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Sondierungsgespräche in BerlinDie Rot-Schwarz-Maler

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

SPD und Union machen einen schweren Fehler, wenn sie das Klimaschutzziel für 2020 aufgeben. Resignation wäre eine fatale Botschaft an die Welt.

Innenpolitische Entscheidung mit globalen Folgen? Foto: dpa

M anchmal ruiniert ein einziger Satz alles andere, was gesagt und geschrieben wird. So ist das auch bei dem Papier zu Klimaschutz, Energie und Umwelt, auf das sich CDU/CSU und SPD geeinigt haben. Der Satz heißt: „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht werden“. Der Satz mag halbwegs realistisch sein. Klimapolitisch ist er ein schwerer Fehler.

Die Große Koalition resigniert damit auf einem der wichtigsten Politikfelder, bevor sie überhaupt zustande gekommen ist. Sie widerspricht nicht nur den Versprechen von Angela Merkel und Martin Schulz aus dem Wahlkampf und aus dem Dezember, „Wege zu finden, um unsere Klimaziele zu erreichen“. Die Gruppe der Unterhändler, in der bis auf den SPD-Mann Matthias Miersch kein ausgewiesener Umwelt- oder Klimaexperte sitzt, widerspricht auch dem ersten Satz ihres eigenen Textes: „Deutschland bekennt sich zu den beschlossenen Klimaschutzzielen für 2020 (-40%)“.

Ohne die faktische Aufgabe des 2020er-Ziels wäre der Text halbwegs solide: Er verspricht Anstrengungen, um möglichst nah an die 40 Prozent zu kommen, will mehr Erneuerbare, ein Ausstiegsdatum für die Kohle, eine Strukturkommission für die betroffenen Regionen, endlich ein Gesetz, das die Klimaziele 2030 festschreibt, eine Senkung der Stromsteuer. All das wird aber entwertet durch das Signal für 2020. Die Botschaft lautet: Leute, wir schaffen es sowieso nicht!

International ist die Wirkung fatal. Wenn jetzt Deutschland, eines der wenigen Industrieländer mit Ambitionen im Klimaschutz, seine ehrgeizigen Ziele kassiert, reibt sich Donald Trump die Hände. Das Land der Energiewende, das von seinen hohen CO2-Emissionen nicht runterkommt, bestätigt weltweit endgültig alle Kritiker, die meinen, Klimaschutz sei zu teuer und nicht machbar. Dabei brauchen die globalen Verhandlungen dringend ein Signal, dass die reichen Länder schon bis 2020 ernst machen – also genau das Gegenteil von dem, was die Groko da aufschreibt. Denn wer sich an das Pariser Abkommen halten will, der weiß auch: Klimaschutz muss schneller, nicht langsamer gehen, schon die 40 Prozent reichen nicht aus. Die abgesoffenen Städte am Rhein sind derzeit wieder ein warnendes Beispiel, welche Schäden und Kosten auch bei uns bevorstehen.

Noch ist nichts entschieden

Diese vorläufige Einigung der Groko zum Klima ist das Gegenteil von guter Politik. Die muss sich zwar an der Realität orientieren, darf aber nicht mutlos machen. Jeder weiß, dass die minus 40 Prozent mit den bisherigen Mitteln und der bisherigen Regierung kaum zu schaffen sind. Ehrliche Politik sollte uns aber nicht sagen, was nicht geht, sondern Wege und Hoffnungen aufzeigen, wie es besser gehen könnte. Wie fänden wir es, wenn die Koalition auf anderen Politikfeldern so handelte? Wenn sie sagte, Kinderarmut werde es bei uns nun mal immer geben, ein Frieden im Nahen Osten sei sowieso nicht zu erreichen und mit Hunger, Folter und Unterdrückung weltweit müsse man sich einfach mal abfinden?

Noch ist nichts entschieden, noch wird nur sondiert. Für Verbesserungen ist noch viel Luft. Wenn die Groko es ernst meint mit dem Klimaschutz, könnte sie etwa eine neue Jahreszahl für die 40 Prozent nennen – vielleicht 2022? Oder zum Ende ihrer Legislatur 2021 eine neue Marke setzen: 38 Prozent? Oder einfach diesen blöden Satz streichen, der allen Schwarzmalern recht gibt.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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4 Kommentare

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  • Solche Politiker kann ich als Souverän nicht wählen, denn es sind nicht die Besten und halten sich nicht einmal an die Gesetze!

    "All das wird aber entwertet durch das Signal für 2020. Die Botschaft lautet: Leute, wir schaffen es sowieso nicht!"

    (s. Aristoteles zur Demokratie)

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Ehrlich wäre es gewesen, wenn CDU/CSU und SPD das vor der Bundestagswahl gesagt hätten. Denn dann wäre das Ergebnis für die Grünen und wohl auch für die Linke zweistellig gewesen.

    Hier zeigt sich erneut, dass Umweltschutz und Markwirtschaft unvereinbar sind. Denn wer beharrt darauf, dass die Klimavorgaben nicht eingehalten werden können, wenn nicht die Wirtschaft. Die Versicherungsbeitrage werden angesichts erhöhter Risiken wohl rapide ansteigen, die Folgekosten, die die Wirtschaft mal wieder auf die Gemeinschaft abwälzt werden immens hoch werden. Von der menschliche Tragödien ganz zu schweigen. Der Emmissionshandel ist Augenwischerei, da wird nur getrickst und geschoben. Es geht um schnelles, konzertiertes und planmässiges Handeln, das war auch Sinn des Abkommen von Paris.

    Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung sich bereit erklärt, alle Klimaflüchtlinge aufzunehmen, schon mal alleine wegen des Verursacherprinzips.

    Wenn man mal über die Grenze schaut, haben wir folgende Situation. Frankreich hat den Atomausstieg auf den Sanktnimmerleinstag vertagt, weil es die Pariser Klimavorgaben einhalten will. 19 Meiler haben die Altersgrenze von 40 Jahren erreicht, davon stellen einige wie Fessenheim ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, auch oder gerade für Deutschland. Auch in Frankreich hat sich die Wirtschaft beim Atomausstieg quergestellt und durchgesetzt.

    Wir können also folgendes Szenario realistisch durchspielen. Aufgrund der verfehlten Klimapolitik Deutschlands tritt der Rhein über die Ufer, überschwemmt das Atomkraftwek in Fessenheim, was einen Supergau wie in Fukushima auslöst. Neben der bleibenden Kontamination, den Toten und späteren Krebskranken wird es Folgekosten in Höhe von mehreren Milliarden € geben. Wer wird die tragen? Der, der den maroden Meiler nicht abgeschaltet hat oder der, der die Klimavorgaben nicht eingehalten hat?

  • Richtig wäre: "Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht - mit Schnarchzapfen wie uns - nicht erreicht werden"

  • An unrealistischen Zielen festzuhalten wäre erst recht unglaubwürdig. Deutschland gilt eh' schon als schlechtes Beispiel, wie man mit horrenden Kosten die geringste bis gar keine CO2-Verminderung erreicht.

    Statt im Detail nationale oder sektorspezifische Ziele zu definieren, die dann aus technologischen oder Kostengründen nicht erreicht werden, sollte endlich der Emissionshandel mit definiertem Mindestpreis auf möglichst alle CO2 Emittenten ausgedehnt werden. Dann kann ein globales Minderungsziel vorgegeben werden, und marktwirtschaftliche Effizienz teilt es flexibel so auf Länder und Sektoren auf, dass es mit geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten erreicht wird. Siehe auch: http://thecompensators.org/de/2016/a-fixed-price-for-the-ets/