Sondervermögen für die Bundeswehr: Eine praktische Lösung

Ein Bundeswehr-Sondervermögen im Grundgesetz ist nicht schön, aber richtig. Die Union sitzt mit im Boot und kann nicht mehr von außen attackieren.

Verteidigungsministerin Lambrecht vor einem Bundeswehr Eurofighter.

Gelingt ihr, woran ihre VorgängerInnen scheiterten? Verteidigungsministerin Lambrecht im März 2022 Foto: Christophe Gateau/dpa

Der Bundestag wird in ein paar Tagen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitstellen. Dieser Schuldenberg, euphemistisch Sondervermögen getauft, wird auch noch im Grundgesetz verankert. Anstatt Geld in Wohnungen und den klimaneutralen Umbau der Gesellschaft zu stecken, werden irrwitzig teure US-Kampfjets, Munition und Panzer gekauft. Der Ak­tien­kurs des Rüstungskonzerns Rheinmetall hat sich seit Olaf Scholz’ Zeitenwende-Rede am 27. Februar verdoppelt.

Die Grünen, die ein paar Milliarden Euro für zivile Konfliktprävention abzweigen wollten, haben sich nicht durchgesetzt. Der Slogan „In der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix“ hat die Jahrzehnte der Bundesrepublik wie ein Refrain begleitet. Gilt er gerade jetzt? Kann, wer sich in der Tradition der militärkritischen Linken versteht, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gutheißen?

Ja, das kann man. Denn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat fast alles verändert. Wie weit die Ziele des russischen Imperialismus reichen, ist spekulativ. Es ist nötig, mit dem Schlimmsten zu kalkulieren. Selbst wenn es, wofür derzeit wenig spricht, einen Waffenstillstand in der Ukraine geben sollte – Deutschland und die EU werden sich auf einer dauerhafte Gewaltdrohung aus Russland einstellen müssen.

Deutschland muss für alle Fälle buchstäblich gerüstet sein und braucht als Abschreckung eine funktionsfähige Armee. Entscheidend ist nun, wie viel von dem Geldregen fürs Militär in verfilzten Strukturen versickert oder wegen bürokratischer Überreglementierung ineffektiv eingesetzt wird. Man wird sehen, ob SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gelingt, woran ihre VorgängerInnen scheiterten.

Aber Grundgesetzänderung – muss das sein? Prinzipiell nein, realpolitisch gesehen ja. Die Ampel will das Wattekissen des ganz großen Konsenses, weil die FDP das Ja der Union braucht. Denn die Liberalen fürchteten, wegen noch eines Schattenhaushaltes böse unter Feuer zu geraten. Jetzt ist die Union im Boot und diese Gefahr gebannt.

2-Prozent-Ziel nicht im Grundgesetz

In dieser machtpolitischen Konstellation wären alle anderen Möglichkeiten, mehr Geld für Militär zu mobilisieren, weitaus schwieriger gewesen. Mehr Geld für die Bundeswehr aus dem Haushalt zu finanzieren hätte bedeutet: weniger Geld für Soziales, Klima, Wohnungen. Das hätte Fliehkräfte in der Ampel ausgelöst.

Erfreulich ist schließlich, dass die Pflicht, dauerhaft zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Militär auszugeben, in der Verfassung zu verankern, vom Tisch ist. Die Union wollte das, zum Glück wurde nichts daraus. Kommenden Generationen vorzuschreiben, wofür der Staat Geld auszugeben hat, ist kurzsichtig, ja übergriffig.

Der Weg über die Grundgesetzänderung für das Sondervermögen ist verfassungsästhetisch gesehen hässlich, politisch aber praktisch. Es verursacht am wenigsten Kollateralschäden. Für Kanzler Scholz ist diese Einigung kostbar. Sie ist ein Erfolg. Davon gibt es derzeit nicht so viele.

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