacken von Palästina-Aktivisten auf Fans des israelischen Klubs gekommen war.

Er liebe es hier zu sein, meinte Maccabi-Trainer Oded Kattash nach der Partie, es sei immer toll in Berlin. Er war nach den Sicherheitsvorkehrungen gefragt worden und wie es sich anfühlt, wenn vor der Kabine Polizeibeamte mit Hunden Wache schieben. „So etwas ist nie schön“, sagt er. „Aber das gehört zu den Schwierigkeiten, mit denen wir immer zu kämpfen haben.“ Es sei eben nie einfach für seinen Klub, meinte er und spielte auf die besonderen Bedingungen an, unter denen Maccabi Tel Aviv seit dem mörderischen Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 zu kämpfen hat.

Dass am Spieltag unzählige Mannschaftswagen mit Blaulicht um die Arena am Ostbahnhof standen, dass der Bereich um die Halle ebenso wie der um das Hotel, in dem Maccabi abgestiegen ist, mit Absperrgittern weiträumig abgeriegelt war, dass das Team im Mannschaftsbus von Alba von einer Polizeieskorte zum Spiel begleitet werden musste, ist nun also eine weitere Episode auf dem verrückten Weg der Mannschaft aus Israel durch die Euroleague.

Seltener Erfolg

Immerhin konnte Maccabi mal wieder gewinnen. Und wie! Beim 103:85-Erfolg war das Team von Trainer Kattash von der ersten Sekunde an hellwach. „Unsere Systeme haben endlich mal funktioniert“, stellte Jaylen Hoard, der französische Power Forward, der 18 Punkte zum Erfolg seines Teams beigetragen hatte, fest. Man habe am Mittwoch endlich mal zusammen trainieren können, sagte er. Maccabi war schon am Tag vor dem Spiel nach Berlin gekommen, um in der Trainingshalle von Alba Berlin eine Übungseinheit abzuhalten. Dass das Team zwei Tage an einem Ort zusammen arbeiten kann, passiert nicht allzu oft. Auch das gehört zu den Schwierigkeiten, auf die Trainer Kattash angespielt hat.

Weil die Sicherheitslage seit dem Überfall der Hamas und den darauf folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen seit Oktober vergangenen Jahres dauerhaft angespannt ist, finden keine internationalen Spiele mehr in Israel statt. Maccabi trägt seine Heimspiele in Belgrad aus. Und wenn die Lage besonders bedrohlich ist, weil etwa der Iran ein groß angelegtes Bombardement startet, dann bleiben die meisten ausländischen Profis von Maccabi nach einem Euroleague-Spiel auch mal in Belgrad und reisen nicht zurück nach Israel, wo der Rest des Teams in der heimischen Liga um Punkte kämpft.

Das macht sich auch auf dem Parkett bemerkbar. Der Klub, der immer den Anspruch hatte, in der Euroleague ganz oben mitzuspielen und in der Vorsaison erst im Viertelfinale überaus knapp am späteren Euro­league-Champion Panathinaikos Athen gescheitert war, konnte in dieser Saison nur vier von zwölf Spielen gewinnen. Das liegt auch daran, dass der Mann, der als Schlüsselspieler für die Saison verpflichtet worden war, den Klub schnell wieder verlassen hat.

Jordan Loyd, der im Aufbau ebenso spielen kann wie auf dem Flügel, bat Anfang Oktober, kurz nachdem der Iran rund 200 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert hatte, um die Auflösung seines Vertrags. In einem ausführlichen Statement auf X meinte er unter anderem: „Eines der schwersten Dinge, die ich in meiner Karriere tun musste, ist es, den Ort zu verlassen, an dem mein Herz sein möchte.“ Maccabi blieb nichts anderes übrig, als Loyd ziehen zu lassen und ohne ihn durch den Kontinent zu reisen.

Wütende Fans in Athen

Diese Tour durch die Euroleague, die kurz nach dem 7. Oktober 2023 lange darüber diskutierte, ob Maccabi nicht vielleicht ganz aus dem Wettbewerb genommen werden sollte, sich aber dann doch zu einem Verbleib der Israelis durchrang, ist noch einmal schwieriger geworden seit den Vorfällen von Amsterdam Anfang des Monats. Vor der Partie in Bologna hatten die Sicherheitsbehörden Fans der Israelis vom Besuch des Spiels explizit abgeraten. Und beim Spiel gegen Panathinaikos Athen am 12. November wurden die Maccabi-Spieler von den griechischen Fans mit wütenden Pfiffen und einem riesigen Transparent mit der Aufschrift: „Stop Genozide –Freedom to Palestine“ empfangen.

Der griechische Spitzenklub hatte sich nach dem ersten Viertelfinalspiel gegen Maccabi im April 2023 mit einem Statement über die Schiedsrichterleistung beschwert und dabei unterstellt, dass die Referees aufgrund der Geschehnisse im Nahen Osten voreingenommen gewesen seien, und hochoffiziell eine Verschwörungserzählung formuliert: „Wir wollen nicht glauben, dass all die tragischen Vorkommnisse, die uns überall auf der Welt (in Russland, der Ukraine, in Palästina und Israel) so traurig machen, den Profibasketball beeinflussen können. Unglücklicherweise lassen die eklatanten Fehler keinen anderen Schluss zu. Der Sport sollte nie dazu benutzt werden, Wunden zu heilen oder Probleme zu lösen, unter denen die Menschen zu leiden haben – und es ist geboten, dass sich der Basketball davon frei macht.“

Diese Unterstellung mag dazu beigetragen haben, die Fans von Panathinaikos vor dem jüngsten Spiel in antiisraelische Stimmung zu versetzen.

Im Vergleich dazu muss der Tross von Maccabi die Atmosphäre in Berlin als überaus friedvoll wahrgenommen haben. Eine Handvoll Provokateure, die ihre Kuffiyas, die sogenannten Palästinensertücher, hochhielten oder mal „Free Palestine!“ in Richtung der über 450 Maccabi-Fans riefen, wurden unter Applaus des Berliner Publikums von Sicherheitskräften der Halle verwiesen.

Ein paar potenzielle Störer hatte die Polizei nach eigenen Angaben schon vor der Halle aussortiert und die notorischen Israelhasser, die sich auf ihren Social-Media-Kanälen über die Gefährderansprachen der Polizei lustig gemacht hatten, wurden in der Hochsicherheitszone um die Halle nicht gesehen. So entstand für die Zeit des Spiels in der Arena so etwas wie ein Safe Space für die Gäste aus Israel. Allzu oft erleben sie das nicht.

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10 Kommentare

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  • Die Sportler tun mir leid, die haben den ganzen Misthaufen aus Politik und Gewalt um sich herum nicht verdient. Warum manche Autoren aber noch immer nicht differenziert und kritisch auf die Fans von Maccabi schauen wollen ist mir nach all den Recherchen zu den Vorfällen in Amsterdam mehr als suspekt. Und dass die schon im April im Rahmen der Conference League in Piräus an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt waren, könnte ein Redakteur Sport auch wissen.

  • Ich nehme mit zunehmender Fassungslosigkeit wahr, dass die TAZ ebenfalls zunehmend ungeprüft mediale Unwahrheiten an ihre Leser weiterreicht. Die beiden Journalistinnen, welche die hauptsächlich gezeigte Footage für die Ereignisse in Amsterdam geliefert hatten, haben sich beide von der, von ihrem gelieferten Kontext, abweichenden Berichterstattung distanziert. Es waren tatsächlich die Maccabi Fans die randaliert hatten und wahllos holländische Passanten angegriffen haben. Sie haben bewusst provoziert und eine Palästinensische Flagge von einem Haus heruntergeholt und verbrannt. Die Maccabi Fans sind ein in großen Teilen rechtradikaler Haufen, der Netanjahu nahesteht und gerne auch mal auf israelische Demonstranten in Israel einprügelt, wenn es um Proteste gegen die Netanjahu Regierung geht. Dass Netanjahu medienwirksam zwei Flieger zur "Rettung" schickt, war ein genialer Schachzug und die intellektuellen Superwichtel auf europäischen Regierungsbänken sind prompt in das übliche Böse-Antisemiten-Lamento ausgebrochen. Chapeau Netanjahu! Du bist ein Verbrecher, aber Du hast sie alle im Sack und an den Glocken!

    • @Christine Kiefer:

      Alles richtig was du da schreibst, aber die organisierte Jagd auf israelische Fans sind ein ganz anderes Thema.



      Wären friedliebende Fans durch die Stadt gezogen und dabei Blumen verteilt, wäre die Jagd trotzdem organisiert worden.



      Man sollte das voneinander getrennt betrachten.

    • @Christine Kiefer:

      Am Vorabend haben sich Hooligans provokativ verhalten, wie das Hooligans überall auf der Welt tun. Das gehört strafrechtlich verfolgt und vermutlich hätten sich nur wenige daran gestört, wenn Hooligans sich mit anderen Hooligans körperlich auseinandergesetzt hätten.

      Wie am 07.10.23 aber auch, haben sich danach die (Pro-)Palästinenser und Israelkritiker erneut wehrlose Menschen für ihre Angriffe ausgesucht, Pässe kontrolliert um Israelis/Juden zu identifizieren usw.. Für mich macht das einen enormen Unterschied.

  • Hoffentlich singen die Fans nicht wieder rassistische Lieder und verfolgen Berliner auf der Straße. Ein zweites Amsterdam brauchen wir nicht.

  • "Free Palestine" ist also ein Grund aus der Halle geworfen zu werden.



    Dass eine angebliche Demokratie, diese lasche Äußerung nicht aushalten kann, ist schon bemerkenswert.

    Würde man bei "Free Ukraine" ebenfalls rausgeworfen? Oder ist das dann etwas anderes?

    • @TeeTS:

      Sie können Beides nicht vergleichen. So hat es nie eine so große, öffentliche Solidarität mit der Ukraine gegeben. Wo waren die täglichen Demos gegen Putin? Oder Assad der über 300.000 Zivilisten getötet hat? Gab es da täglich Demos mit Genozidvorwürfen? Nein, und warum nicht? Weil der Aggressor kein Jude ist?

      Aber Sie wollen Vergleiche ziehen, bitte. Dann vergleichen wir zunächst einmal das Gewaltpotential der Pro-Ukraine-Bewegung und der Pro-Palästina-Bewegung. Ich spare mir mal die Recherche. Sie können mich ja überraschen mit Ihren Quellen. Alleine daran sehen Sie, dass die Gefahrenlage für die Veranstaltung/Leib und Leben bei Pro-Palästina Anhängern eine ganz andere ist.



      Oft genug folgen auf "Free Palästine" ausschweifend antisemitische Exzesse. Um diesen zuvor zu kommen finde ich es richtig frühzeitig zu intervenieren.

  • So tun als ob nichts wäre geht halt nicht. An internationalen Sportwettbewerben teilnehmen, als ob das eigene Land nicht gerade in einem zumindest mitprovozierten und extrem grausamen Krieg verwickelt ist und in demselben schon zahlreiche Kriegsverbrechen begangen hat, das geht halt nicht. Das ist eigentlich sogar obszön, das Heile-Welt-Spielen.

    • @KommissarBlind:

      "Das ist eigentlich sogar obszön, das Heile-Welt-Spielen."

      Jüdische Menschen werden seit Jahrtausenden verfolgt, Israel seit seiner Gründung vor ca. 76 Jahren angefeindet und mit Angriffen überzogen. Ich habe den Eindruck, dass es für jüdische Menschen/Israel bisher noch keine echten "Friedenszeiten" gab, sie können ja nicht einmal in Berlin (dieser angeblich so offenen, toleranten, freien, progressiven Stadt) einfach über eine Straße laufen, eine Kneipe betreiben, sich angstfrei auf dem Campus bewegen usw.. Insofern dürften jüdische Menschen/Israel an keinen Wettbewerben/Wettkämpfen usw. teilnehmen, weil es für sie noch nie eine "Heile Welt" gab ... ich weiß gar nicht, ob jüdische/israelische Menschen "Heile Welt" überhaupt spielen könnten.

  • Dass in Deutschland jüdische Sportler derart geschützt werden müssen ist unerträglich und unfassbar!



    Und es ist kaum auszuhalten dass grad in Berlin so viele Judenhasser, Antisemiten und Terroristenversteher regelmäßig die Straßen unsicher machen.



    Wo bleibt die vielzitierte Zivilgesellschaft um sich vor und hinter die jüdischen Mitbürger und Gäste in der Stadt zu stellen?