Sozialistische Regierung vor dem Aus: Der portugiesische Patient

Portugal galt als Vorbild für Mitte-links-Regierungen in Europa. Doch der Streit um den Haushalt beschert dem Land wohl Neuwahlen.

Eine Straßenbahn in der Altstadt von Lissabon.

In den Straßen von Lissabon Foto: Pedro Nunes/reuters

Portugal steht wohl vor Neuwahlen. Der sozialistische Ministerpräsident António Costa ist mit seinem Haushalt im Parlament gescheitert. Erstmals seit 2015 stimmten die Parteien links der Sozialisten gegen einen Haushalt. Vorbei sind die Zeiten, als sich die sozialistische Minderheitsregierung und die Linken zusammenrauften.

Ging es bisher darum, die Sparpolitik und die Auflagen der Troika infolge der Eurokrise zurückzunehmen, hat das Land jetzt wieder Geld, viel Geld. Portugal ist eines der Länder, die am meisten vom Covid-Hilfsfonds der EU bedacht werden.

Es stellt sich nicht nur die Frage nach einer Kurskorrektur, sondern nach der Gestaltung der näheren und ferneren Zukunft. Linksblock (BE) und Kommunisten (PCP) wollen diejenigen begünstigen, die unter den beiden Krisen – Euro und Covid – am meisten gelitten haben. Sie bestehen auf mehr Rechten für Arbeitnehmer und Freiberufler sowie auf einer Erhöhung des Mindestlohns, der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Renten.

Außerdem wollen sie üppigere Investitionen im öffentlichen Dienst – vor allem im Gesundheitswesen –, als die Regierung Costa es plant. Diese will lieber Steuern senken sowie das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung abbauen.

Portugal, Spanien – und in Deutschland die Ampel

Was in Portugal geschieht, ist kein Einzelfall. Im benachbarten Spanien, wo die Sozialisten in Koalition mit den Linksalternativen von Unidas Podemos – in vielem vergleichbar mit dem portugiesischen Linksblock – regieren, verlaufen die Konfliktlinien ähnlich. Und auch bei der Ampel in Deutschland wird die Frage, ob und wo Geld ausgegeben wird, einer der Hauptstreitpunkte sein. Auch wenn es dort weniger um soziale als um klimapolitische Ausgaben gehen dürfte.

Euro- und Coronakrise haben gezeigt, dass die neoliberale Politik nicht in der Lage ist, den Bedürfnissen weiter Teile der Gesellschaft gerecht zu werden und die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Bekämpfung von Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung ist nicht alles. Doch kaum zeichnet sich ein Ende der Krise ab, vergessen weite Teile der Politik diese Lehre schnell wieder, darunter leider auch die Sozialdemokratie.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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