Spannungen bei EU-Außenministertreffen: Die Fassade bröckelt

Einig und entschlossen? Beim Treffen der EU-Außenminister sorgt nicht nur der geplante Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands für Unruhe.

Dmytro Kuleba vor EU-Flaggen

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf dem Weg zum Treffen der Außenminister der EU Foto: Olivier Matthys/ap

BRÜSSEL taz | Einig, entschlossen und solidarisch – so präsentiert sich die EU seit Beginn des Ukrainekriegs. Im Konflikt mit Russland dürfe man sich keine Blöße geben, heißt es in der Europäischen Kommission.

Doch beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel bröckelte die schöne Fassade. Der Streit um das geplante Ölembargo und die Debatte über den Nato-Beitritt der EU-LändEUer Schweden und Finnland sorgten für Unruhe.

Das Embargo auf Öl aus Russland sollte eigentlich schon am Europatag vor einer Woche verhängt werden. Ein Beschluss kam jedoch nicht zustande – Ungarn, die Slowakei und andere EU-Staaten stehen auf der Bremse.

Auch beim Außenrat ging es nicht voran. Eine schnelle Einigung sei nicht zu erwarten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die Positionen seien „ziemlich stark“, deshalb brauche der Beschluss noch Zeit.

Ungarn drohte mit Veto

Optimistischer äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock. „Es ist wichtig, dass alle Länder den Weg des Ausstiegs gemeinsam gehen können“, sagte die Grünen-Politikerin. Man dürfe sich „keinen Millimeter“ spalten lassen.

Zuletzt hatten sich die Fronten verhärtet. Ungarn drohte mit einem Veto gegen das sechste Sanktionspaket, wenn das Ölembargo unverändert kommen sollte. Das Land bezieht mehr als 60 Prozent seines Öls aus Russland sowie 85 Prozent seines Erdgases.

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis warf Ungarn vor, die EU als Geisel zu nehmen. Verständnisvoller äußerte sich sein irischer Kollege Simon Coveney. Ein Embargo sei für manche Länder schwer umzusetzen, sagte er.

Der geplante Importstopp für Öl würde nämlich nicht nur Russland treffen. Er treibt die Preise am Ölmarkt nach oben und schneidet Europa vom billigen Brennstoff aus dem Osten ab. Öl und Benzin dürften deshalb dauerhaft teuer werden, was Russland sogar noch höhere Einnahmen beschert.

Drohgebärden aus Moskau

Für Unruhe sorgt auch die geplante Nato-Norderweiterung. Offiziell war sie zwar kein Thema beim Treffen der Außenminister, zu dem auch der ukrainische Chefdiplomat Dmytro Kuleba geladen war. Doch am Rande der Beratungen ging es immer wieder um Finnland und Schweden.

Dafür gibt es einen gewichtigen Grund: Beide EU-Länder fürchten russische Repressalien, wenn sie wie geplant in den nächsten Tagen ihren Beitrittsantrag bei der Nato stellen. In der Zeit zwischen dem Antrag und der Aufnahme wären sie aber nicht durch die Militärallianz geschützt.

Der Artikel 5 des Nordatlantikvertrags gilt nämlich nur für Mitglieder, nicht für Anwärter. Hier könnte die EU ins Spiel kommen. Sie hat eine eigene, kaum bekannte Beistandsklausel, den Artikel 42.7 des EU-Vertrags. Er könnte zum Zuge kommen, falls Russland Ärger macht.

Aus Moskau kommen schon Drohgebärden. Die Ausweitung der Nato wäre ein „schwerer Fehler mit weitreichenden Konsequenzen“, sagte Vize-Außenminister Sergei Ryabkov. Russland werde nicht tatenlos zusehen, sondern das „militärische Gleichgewicht“ wiederherstellen.

Was das in der Praxis bedeutet, ist unklar. Doch die EU könnte schneller in den Streit hineingezogen werden, als ihr lieb ist. Die Spannungen nehmen zu – innerhalb und außerhalb der Union.

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