Spielfilm „Weitermachen Sanssouci“: Kartoffelacker der Wissenschaft
Geld akquirieren statt forschen: Der Spielfilm „Weitermachen Sanssouci“ von Max Linz rechnet zynisch-liebevoll mit dem Unibetrieb ab.
Die Erde ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Eine schöne runde Kugel, möchte man meinen, bewohnen wir. Doch, so stellt Professor Berger (Sophie Rois) gleich zu Anfang von „Weitermachen Sanssouci“ des Regisseurs Max Linz klar: Unser Planet hat die Figur einer runzeligen Kartoffel. „Man könnte also sagen, die Erde sieht gar nicht aus wie die Erde. Sie ähnelt ihr nur.“
Übertragen auf das Setting des Films, der sich hauptsächlich in den Räumen der fiktiven Berliner Universität bewegt, würde die Äußerung lauten: Auch die Universität sieht gar nicht aus wie die Universität. Sie ähnelt ihr nur. Richtiger aber wäre: Die Universität sieht aus wie die Universität. Aber sie ist keine. Aber was ist diese Berliner Universität dann?
Für Professor Berger ist sie „ein ganz besonderer Kartoffelacker der Wissenschaften“, für Phoebe Phaidon (Sarah Ralfs) ist sie der Ort, an dem sie einen Lehrauftrag erhalten hat. „Ich mach die Einführung in Simulationsforschung“, lässt sie ihren Kollegen Julius Kelp (Philipp Hauß) wissen, der trotz seines überquellenden Lebenslaufs und über zwanzig wissenschaftlichen Veröffentlichungen noch nicht dort angekommen ist, wo er eigentlich gerne hinwill: in die Ehe.
Das zynische und harte, gelegentlich auch liebevoll formulierte Urteil über die jungen Wissenschaftler gibt Professor Berger als schwebende Instanz zum Besten, der man in entscheidenden Ecken dieser Universität auch schon mal eine VR-Brille in der Hand haltend begegnen kann, die gezückt ist wie ein Revolver oder wie ein Messer, in unmittelbarer Nähe zur Kehle. Eine Institutsleiterin als Kapitänin, deren Schiff permanent auf Seetauglichkeit geprüft wird, sodass es schon lange keinen Ozean mehr überquert hat. In See stechen, das steht natürlich für die Forschung.
Von Evaluationsmodellen bestimmtes System
Aber wer braucht schon ernsthafte Forschung, wenn Gelder auch so akquiriert werden können? Oder: Wer kann schon forschen, wenn ständig Gelder akquiriert werden müssen? In „Weitermachen Sanssouci“ sind derlei Grenzen beinahe aufgeweicht. Dennoch zieht Linz eine recht scharfe Linie zwischen denen, die sich der neuen Wirklichkeit längst gefügt haben und Profit wie Geltungsstreben innerhalb eines von Evaluationsmodellen bestimmten Systems befriedigen – und sich dafür hübsche Gestaltungsideen wie Bastbindungen einfallen lassen.
„Weitermachen Sanssouci“. Regie: Max Linz. Mit Sophie Rois, Sarah Ralfs u. a. Deutschland 2019, 80 Min.
Und denen, die noch an „Wahrheit“, pardon, „Wahrheiten“, wie sich Phoebe Phaidon im Gespräch mit Wendela Wendela (Maryam Zaree) sogleich verbessert, glauben. Zu ihnen zählen auch Teile der Studentenschaft, die eine Bibliothek besetzen, sowie Phoebes Mitbewohner Dakkar Prinz (Bastian Trost), ein „Salon-Soziologe“ (Berger), der an der Biokybernetik im sozialistischen Chile forscht.
Sogar einen Chor gibt es, der allerdings sowohl inhaltsleeren Vorträgen beipflichten kann als auch die zwar berechtigte, aber zu einem gänzlich unpassenden Zeitpunkt vorgetragene Frage singt: „Warum kann es hier nicht schön sein?“ Es ist ein bisschen die Schlüsselfrage dieses Films, ja, die Schlüsselfrage nicht nur des Kartoffelackers, sondern wahrscheinlich der ganzen Kartoffel, denn die ist in Gefahr.
Wissenschaftlerin Phoebe Phaidon simuliert in ihrer Arbeit nichts Geringeres als die Folgen des Klimawandels. Dass die Simulation dann als Klimax in die Realität einbricht, ist wieder so ein hoffnungsvoller, komischer, vernichtender Umstand, wie sie Max Linz in seinen Filmen (schon in „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ von 2014 gab es dergestalt viele) mit so leichter Hand verbaut: Sie könnten vom Einfall von etwas Wahrhaftigem künden. Oder man blickt, wie die exzellente Elite in „Weitermachen Sanssouci“, letztlich doch geflissentlich über sie hinweg und macht weiter wie zuvor. Warum gleich kann es hier nicht schön sein?
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