Speicher für Solarstrom: Sonne in der Nacht
Umbruch in der Solarbranche: Dank Batterien kann ein Großteil des erzeugten Stroms selbst verbraucht werden. Bald wird sich das für jeden rechnen.
Nein, ein Vorzeige-Öko ist Michael Conrad-Rehberg nicht. Zur Arbeit fährt der 47-jährige Wirtschaftsingenieur am liebsten mit dem Auto, obwohl es von seinem Wohnhaus am östlichen Rand von Berlin zu seinem Arbeitsplatz im äußersten Westen der Stadt eine direkte S-Bahn-Verbindung gibt. In seinem Garten lässt er gerade eine automatische Bewässerungsanlage installieren, damit Rasen und Blumen im Sommer nicht vertrocknen. Und in seiner Küche steht auch keine Getreidemühle, sondern ein moderner Kaffeevollautomat.
Trotzdem nutzt Michael Conrad-Rehberg Technik, die man bisher eher von überzeugten Hardcore-Ökos kennt. Das nach Osten gerichtete Dach seiner Doppelhaushälft ist komplett mit Solarmodulen belegt. Doch diese 31 Elemente sind nicht alles. Im Keller des Hauses in Berlin-Biesdorf steht der übliche Wechselrichter, ein elektrisches Gerät in einer gelben Kiste, das den Gleichstrom der Solaranlage in Wechselstrom umwandelt. Und dann steht da aber noch ein Gerät rum. Es ist in etwa so groß wie ein alter Heimcomputer und befindet sich unterhalb der gelben Kiste.
Darin befindet sich eine Batterie, in der der Solarstrom gespeichert wird. Damit lässt sich der tagsüber produzierte Strom auch am Abend und in der Nacht nutzen. Daneben steht noch ein Zylinder mit etwa einem Meter Durchmesser: eine Wärmepumpe, die den selbst erzeugten Strom zum Erhitzen von Wasser nutzt. Seinen Strombedarf kann der Eigenheimbesitzer auf diese Weise im Sommer fast komplett vom eigenen Dach decken, übers Jahr gesehen immerhin zu fast drei Vierteln. Die ganze Anlage sieht noch nagelneu aus, die Technik wurde erst vor wenigen Monaten eingebaut.
Michael Conrad-Rehberg sieht sich keinesfalls als „Weltretter“. Warum hat er sich trotzdem dazu entschlossen, sich eine solche Anlage zuzulegen? „Weil ich ein Sparfuchs bin“, sagt er und lacht. In der Vergangenheit habe er immer wieder den Stromanbieter gewechselt, um seine Kosten zu reduzieren. Auf weniger als 25,9 Cent pro Kilowattstunde ist er damit aber nie gekommen. Darum kam er auf die Idee, seinen Strom selbst zu erzeugen. „Das kostet mich nur 15 Cent pro Kilowattstunde“, erklärt er. „Dagegen kommt kein anderer Anbieter an.“ Natürlich sei es auch „ein gutes Gefühl“, mit der Solaranlage etwas für die Umwelt zu tun, sagt Conrad-Rehberg. „Aber das ist für mich nur ein Nebeneffekt.“
Gut 20.000 Euro hat er für die Technik insgesamt investiert, für den Speicher, der 7.300 Euro kostete, gab es einen staatlichen Zuschuss von 1.500 Euro. Je nachdem, wie sich der Strompreis in den nächsten Jahren entwickelt, amortisiert sich die Investition innerhalb von 9 bis 13 Jahren. Wenn die Anlage wie versprochen für mindestens 20 Jahre ihren Dienst tut, hat der Wirtschaftsingenieur ein gutes Geschäft gemacht.
Michael Böckmann, Hausbesitzer
So wie Michael Conrad-Rehberg handeln inzwischen immer mehr Deutsche. Etwa 20.000 Speicher für Solaranlagen sind im letzten Jahr im Bundesgebiet installiert worden, berichtet der Bundesverband Solarwirtschaft. Während ein Batteriespeicher früher eine große Ausnahme war, wird er immer mehr zur Regel. „Von den neuen Solaranlagen, die wir im letzten Jahr installiert haben, enthielt mehr als die Hälfte einen Speicher“, sagt Holger Freyer von der Solarwerkstatt Berlin – einem Betrieb, der seit vielen Jahren Solaranlagen installiert.
Lithium statt Blei
Bei der Technik hat es zuletzt große Veränderungen gegeben: Statt der früher verwendeten, aus dem Auto bekannten Bleiakkus kommen inzwischen überwiegend Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz. Diese Speicher, die auch in Handys und Laptops eingesetzt werden, sind teurer, aber sie halten länger, sind kleiner und verlieren beim Speichern weniger Energie. Gesteuert werden die Speicher von einem kleinen Computer, der meist anhand von Wetterprognosen und dem bisherigen Haushaltsverbrauch weiß, wann Strom im Überschuss vorhanden sein wird. Und genau dann beginnt er zu laden.
Dadurch profitieren nicht nur individuell Hausbesitzer von ihrem Speicher. Er hat auch einen gesellschaftlichen Nutzen. Bisher haben Solaranlagen die Netzbetreiber vor große Herausforderungen gestellt. Gerade in ländlichen Regionen gerieten die lokalen Netze bisweilen an ihre Belastungsgrenze, wenn alle Solaranlagen am Mittag gleichzeitig ihre Maximalleistung einspeisten. Wenn mit der Energie nun stattdessen die Akkus im Keller aufgeladen werden, sinkt die Netzbelastung auf die Hälfte ab. Weil der staatliche Zuschuss an eine solche intelligente Steuerung gekoppelt ist, beherrschen inzwischen die meisten angebotenen Geräte diese Technik.
Der Zuschuss zu den Speichern, der nach einer kurzen Unterbrechung seit März dieses Jahres wieder gezahlt wird, spielt bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchaus eine wichtige Rolle. Bis zu 25 Prozent der Anschaffungskosten der Batterie zahlt die staatliche KfW-Bank. Voraussetzung ist allerdings, dass man einen Kredit aufnimmt – auch wenn man den gar nicht braucht. „Das ist schon viel Papierkram“, berichtet Michael Conrad-Rehberg.
Wahr ist allerdings auch: Selbst wenn sich eine Solaranlage mit Speicher insgesamt gesehen heute schnell amortisiert, rechnen sich die Speicher für sich allein betrachtet selbst mit dem staatlichen Zuschuss in den meisten Fällen noch nicht. Weil die Batterien immer noch etwas mehr kosten, als durch den zusätzlich selbst verbrauchten Strom gespart wird, ist eine Solaranlage ohne Speicher derzeit immer noch etwas wirtschaftlicher als eine mit Speicher. Doch außer dem rein finanziellen Aspekt gibt es für viele Kunden eben noch andere Gründe für die Investition.
In einer Umfrage der Universität Aachen im Auftrag des Wirtschaftsministeriums nannten 85 Prozent der Käufer die Absicherung gegen steigende Strompreise als Grund; fast genauso viele wollen mit der Investition einen eigenen Beitrag zur Energiewende leisten. Und bei 60 Prozent spielt auch das Interesse an der Technologie eine Rolle.
Michael Böckmann gehört zu den Pionieren der neuen Technik. Er hat in seinem Einfamilienhaus im brandenburgischen Falkensee schon vor über zwei Jahren eine Solaranlage mit Speicherbatterie installiert. Damals waren die Akkus noch 25 Prozent teurer als heute, doch das hat den technischen Informatiker nicht abgehalten. „Wenn ich schon Strom produziere, will ich den auch selbst verbrauchen“, meint er. „Wer Gemüse im Garten anbaut, isst es doch auch am liebsten selbst.“
Stromverbrauch jederzeit im Blick
Anschaffung: Eine typische Solaranlage für ein Einfamilienhaus mit einer Leistung von 5 Kilowatt und einem Speicher mit einer Kapazität von 5 Kilowattstunden kostet heute mit Installation etwa 13.500 Euro netto. Wer einen Kredit aufnimmt, bekommt für den Speicher bis zu 1.500 Euro Zuschuss.
Ersparnis: Eine solche Anlage produziert etwa 5.000 Kilowattstunden im Jahr. Davon können etwa 3.500 selbst verbraucht werden. Bei einem Strompreis von 28 Cent pro Kilowattstunde bringt das eine jährliche Einsparung 980 Euro auf der Stromrechnung.
Einspeisung: Zumindest im Sommer wird trotz Speicher Strom ins Netz eingespeist; im Jahr sind das etwa 1.500 Kilowattstunden. Bei einer Vergütung von derzeit 12,3 Cent pro Kilowattstunde ergibt das jährliche Einnahmen von 180 Euro.
Bilanz: Bei konstanten Strompreisen amortisiert sich die Anlage nach 12 Jahren, bei steigenden Preisen schneller.
Daneben gehört Böckmann auch zu denen, die Spaß an der Technik haben. Auf seinem Smartphone kann er jederzeit sehen, wie viel Strom gerade verbraucht wird und ob dieser gerade direkt vom Dach, aus der Batterie im Hauswirtschaftsraum oder aus dem Netz stammt. Zudem sieht er die Installation der Anlage als Vorbild für seine drei Kinder. „Sie zeigt, dass wir umdenken und Energie anders produzieren müssen als bisher.“ Dank steuerlicher Abschreibung und staatlichem Zuschuss rechnet sich die Gesamtanlage auch bei ihm.
Die deutsche Solarbranche, deren Absatzzahlen aufgrund der gekürzten Vergütungen für eingespeisten Solarstrom zuletzt stark eingebrochen waren, setzt darum große Hoffnung in die neue Technik. „Bis das Förderprogramm Ende 2018 ausläuft, werden Speicher nach unseren Berechnungen auch ohne Zuschuss wirtschaftlich sein“, sagt Jörg Mayer, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. „Dann wird die Branche einen zweiten Frühling erleben.“
In der Erwartung dieses Wachstums drängen derzeit völlig neue Akteure in den Speichermarkt. So hat Eon als größter deutscher Energiekonzern kürzlich eine Kooperation mit dem mittelständischen Dresdner Solarpionier Solarwatt angekündigt, um dessen Speicher unter dem eigenen Namen zu vermarkten. „Der Einstieg von Unternehmen wie Eon ist ein Zeichen, dass sich gerade dramatisch etwas verändert“, sagt Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus. „Eine Technologie, an die wir schon lange glauben, wird für die breite Masse attraktiv.“ Neuhaus rechnet damit, dass sich die Absatzzahlen für Solarstromspeicher jedes Jahr verdoppeln werden.
Auch Technikunternehmen wie der koreanische Samsung-Konzern sind im großen Stil in den Speichermarkt eingestiegen. Doch niemand bekommt so viel Aufmerksamkeit wie der Elektroautohersteller Tesla. Dessen Ankündigung, eine riesige Batteriefabrik aufzubauen und damit außer den eigenen Autos auch die Betreiber von Solaranlagen günstig zu versorgen, hat im letzten Jahr große Schlagzeilen gemacht. Die ersten Prototypen der stylischen Batterien mit Namen „Powerwall“ sind gerade installiert worden, der reguläre Vertrieb soll im Sommer beginnen.
In Deutschland kooperiert Tesla mit dem Ökostromanbieter Lichtblick. Und der hat große Pläne: Batterien von Tausenden Solarstromproduzenten – egal ob von Tesla oder von anderen Herstellern – sollen mit einer Software zu einem großen virtuellen Speicher zusammengeschaltet werden. Strom könnte dann nicht nur für den abendlichen Verbrauch im eigenen Haushalt gespeichert werden, sondern auch, um Überschüsse oder Defizite im allgemeinen Stromnetz auszugleichen.
Erhöht:Durch die wachsende Nutzung von Lithium-Akkus für Elektroautos und Heimspeicher ist die weltweite Nachfrage nach dem Alkalimetall stark gestiegen. Das schlägt sich im Preis für den Grundstoff Lithiumkarbonat nieder: Er hat sich im letzten Jahr fast verdreifacht.
Gewonnen: wird Lithiumkarbonat vor allem aus Salzseen in Südamerika. Größter Produzent ist Chile, auch in Bolivien gibt es riesige Vorkommen, die gerade erschlossen werden. Der Abbau, bei dem das Salzwasser in großen Becken verdunstet wird, ist mit erheblichen ökologischen Eingriffen verbunden. Auch in Europa gibt es Lithium-Vorkommen in Gestein; sie lassen sich derzeit aber nicht wirtschaftlich fördern.
Weil es dafür natürlich eine Vergütung geben soll, würde die Wirtschaftlichkeit eines Speichers weiter verbessert. Tests haben gezeigt, dass das Verfahren technisch funktioniert. Doch bisher verhindern bestehende gesetzliche Regelungen die Wirtschaftlichkeit. Zentrale Großspeicher sind von Steuern und Abgaben befreit, private Speicher nicht. Doch hier plant die Bundesregierung eine Gleichstellung. Lichtblick-Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz glaubt darum fest an das Modell der vernetzten Privatspeicher: „Mittelfristig werden die Haushalte ihre Energie unmittelbar über unsere Plattform vermarkten – vergleichbar mit Airbnb oder Uber“, sagt er. „Darauf bereiten wir uns heute schon vor.“
Noch einen anderen Weg geht die Firma Sonnen, der Marktführer im deutschen Solarspeichermarkt. Sie kauft ihren Kunden den Strom, der bei vollem Akku ins Netz eingespeist wird, auf Wunsch mit einem Aufpreis ab – und bietet ihn anderen Solarstromkunden, die gerade Strom aus dem Netz benötigen, zum Sonderpreis an. Verdienen tut das Unternehmen daran nichts, aber es steigert die Wirtschaftlichkeit der Solaranlagen seiner Kunden.
Und die würde ebenfalls steigen, wenn sich Elektroautos, wie von der Bundesregierung gewünscht, in den nächsten Jahren zunehmend durchsetzen. Gerade bei Pendlern, die ihr Elektroauto nicht tagsüber aufladen, sondern am Abend oder in der Nacht, würde noch mehr Solarstrom selbst verbraucht werden, wenn ein Speicher vorhanden ist.
Auch Matthias Conrad-Rehberg denkt über einen Umstieg nach. „Ich kann mir gut vorstellen, dass mein nächstes Auto elektrisch sein wird – und mit Strom vom eigenen Dach fährt“, sagt der Biersdorfer Solaranlagenbesitzer. Dann würde auch die tägliche Pendelei zur Arbeit nicht mehr im Widerspruch zu seiner ansonsten ökologischen Energienutzung stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!