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Soziale Absicherung in FernsehbrancheDurch alle Raster gefallen

Für Menschen, die in der Film- und Fernsehbranche arbeiten, ist soziale Absicherung ein Problem. Die Pandemie hat ihre Unsicherheit verschärft.

„Fast ein Jahr mussten wir warten, bis die Politik verstanden hat“, sagt Heinrich Schafmeister Foto: Stefan Zeitz/imago images

Mit­ar­bei­te­r*in­nen in der Film- und Fernsehwirtschaft sind oft nicht fest angestellt. Ihr Status ist versicherungstechnisch häufig kompliziert, wenn sie beispielsweise als Soloselbstständige, kurzfristig Beschäftigte oder projektgebundene Angestellte klassifiziert werden. Soziale Absicherung ist daher für die meisten sowieso schon ein schwieriges Thema.

Aber in Zeiten von Corona wurde es für viele zum Albtraum. Zum Beispiel für Schau­spieler*innen: „Zwei Drittel bis zu drei Viertel aller Schauspieler hatten von jetzt auf gleich keine Einkünfte mehr und mussten ihre kärgliche Altersvorsorge aufbrauchen beziehungsweise anbrechen“, sagt Heinrich Schafmeister. Der Schauspieler ist Vorstandsmitglied im Bundesverband Schauspiel und kann sich nicht daran erinnern, dass seine Zunft in der Vergangenheit schon eine ähnlich schwierige Phase erlebt hat: „Das war eine Superkatastrophe.“

In der Berufsgruppe sind Film und Fernsehen sowie Theater und Synchronjobs die Haupteinsatzgebiete. Die beiden letzteren Bereiche fielen letztes Jahr im März komplett weg. „Fast ein Jahr mussten wir warten, bis die Politik verstanden hat“, kritisiert Schafmeister, „denn man ging davon aus, wir seien alle Soloselbstständige.“ Tatsächlich können Schau­spie­le­r*in­nen wie andere Kreative auch kurzfristig Beschäftigte sein. Und dadurch fielen viele erst mal ein knappes Jahr lang durch sämtliche Raster. Erst ab Frühjahr dieses Jahres wurden sie in die „Novemberhilfen“ mit einbezogen, die auch für den privaten Lebensunterhalt verwendet werden durften.

Es nicht reicht für ein Leben im Alter

Als „Lichtblick“ sieht der Schauspieler die Pensionskasse Rundfunk (PKR), die dieses Jahr ihr 50-jähiges Bestehen feiert. Die PKR bietet freien Mit­­ar­bei­te­r*in­nen von öffentlich-recht­lichen Sendern und von über 450 Produktionsunternehmen eine Altersversorgung, die sich aus eigenen und Beiträgen der Arbeitgeber zusammensetzt.

Allerdings wurde auch der Zuwachs der PKR-Mitglieder 2020 „spürbar“ von der Corona­pandemie beeinflusst. „Während viele Freie bei den Rundfunkanstalten während der Lockdowns im Frühjahr 2020 und im Spätherbst deutlich mehr zu tun hatten, wurden zahlreiche Produktionen von Mai bis Juli 2020 verschoben oder fielen ganz aus“, sagt Iris Gebing von der Pensions­kasse. Das wirkte sich auch auf die Anzahl der Neumitglieder aus: „So erhielten wir während der Lockdowns kaum halb so viele Aufnahmeanträge wie in den gleichen Zeiträumen des Vorjahres.“

Im letzten Dezember wurde im Auftrag des Berliner Senats eine Umfrage zur Situation der Film- und Fernsehschaffenden in der Hauptstadtregion gestartet. Ein Zwischenbericht aus dem Frühjahr 2021 kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen: 11 Prozent der Film- und Fernsehschaffenden in Berlin sowie Brandenburg hätten keine Altersvorsorge. Von den Menschen, die Altersvorsorge betrieben, seien 57 Prozent der Meinung, dass diese für ein Leben im Alter nicht ausreiche. Hauptgrund für die fehlende Altersvorsorge: fehlende finanziel­le Mittel.

Covid, so der Bericht, habe dann die Situation noch einmal deutlich verschlechtert: 60 Prozent der Befragten verzeichneten Einkommenseinbußen, ein Drittel klagte über hohe psychische und physische Belastungen durch Pandemiesituation und Lockdown. 42 Prozent hatten Coronahilfen beantragt, wobei ein Teil monierte, dass die Hilfen für sie grundsätzlich nicht beantragbar seien. Unter anderem, weil sie keine nennenswerten Betriebskosten hatten oder weil sie von ihrem Status her nicht berechtigt waren.

Ein Durcheinander

Einer, der gut durchs letzte Jahr kam, ist Jens Bartram. Und das, obwohl der Maskenbildner im letzten Jahr über drei Monate lang keine Arbeit hatte. „Ich konnte Arbeitslosengeld beantragen, da ich für jede Produktion fest angestellt werde.“ Das ging aber auch nur, weil der gutbeschäftigte Kreative in den zwei Jahren zuvor insgesamt 360 Arbeitstage verzeichnen konnte. Andernfalls hätte er keinen Anspruch gehabt.

„Es gibt ein großes Durch­einander in der Kulturszene, was Status und Absicherungsmöglichkeiten angeht“, kritisiert Schafmeister, „alle Menschen werden mal krank, die meisten Menschen werden irgendwann mal erwerbslos, alle Menschen brauchen irgendwann mal Pflege, alle Menschen werden alt und können nicht mehr arbeiten.“

Nicht nur aus seiner Sicht wäre eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und mit der alle kranken- sowie rentenversichert sind, die richtige Lösung. Und sie käme auch vielen anderen zugute, die in der Gesellschaft nicht so sichtbar werden können wie Medienschaffende oder Künstler. Die PKR hält er jedenfalls für ein „geniales Modell“, was die Altersvorsorge angeht: „Sie wäre auch ein Modell für andere Bereiche.“

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6 Kommentare

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  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Da sollten die Stars der Szene oder gutverdienende Mitarbeitende im ÖR stärker in die Pflicht für die Kollegen genommen werden z.B. höhere Steuern oder geringere Gehälter dafür bessere Absicherung für Freischaffende.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Klassiker: Statt die einen stark machen, die anderen schwächen.



      Lassen sie mich raten: Sie gehören nicht zu Arbeitnehmern des ÖR und haben eine geniale Idee, die Sie nicht betrifft, oder?

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Ach ja, werden in Ihrem Betrieb auch die Gehälter besser verdienender Kollegen auf niedrigere Lohngruppen verteilt?



      Das ist ja der absolute Traum für Firmeninhaber. Sie appellieren an die Solidargemeinschaft und übertragen ihre Verpflichtungen gegenüber niedrigeren Lohngruppen auf die besser verdienenden Beschäftigten ihres Betriebes.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich möchte hier daran erinnern, dass nicht nur die Kulturschaffenden gekniffen waren - das galt auch für den kommerziellen Bereich der Veranstaltungsbranche, namentlich die Messen. Da arbeiten sowohl im Messebau, als auch im Technikbereich 30 bis 50% Soloselbständige, die exakt die gleichen Probleme hatten: Kein Zugang zu den Hilfen und ungeeignete, wenn nicht sogar gefährliche formale Voraussetzungen.

    Dazu kommt, dass das Sozialgesetzbuch vollkommen ungeeignet ist, um hier eine Stütze zu sein: Viele der Soloselbständigen haben ja Lebenspartner, die durchaus noch im Job stehen. Deren Gehälter verhindern in der Regel jeden Anspruch - wenn aber ein Einkommen für Monate plötzlich auf Null geht, dann müssen die Familien mit der Hälfte klarkommen. Als ob die vorher die Hälfte auf die hohe Kante legen konnten...

    Noch schlimmer wird es bei den Selbständigen mit den alten Verträgen in der PKV. Dazu muss man wissen, dass vor der Versicherungspflicht, die freiwillige Versicherung in der GKV nur zum Höchstsatz möglich war. Während Künstler immerhin in der Künstlersozialkasse erträgliche Tarife fanden - weil die KSK stets die Hälfte übernahm - hätten die "kommerziellen" Soloselbständigen stets den höchsten Tarif alleine übernehmen müssen. Vor die Wahl gestellt haben die sich natürlich massenhaft für die PKV entschieden.

    Wer jetzt aber in einem Altvertrag steckt und da nicht herauskommt, hat keinen Anspruch auf den Basistarif - und wenn die Versicherung den doch gewährt, baut sie die Differenz zum Originalbeitrag als existenzgefährdenden Schuldenberg auf. Null Einkommen, aber jeden Monat 400, 500 Euro neue Versicherungsschulden...

    Er kann nicht mal die Versicherung wechseln, weil die für Altverträge keine Verpflichtung besteht, die Rückstellungen zu übertragen - was den Wechsel mit Neuvertrag absurd teuer macht.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Man hat doch die Möglichkeit sein tatsächliches Einkommen mittels Steuerbescheid nachzuweisen?



      Damit wird der Beitrag bei GKV angepaßt.

      • 0G
        05989 (Profil gelöscht)
        @rollef:

        Diese Option gibt es erst seit 10 Jahren oder so. Die wurde ein paar Jahre nach der Versicherungspflicht eingeführt.

        An der Berechnung wird übrigens dann auch immer wieder geschraubt. Meine Frau war in "Dauerelternzeit" mit einer Rückkehroption in ihren alten Job. Dadurch war sie nicht mehr über den Arbeitgeber krankenversichert und musste in die freiwillige GKV. Zunächst war das auch alles fein - mein Einkommen wurde "geteilt" und nach ihrer Hälfte ihr Beitrag berechnet.

        Allerdings ziehen wir zwei Pfegekinder groß und bekommen als Elternersatz sowohl Kindergeld, als auch die üblichen Freibeträge.

        Allerdings weigerte sich die GKV plötzlich von einem Jahr auf das andere, unsere Kinderfreibeträge aus dem Steuerbescheid anzuerkennen - was direkt zu einer Verdopplung der Kassenbeiträge meiner Frau führte.

        Die einzige, vernünftige Lösung, um alle diese Verwerfungen sachgerecht und sozial aufzufangen ist ein ein steuerfinanziertes, staatliches System - wie das britische NHS.