Sparkurs der Niederlande beim EU-Gipfel: Höchstens ein Keks
Die EU-Länder sind nach der Pandemie angeschlagen, deshalb soll es Corona-Hilfen geben. Doch die Niederlande treten weiter auf die Bremse.
Wer beim EU-Gipfel am Wochenende auf einen schnellen Durchbruch hofft, dürfte enttäuscht werden. Dass der Konflikt um den 750-Milliarden-Euro-Deal zur Corona-Hilfe noch lange nicht beendet ist, bewies am Dienstag Mark Rutte. Der niederländische Premier, in den letzten Monaten zum Gesicht der wahlweise als „sparsamen“ oder „geizigen Vier“ bezeichneten Fraktion geworden, versprach bei einer Parlamentsdebatte in Den Haag, er werde beim Gipfel „kämpfen bis zum Umfallen“.
Der niederländische Widerwille gegen eine tiefere und vor allem finanziell spürbare europäische Integration ist nicht neu. Aber nach dem Abschied des euroskeptischen Großbritannien sowie der politischen Kehrtwende Deutschlands, dem jahrelangen Partner im Zeichen strikter Austerität, fällt die niederländische Haltung viel mehr ins Auge.
Dahinter steht eine makro-ökonomische Kultur der Haushaltsdisziplin und Sparsamkeit. Die drückt sich etwa aus in der sprichwörtlichen Süßigkeitendose, aus der Besuchern genau ein Keks angeboten wird, bevor sich der Deckel schließt. Rutte referiert an diese Kultur, wenn er, wie bei der Debatte am Dienstag, betont, dass manche Länder ihren Haushalt vor Corona in Ordnung hatten und andere nicht. Oder dass auch die Niederlande es „schwer“ hätten, den Herausforderungen aber trotzten, weil sie, noch so ein Sprichwort, „ein Äpfelchen für den Durst“, sprich Reserven, zur Seite gelegt hätten.
Dabei ist Rutte klar, dass er und seine Partner aus Dänemark, Schweden und Österreich das 750 Milliarden-Euro-Paket nicht dauerhaft aufhalten werden. Also setzt den Haag darauf, den Solidaritätsfonds an Bedingungen zu knüpfen, nämlich an Reformen von Rentensystem und Arbeitsmarkt. Rutte tauschte sich zuletzt darüber mit seinen Amtskollegen aus Italien, Spanien und Portugal aus – ohne verlautbare Annäherung.
Bloß nicht vor „Brüssel“ einknicken
Voraussichtlich dürfte aber in diesen Bedingungen einer der Schlüssel zu einem Kompromiss liegen. Der andere wird ein Rabatt auf den Beitrag zum neuen Haushalt sein, den EU- Ratspräsident Charles Michel den Netto-Zahlern in Aussicht gestellt hat. Damit ist das Feld umrissen, in dem Rutte seine Haut so teuer wie möglich verkaufen wird – nicht mehr, nicht weniger. Dass dieser Prozess leicht noch „zwei, drei EU-Gipfel“ dauern könne, hat der Premier bereits angekündigt.
Eine klare Mehrheit des niederländischen Parlaments unterstützt diesen Kurs. Hinzu kommt, dass in den Niederlanden im Frühjahr 2021 gewählt wird. Ruttes konservativ-liberale Partei VVD wird sich dabei der rabiat anti-europäischen und populistischen Konkurrenz erwehren müssen. Jede vermeintliche Schwäche gegenüber “Brüssel“ bedeutet verschenktes Terrain vor dem Wahlkampfauftakt.
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