Spartipps, Hitze und Frauenquote: Vom Krieg in die EU
Die Ukraine soll EU-Beitrittskandidat werden, findet Kanzler Scholz. Alles nur Symbolik? Derweil gibt Wirtschaftsminister Habeck Spartipps.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Steinmeier will Zivildienst.
Was wird diese Woche besser?
Gewissensprüfung entfällt.
In Kanada hängt eine Turbine fest, die Deutschland für Gas braucht, noch ist Robert Habeck entspannt, warnt aber vor dem nächsten Winter. Mit einer neuen Kampagne gibt es Spartipps vom Wirtschaftsminister. Wie sparen Sie?
Es zählt zu den Tragödien der Menschheit, dass alles, was seit dem ersten Ölpreisschock an Energieersparnis gewonnen wurde, komplett wieder zum Fenster rausbläst: Durch Laubpüsteriche und die Weihnachtsbeleuchtung. Man kann sie vom Weltall aus sehen – aber nicht verstehen. Im NS jagte die Propaganda den „Kohlenklau“, in den 70ern kam das schlechte Gewissen zurück, ergrünte und nun isses Putins blanker Horror, wenn wir „Stand by“-Funktionen abschalten und auch mal von Hand spülen. Bald kann man uns „100 Jahre Sparversuch“ auf den Grabstein schreiben. – Interessanter Nebenaspekt: Das Erdgas-Röhren-Geschäft begann vor 60 Jahren mit der technologischen Unterlegenheit der Sowjetunion. Heute muss sie den Krempel immer noch bei Siemens kaufen. Hört China lachen.
Kanzler Olaf Scholz hatte bei seinem Besuch in Kiew vor allem eine Botschaft: Die Ukraine soll EU-Beitrittskandidat werden. Auch die EU Kommission sieht das so. Länder wie Portugal oder Spanien halten den Schritt für verfrüht und für einen rein symbolischen Akt. Was meinen Sie?
Die Ukraine entspricht unter anderem bei Wirtschaft, Finanzen, Justiz und Politik nicht den EU-Standards – vor dem Krieg. Das sind vier von 35 „Körben“, die etwa Ursula von der Leyen derzeit barmherzig flach lächelt. Man werde beim Thema Oligarchen und überhaupt gemeinsam demokratische Reformen anstreben. Unklar, ob das vor oder nach dem Beitritt geschehen soll – die Zeit drängt auf eine ermutigende Geste. Der türkische Status als Beitrittskandidat kompostiert seit 1999, und unterdessen wurde diskutiert, Ungarn oder Polen kollegial wieder den Notausgang zu zeigen. Die Lautstärke der EU-Verlobung überdröhnt die Stille auf die Frage, ob die Ukraine in die Nato soll. EU ja, Nato nein wäre eine besonders schwere Waffenlieferung gegen die Russen gewesen.
In Saudi-Arabien werden Spielzeuge in Regenbogenfarben verboten, weil sie angeblich für Homosexualität werben. Welches Spielzeug würden Sie verbieten?
Die Meldung beruht auf einem kurzen Twitter-Video, in dem grünbewestete Männer einen Spielzeugladen begehen, herumwühlen und bunte Waren auskippen. Sie führen das Logo der saudischen „Vision 2030“, mit der Kronprinz Mohammed das Land modernisieren will: Ein Hollywood für artgerechte Filme soll in der Wüste entstehen, eine „saudische Riviera“ mit Hotels und Kreuzfahrthafen. Kultur und Tourismus homophob zu organisieren ist unmöglich. Eine Satire auf die saudische Vision hätte ziemlich genau so aussehen müssen wie der gespenstische Clip. Vielleicht bauen sie noch ein sehr, sehr großes Eigentor.
Große Teile Südwesteuropas leiden unter einer massiven Hitzewelle. Vergangenes Wochenende schwitzte ganz Deutschland bei weit über 30 Grad. Müssen wir nun alle langsam kapiert haben, dass die Klimakrise schon im vollen Gange ist?
Wir Boomer gehen erst abends raus und erzählen den Enkeln, wie es war.
Die Publizistin Ferda Ataman soll die Antidiskriminierungsstelle leiten. Weil sie Deutsche ohne Migrationsgeschichte „Kartoffeln“ genannt hat, ist nicht nur die Union darüber erbost. Verständliche Verärgerung oder beleidigtes Getue?
Solange man hier Fernsehpreise bekommt, wenn man Türken als „Ziegenficker“ apostrophiert, sind wir ja nachgerade zur Kartoffel begnadigt. Bei der dritten, vierten Generation Migranten und entsprechender Diskriminierungserfahrung sollte es uns nicht wundern: Darunter sind einige, die schneller diskriminieren als ihr Schatten. Das ist eine natürliche Reaktion. Eigentlich Vorbeugung.
In der CDU soll bis zum Jahr 2025 eine Frauenquote von 50 Prozent eingeführt werden – zunächst allerdings befristet. Wird die Partei dadurch für Frauen attraktiver?
Die CDU rechnet mit 2029 mit dem Matriarchat in Deutschland, danach braucht sie keine Quote mehr. Ranhalten, Mädels.
Und was machen die Borussen?
Und vor allem: Wer sind die Borussen? Mit Blick auf die durchreisenden Stars sagt Veteran Kevin Großkreutz: Ich war einer. Stimmt.
Fragen: mlr, nio
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf