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Speicherwut bei Niedersachsens PolizeiDaten von HIV-Infizierten gespeichert

Mit dem Kürzel „ANST“ für Ansteckungsgefahr labelt die Polizei in Niedersachsen rund 5.000 Menschen. Angeblich dient das zum Schutz der Beamten.

Haben absurde Angst vor Ansteckung Foto: dpa

Osnabrück epd | Die Deutsche Aids-Hilfe hat die polizeiliche Erfassung von Menschen mit HIV und Hepatitis in Niedersachsen scharf kritisiert. „Menschen mit HIV oder Hepatitis werden durch den Warnhinweis ANST stigmatisiert“, sagte Vorstandsmitglied Winfried Holz in einem Gespräch der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Abkürzung ANST steht für „Ansteckungsgefahr“. Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums hatte die Polizei im Januar 4.498 Personen gespeichert, die mit HIV oder Hepatitis B oder C infiziert sind.

Bei einer Personenabfrage etwa während einer Streifenfahrt werde zu diesen Menschen der Hinweis „Ansteckungsgefahr“ im Computer angezeigt. 1.355 dieser Hinweise sind laut Ministerium im vergangenen Jahr erstellt oder überarbeitet worden. Der Hinweis sei zum Schutz von Beamten und Dritten nahezu unverzichtbar, hieß es.

Dagegen sagte Aids-Hilfe-Vorstand Holz, der Hinweis erhöhe nicht den Schutz für Polizisten: „Hilfreich sind Informationen über das beste Vorgehen nach einem eventuellen Infektionsrisiko. ANST erzeugt hingegen nur Scheinsicherheit.“ Experten schätzen das Übertragungsrisiko bei denjenigen besonders hoch ein, die sich erst vor kurzem angesteckt haben, davon selbst aber nichts wissen und somit nicht im System erfasst werden.

Das Robert-Koch-Institut gibt aktuell keine Auskünfte zum Übertragungsrisiko bei HIV und Hepatitis. Grund ist offenbar die Beteiligung an einer Expertengruppe, die nach Informationen der Zeitung im Dezember vom nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt ins Leben gerufen wurde. Experten aus mehreren Bundesländern und der Bundespolizei tauschten sich in dieser Gruppe über den Warnhinweis aus. „Von hoher Bedeutung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, sagte ein LKA-Sprecher.

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9 Kommentare

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  • Na da schau her.

    "…„Von hoher Bedeutung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, sagte ein LKA-Sprecher."

     

    Es ist ja schön - daß aufgrund

    6-monatigem Studium die Kommissärbesternten neuerdings

    Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

    Sogar - Schreiben - können!

    Wie wär's mal mit nem nächsten Schritt - Nicht mehr tun - Was mer könne - Old style - wa!

    Sondern VORHER - den

    Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

    Auf allen Ebenen als - genau PRÜFUNGSMASSSTAB anwenden! &

    Erst dann - Handeln oder eben Nicht!

    Danke - Dann braucht ihr nämlich auch nicht so tolldreist blöde Rumzufaseln - Wie hier - Wo sowasvon -

    Derart die Sonne durchscheint!

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Die Frage ist doch, wie kommt die Polizei an diese Daten?!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Eine interessante und wichtige Frage, auf deren Antwort ich gespannt bin.

       

      Bei Hepatitis ist die Sache noch einfach, da diese Erkrankung gem. § 7 IfSG unter Offenlegung der Identität des Erkrankten an das Gesundheitsamt zu melden ist. Diese Daten dürfen von der Polizei durchaus genutzt werden.

       

      Bei einer Infektion mit H.I.V. hingegen wird zwar ein Erkrankungsfall gemeldet, jedoch laut Gesetz anonymisiert. Also wie bitte schön gelangt die Polizei (oder jede andere Behörde) an diese Daten? Die einzigen Stellen, die eine derartige Erkrankung mit einer Person in Verbindung bringen könnten sind der behandelnde Arzt (Schweigepflicht), Apotheken (Schweigepflicht) und die Krankenkasse (Schweigepflicht), evtl. - bei ausgebrochener Erkrankung - noch Pflegedienste (Schweigepflicht? Wahrscheinlich). Ist schon ein wenig komisch...

      • @Cerberus:

        Ihr Befund - Daten sind nur durch Rechtsbruch zu erhalten!

        Dann sollten Sie das auch so benennen!

        & es nicht (nur) " ein wenig komisch" finden.

        Komisch/Verwunderlich ist dann -

        Daß die Aids-Hilfe das nicht thematisiert!

  • Ist ja fantastisch! Dann können die Polizisten vorher nachsehen, ob sie jemandem das gefahrlos das Gesicht zu klump prügeln können oder sich besser ein anderes Opfer suchen sollten.

    >:(

  • Warum nicht gleich ein gelber Stern, dann schützen wir alle anderen auch gleich mit. Ist ja nicht diskriminierend, sondern nur gut gemeint. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

    • @Hulle:

      Das trifft jetzt nicht so wirklich den Punkt.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Chaosarah:

        Doch das trifft den Punkt. Die Polizei im Weimarer Reich hat Schwulenkarteien geführt, die Nazis haben mit Hilfe dieser Karteien diese Menschen dann umgebracht.

        Wie würde die AfD so eine Datei über HIV- und Hepatitis-Erkrankte wohl nutzen? In ihrem Programm steht ziemlich unverhohlen, die AfD will Alkoholiker und Drogenabhängige in Lager stecken. Glauben Sie, die wären da lange allein? Würden nicht bald auch die "Perversen" mit den Geschlechtskrankheiten auf der Abschussliste stehen? Würden deutsche Polizisten dann der AfD nicht gehorchen?

    • @Hulle:

      Die Leute kriegen das Label ja nicht sichtbar, sondern es wir im Computer angezeigt, damit die beamten gewarnt sind, wenn sie auf Widerstand zu stoßen drohen, dass sie z.b Handschuhe tragen, um nicht gebissen zu werden. Was leider häufiger passiert.