Sozialwohnungen: Kreuzberg probt den Mieteraufstand
Franz Schulz, der grüne Bürgermeister von Kreuzberg, und der Mieterverein blasen gemeinsam zur Attacke auf die SPD-Bausenatorin. Auch die Linke geht vorsichtig auf Distanz.
Ein Hauch von Widerstand umwehte am Mittwoch den Sitzungssaal im Rathaus Kreuzberg. Gemeinsam mit Mietern der Fanny-Hensel-Siedlung und dem Berliner Mieterverein sagte Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) dem Senat den Kampf an. "Seit den Mieterhöhungen im Februar hat die Bausenatorin nichts unternommen", schimpfte Schulz. "Damit leistet der Senat den größten Beitrag zur Verdrängung von Mietern in Berlin."
Hintergrund der grünen Attacke auf SPD-Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer sind die teilweise drastischen Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau. Seit dem der rot-rote Senat 2003 die sogenannte Anschlussförderung gestoppt hat, verlangen immer mehr Eigentümer von ihren Mietern horrende Zuschläge. "Die Mietforderungen liegen teilweise bei bis zu 10 Euro netto kalt", sagte Mietervertreter Sebastian Jung.
Bis 2003 hatte das Land die Differenz zwischen der sogenannten Kostenmiete, also den Baukosten pro Quadratmeter, und der Mietermiete ausgeglichen. "Nachdem die Eigentümer auf dem Klageweg gescheitert sind, werden nun die Mieten erhöht", so Schulz. Betroffen sind nicht nur die Mieter der Fanny-Hensel-Siedlung in der Nähe des Potsdamer Platzes, sondern insgesamt 28.000 Wohnungen, die zwischen 1987 und 1996 gebaut wurden.
Der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild, schilderte ein weiteres Problem: "Aufgrund der Förderung durch das Land gilt für diese Wohnungen nicht das übliche Vergleichsmietsystem." Im Klartext: Der Eigentümer kann von seinen Mietern die volle Kostenmiete verlangen, der Mietspiegel gilt in diesem Fall nicht. Der Willkür der Eigentümer ist damit Tür und Tor geöffnet. Mietervertreter Jung berichtet bereits von Kündigungen, die nur türkische und arabische, nicht aber deutsche Mieter betreffen.
Und die Bausenatorin? Einen Mietzuschuss für die Betroffenen lehnte Ingeborg Junge-Reyer auf einer Sitzung des Bauausschusses im Februar ab. "Wenn wir in der Umgebung preiswerten Wohnraum zur Verfügung stellen können, sehe ich dafür keinen Anlass", sagte die Senatorin.
Doch die Bilanz von Mietervertreter Jung sieht mager aus: "Von 34 Angeboten, die wir bekommen haben, gab es nur eines, das preiswert genug war, dass dort auch Bezieher von ALG II einziehen können." Kreuzbergs Grüne und der Mieterverein fordern deshalb eine Härtefallregelung. "Die Mietdifferenz muss so lange übernommen werden, bis die Mieter tatsächlich eine adäquate Ersatzwohnung haben", sagte Schulz.
Dass sehen auch die Linken so. Mehr als ungewöhnlich war es, dass unter den Zuhörern im Kreuzberger Sitzungssaal auch der baupolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Uwe Döring, saß. "Wir erwarten von der SPD eine konsequente Einzelfallprüfung", sagte Döring der taz.
Allerdings gab es auch Stimmen, die sich über die neue Mieterkoalition kritisch äußerten. "Wenn wir jetzt in großem Maße die Mietdifferenz zahlen, sind wir bald wieder beim alten Fördersystem", gab der baupolitische Sprecher der Grünen, Andreas Otto, zu bedenken. Sein Hauptanliegen ist es deshalb, die ehemaligen Bestände des sozialen Wohnungsbaus in das Vergleichsmietsystem zu überführen. Aber auch Otto drückt aufs Tempo. "Darüber verhandelt der Senat seit Langem mit den Eigentümerverbänden. Ein Ergebnis liegt immer noch nicht vor."
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