piwik no script img

Sonderbeauftragter für Recht auf Nahrung„Die UNO ist an der Grenze bereit. Lasst uns rein“

Israel zählte schon vor dem 7. Oktober die Kalorien, die nach Gaza gelassen wurden, sagt Michael Fakhri. Ein Gespräch über den Hunger als Waffe.

Eine Szene aus einem Flüchtlings­lager in Dschabaliya, Gaza am 19. Mai Foto: IMAGO/Abood Abusalama

taz: Vor sieben Jahren verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 2417, die den Einsatz von Hunger als Waffe verhindern sollte. Was ist sie heute wert?

Michael Fakhri: Viele waren begeistert, dass damit ein Verfahren geschaffen wurde, um den Sicherheitsrat rechtzeitig über die Gefahr des Aushungerns zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, so schnell wie möglich zu handeln. Nicht überraschend sehen wir jedoch, dass der Sicherheitsrat je nach Konflikt durch unterschiedliche Vetos blockiert wird.

taz: Wann kam die Resolution bisher zum Einsatz?

Fakhri: Nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte, warfen die USA und Europa Russland vor, durch die Blockade ukrainischer Weizenexporte eine weltweite Nahrungsmittelkrise ausgelöst zu haben. Ich wurde vom Sicherheitsrat eingeladen und erklärte, dass Russlands Vorgehen nur die bestehende Nahrungsmittelkrise verschlimmert hatte, die durch Covid-19 verursacht wurde. Gleichzeitig hat das Welternährungsprogramm, einer der größten Einkäufer von Weizen auf der Welt, während des Kriegs mehr Weizen von der Ukraine eingekauft, obwohl es wusste, dass die Lieferketten unterbrochen waren. Das Welternährungsprogramm wollte auf diese Weise die Ukraine gegen Russland unterstützen. Dies ist ein Beispiel für die Militarisierung der humanitären Hilfe, die nicht diskutiert wird.

Michael Fakhri

ist kanadischer Rechtswissenschaftler und seit 2020 UN-Sonderbericht­erstatter zum Recht auf Nahrung beim UN-Menschenrechtsrat.

taz: Wenn die Resolution ernst genommen würde, was müsste dann für Gaza folgen?

Fakhri: Israel hat 78 Tage lang die Einfuhr humanitäre Hilfe nach Gaza verweigert. Allein im März hat dies zu einem Anstieg der akuten Unterernährung bei Kindern um 80 Prozent geführt. Israel sagte, es wolle Druck auf die Hamas ausüben, damit diese verhandelt und die Geiseln freilässt. Mit anderen Worten: Israel hat zugegeben, die humanitäre Hilfe für Zivilisten als Druckmittel einzusetzen. Das ist ein Kriegsverbrechen und ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

taz: Was hätte der Sicherheitsrat dagegen tun können?

Fakhri: Der Sicherheitsrat hätte im Rahmen der UN-Resolution 2417 Israel auffordern können, die Blockade zu beenden. Er könnte UN-Friedenstruppen ermächtigen, die Blockade zu durchbrechen. Sie könnten die humanitären Konvois begleiten, die an der Grenze warten, wo die Lebensmittel schlecht werden. Das hätte geschehen müssen, um zu verhindern, dass all diese Menschen verhungern und sterben.

taz: Israel hat vergangene Woche die Blockade aufgehoben. Was bedeutet das für die Menschen in Gaza?

Fakhri: Die Berichte sind unklar, was tatsächlich hineingelassen werden soll. Bislang sind es knapp 200 Lieferwagen – viel zu wenige, um die Hungerkatastrophe abzuwenden. Israel hätte ankündigen sollen: Wir öffnen die Grenzen für alle humanitären Hilfsgüter, um so viel wie möglich durchzulassen. Das wäre korrekt gewesen. Die UNO ist an der Grenze bereit. Wir haben Verteilersysteme. Lasst uns rein.

taz: Israel behauptet, dass sich die Hamas die Hilfslieferungen schnappt, die ins Land kommen.

Fakhri: Israel hat keine Beweise für diese Behauptung vorgelegt. Alle UN-Organisationen, die in Gaza präsent sind, haben ebenfalls erklärt, es stimme nicht, dass humanitäre Hilfe an die Hamas umgeleitet wird. Aber letztlich ist das auch fast egal. Israel ist dafür verantwortlich, dass die Zivilbevölkerung im Gazastreifen humanitäre Hilfe erhält, da es dort die Besatzungsmacht ist. Dies wurde vom Internationalen Gerichtshof bestätigt. Sie sollen die UNO ihre Arbeit machen lassen. Das ist meine Antwort auf diese Frage.

taz: Was halten Sie von dem Vorschlag der USA und Israels, private Sicherheitsfirmen mit der Verteilung von Hilfsgütern in Gaza zu beauftragen?

Fakhri: Nach dem Plan sollen private Sicherheitsfirmen Verteilungszentren schützen. Das heißt, Zivilisten müssen in ein bestimmtes Gebiet kommen, um humanitäre Hilfe zu erhalten. Auf diese Weise werden sie jedoch vertrieben und in einem Gebiet konzentriert. Gleichzeitig hat Israel in der Vergangenheit immer wieder Zivilisten angegriffen, während sie humanitäre Hilfe erhielten. Das Kinderhilfswerk Unicef, das sich nie einer scharfen Sprache bedient, sagte, Israel mache damit Zivilisten zu Ködern.

taz: Warum schlägt Israel dieses Vorgehen vor?

Fakhri: Ich denke, es ist schwieriger, private Sicherheitsfirmen zur Verantwortung zu ziehen. Warum haben die Vereinigten Staaten eine private Stiftung in der Schweiz gegründet, um humanitäre Hilfe in Gaza zu finanzieren? Weil es damit an Transparenz mangelt.

taz: In einem Bericht schreiben Sie, dass Israel schon vor dem 7. Oktober Hunger als Kriegswaffe eingesetzt hat. Was meinen Sie damit?

Fakhri: Schon vor 25 Jahren hat Israel begonnen, den Personen- und Warenverkehr nach Gaza erheblich einzuschränken. 2006 zog Israel seine Truppen zurück und evakuierte die Siedler. Wie der Internationale Gerichtshof feststellte, blieb Israel dennoch weiterhin Besatzungsmacht, weil es jeden Aspekt des täglichen Lebens in Gaza kontrollierte. Im Jahr 2007 begann Israel mit der Zählung von Kalorien auf der Grundlage einer Pro-Kopf-Messung. Man wollte alle Menschen im Gaza­streifen hungrig halten – aber nicht so hungrig, dass eine humanitäre Krise drohte. Dies nannte Israel „Gaza-Diät“. Am 6. Oktober 2023 waren 50 Prozent der Menschen in Gaza hungrig und 80 Prozent auf humanitäre Hilfe angewiesen.

taz: Hatte Gaza kein Ernährungssystem?

Fakhri: Sie waren Selbstversorger mit Obst und Gemüse und hatten Vieh. Doch ab dem 9. Oktober 2023 begann Israel, das Nahrungsmittelsystem zu zerstören: Obstgärten, Gewächshäuser, Farmen und Fischerboote wurden in 19 Monaten vernichtet. Das macht es den Menschen jetzt und in Zukunft unmöglich, sich selbst zu ernähren.

taz: Hat Israel das Nahrungsmittelsystem gezielt zerstört?

Fakhri: Am 9. Oktober 2023 verhängte Israel eine vollständige Blockade und kündigte eine Hungerkampagne an. Dann ließ es wieder Hilfslieferungen zu, schränkte sie aber erheblich ein, was es nicht darf. Und wenn schließlich Konvois durchkamen, mussten sie sich mit der israelischen Armee abstimmen. Dennoch liegen uns mehr als 15 Berichte der Vereinten Nationen vor, wonach israelische Streitkräften gezielt und direkt humanitäre Konvois angegriffen haben. Es gibt kaum noch Krankenhäuser in Gaza, und Israel bombardiert weiterhin Schulen. Die übergeordnete Strategie besteht darin, Gaza zu annektieren. Und wir sehen verschiedene Taktiken. Es handelt sich also um eine Mischung aus Hungersnot und Vertreibung, und die Infrastruktur wird grundlegend zerstört. Es ist ein Genozid.

taz: Wie hängt das Aushungern als Methode mit der Absicht zusammen, den Gazastreifen zu besetzen?

Fakhri: Aushungern als Kriegswaffe hat den Zweck, Menschen zu vertreiben. Im Oktober 2023 kündigte Israel seine klare Absicht an, den nördlichen Gazastreifen ethnisch zu säubern und alle Menschen in den Süden zu drängen. Erst kürzlich hat Israel seinen Annexionsplan öffentlich angekündigt. Aber wir wussten bereits im September 2023, dass Israel die Absicht hatte, den Gazastreifen zu annektieren. In der UN-Generalversammlung hielt Premierminister Netanjahu eine Karte hoch von dem, was er Israel nannte. Auf dieser Karte war eine vollständige Annexion aller palästinensischen Gebiete eingezeichnet, also des Gazastreifens, des Westjordanlands und Ostjerusalems. Von Anfang an hat Israel den Hunger genutzt, um Menschen zu vertreiben, zu töten und zur Flucht zu bewegen.

taz: Der Gazastreifen ist nicht der einzige Ort, an dem Hunger als Kriegswaffe eingesetzt wird. Wie ist die Lage in Sudan?

Fakhri: Wenn Israels Hungerkampagne in Gaza die schnellste Hungersnot ist, die wir je gesehen haben, dann ist Sudan die größte Hungerkampagne, die es in der modernen Geschichte gibt. 24 Millionen Menschen leiden entweder an einer Hungersnot oder sind von einer Hungersnot bedroht.

taz: Woran liegt das?

Fakhri: In Sudan setzen beide Seiten des Bürgerkriegs den Hunger als Waffe ein, sowohl die sudanesischen Streitkräfte als auch die Rapid Support Forces, die RSF. Viele sagen, das sei kein Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen Zivilisten.

taz: Die UNO braucht die Erlaubnis der Weltgemeinschaft, um einzugreifen. Wie kann der Hunger in Sudan gestoppt werden?

Fakhri: Die Zivilgesellschaft in Sudan hat das Welternährungsprogramm dafür kritisiert, dass es keine alternativen Wege gefunden hat, um humanitäre Hilfe in die verschiedenen Teile Sudans zu bringen. Ich fordere den Sicherheitsrat auf, das Welternährungsprogramm und die UN-Organisationen in den Sudan zu entsenden, damit sie ihre Arbeit machen, und sie mit Friedenstruppen zu schützen. Es ist an der Zeit, zu erkennen: Je länger wir dies zulassen, desto mehr wird Hunger als Kriegswaffe eingesetzt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Soso, der Herr von der UNO hat also noch nie davon gehört, dass die Hamas sich die Hilfslieferungen unter den Nagel reißt.



    Vielleicht sollte er mal den Demonstranten zuhören, die unter Lebensgefahr gegen die Hamas protestieren, die sagen nämlich genau das! Und Menschen, die unter Lebensgefahr demonstrieren haben eine gewisse Glaubwürdigkeit...



    Aber wahrscheinlich hat Herr Fakhri auch von den Demonstrationen noch nix gehört.



    Natürlich ist es nicht in Ordnung, den Gaza Streifen von sämtlichen Hilfslieferungen abzuschneiden. Dass man die Hilfe an der Hamas vorbei organisieren will ist allerdings sinnvoll.

    • @Puck:

      Cindy McCain Direktorin des World Food Programms hat sich genauso geäußert. Falls sie die Dame nicht kennen, sie ist die Witwe des früheren Senators John McCain, Erzkonservative Republikaner und bestimmt kein Freund von Hamas. Und wie einige Publikationen mittlerweile angemerkt haben, hat Israel bisher keine Beweise vorgelegt, dass Hamas in großem Umfang Hilfsgüter gestohlen bzw. umgeleitet hat. Auch hab ich hier in Deutschland erst ein Interview mit jemandem von Ärzte ohne Grenzen gesehen, auch die sagten das ihre Hilfslieferungen dort angekommen sind wo sie hinsollten. Diese Organsisationen haben alle Systeme um das sicherzustellen, sind die 100% nein. Ich bin mir sicher, dass auch unsere Regierung dazu Auskunft einholen kann bei den Organisationen die von ihr unterstützt werden wieviel Hilfe tatsächlich verschwunden sein soll.

  • "Israel ist dafür verantwortlich, dass die Zivilbevölkerung im Gazastreifen humanitäre Hilfe erhält, da es dort die Besatzungsmacht ist. Dies wurde vom Internationalen Gerichtshof bestätigt."

    Das hat der IGH eben nicht festgestellt. Sondern dass ein Staat dort in fremden Gebiet Besatzungsmacht ist, wo er effektive Kontrolle ausüben kann; er hat explizit gesagt: wo dies nicht der Fall ist, kann er nicht als solcher betrachtet werden. Standpunkt des IGH ist, dass bei dem Rückzug aus Gaza nur in Teilbereichen Kontrolle behalten wurde, und damit auch Verantwortung für diese Teilbereiche verblieb – aber eben nur für diese, und nur in dem Verhältnis, wie tatsächliche Kontrolle ausgeübt werden kann.



    www.icj-cij.org/si...9-adv-01-00-en.pdf



    (Absätze 90-94)



    Vereinfacht: da Isr. über jene Gebiete wo die Hamas die Kontrolle und wo die Zivilbevölkerung ist selbst keine Kontrolle hat, welche es möglich machen würde selbst Hilfsgüter hinzuschicken und sie an Zivilisten zu verteilen, entfällt auch die entsprechende Verpflichtung.

    • @Socrates:

      Noch ein Beitrag zum Thema humanitäres Völkerrecht vom DRK vom Oktober 2023 als Israel schon mal eine vollständige Blockade von Hilfsgütern verhängt hat und Menschen zur Evakuierung aufgefordert hat: "Die Aufforderung der israelischen Behörden an die Zivilbevölkerung von Gaza-Stadt, ihre Häuser sofort zu verlassen, ist in Verbindung mit der vollständigen Belagerung, bei der den Menschen ausdrücklich Nahrung, Wasser und Strom verweigert werden, nicht mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar.



      Wenn Militärmächte die Zivilbevölkerung anweisen, ihre Häuser zu verlassen, müssen alle nur erdenklichen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung Zugang zu den Grundbedürfnissen wie Nahrung und Wasser hat und dass die Mitglieder einer Familie nicht getrennt werden.



      www.drk.de/presse/...ere-folgen-hervor/



      Für 80% des Gazastreifens gibt es Evakuierungsbefehle und bis letzte Woche eine Totalblockade, wobei das was jetzt reinkam im Grunde nichts ist.

      • @Momo Bar:

        Da räume ich ein, dass der DRK ein Stück recht gehabt haben könnte. Genau beurteilen kann ich es nicht, dazu müsste ich wissen, auf Grundlage welchen Artikels welchen Abkommens der DRK diese Aussage getroffen hat. Das ist wichtig, weil in Abkommen oft auch Umstände formuliert sind unter denen sie erst Geltung erhalten oder auch Ausnahmen.



        Eine Totalblockade wäre natürlich wirklich illegal, wenn sich die Hamas & Co GmbH NICHT an Hilfsgütern bereichern würde. Inwieweit dass im Oktober 2023 und davor der Fall war, weiß ich nicht. Es ist letztlich nicht die Isr. Regierung alleine die über Leben und Tod von 2 Millionen Menschen entscheidet, sondern auch die Hamas & Co GmbH und die Hilfsorganisationen. Sobald erstere garantieren, dass sie sich nicht an Hilfsgütern bereichert und letztere Beweisen können, dass nichts in falsche Hände gerät, entfällt das Isr. Recht, gemäß Art. 23 der IV Genfer Konvention die Hilfsgüter zu blockieren. Die Hilfsorganisationen beteuern ja, sie hätten End-zu-End Systeme die garantieren, dass nichts in falsche Hände gerät. Warum legen sie sie nicht offen? Dann wäre die Frage geklärt. Zeit genug hatten sie ja in 2 Monaten Blockade.

    • @Socrates:

      Sie haben diesen Beitrag schon mehrfach gepostet und Ihnen wurde ebenfalls mehrfach - auch von mir - erklärt, warum das eine groteske Fehlinterpretation des IGH-Gutachtens ist. Sie können das ja gerne noch einmal nachlesen. Jenseits solcher rechtlicher Fragen wundere ich mich immer wieder, was im Kopf von Floristen vorgeht, die das Aushungern von zwei Millionen Menschen für eine akzeptable Form der Kriegsführung halten und hier im Forum verteidigen.

      • @O.F.:

        Ich habe sie mehrfach gepostet, weil diese Darstellung - die ich für falsch halte - immer wieder verbreitet und damit die Öffentlichkeit Irre geführt wird.

        Ihre bisherigen Erklärungen waren halt nicht stichhaltig bzw. schlüssig.

        Bis zum heutigen Tage haben weder Sie, noch Andere stichhaltig darlegen können, warum Isr. in Gebieten als Besatzungsmacht gelten sollte, die von der Hamas kontrolliert sind. Weder Sie noch Andere können Schwarz zu Weiß erklären, und sie können nicht von Gebieten welche die Hamas kontrolliert behaupten, sie stünden unter israelischer Besatzung. Ihnen wurde ebenfalls mehrfach von mir erklärt, warum das eine groteske Fehlinterpretation des IGH-Gutachtens ist. Sie können das ja gerne noch einmal nachlesen.

        Was im Kopf von Floristen vorgeht weiß ich auch nicht. Bin mit keinen bekannt.

        2 mill. Auszuhungern ist i.d.R. keine akzeptable Form, aber unter einem Umstand hat Isr. lt. Art 23. IV Genfer Abkommen das Recht dazu, Hilfslieferungen zu blockieren: wenn die Güter zweckentfremdet werden. Sobald gewährleistet ist, dass dies nicht passiert, hat Isr. kein Recht mehr dazu. Es liegt also allein in nicht-israelischer Hand.

        • @Socrates:

          Nun sind meine Argumente im wesentlichen diejenigen des deutschen AA sowie so ziemlich aller Regierungen auf diesem Planeten - ich gehe davon aus, dass man dort über mehr rechtliche Expertise verfügt als in Leserforen. Aber gerne noch einmal zur Erinnerung: eine Besatzung kann auch durch Kontrolle von Aussen erfolgen, über den Status Gazas hat der IGH gar nicht geurteilt und die Einschränkung zu Hilfslieferungen erlauben keine Totalblockade, die in eine Hungersnot mündet. Was Sie schreiben ist juristisch Unsinn und zeigt von einer abscheulichen Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben der palästinensischen Zivilbevölkerung. Es ist nicht mehr 1904.

    • @Socrates:

      Sie können das hier immer wieder behaupten, aber so stimmt es einfach nicht. Erstmal hatte der ICJ als vorläufige Maßnahme den ungehinderten Zugang zu Hilfslieferungen gefordert, was sie permanent ausblenden. Und sie blenden aus, dass die Bevölkerung in Gaza überhaupt nicht die Möglichkeit hat an Hilfslieferungen zu gelangen, wenn Israel dies nicht erlaubt. Warum? Weil Israel nicht nur alle Grenzen kontrolliert, sondern auch den Luftraum und den Seeweg. Die israelische Regierung entscheidet quasi über Leben und Tod von 2 Millionen Menschen, was man jetzt bei der totalen Blockade von Hilfslieferungen gesehen hat- wenn das nicht die Kontrolle über jeden Aspekt menschlichen Lebens ist, dann weis ich auch nicht. Und die Tatsache, dass so ziemlich jeder Völkerrechtler und jede Regierung es so sieht wie Herr Fahkri sollte einem vielleicht mal zu denken geben.

      • @Momo Bar:

        Aus Platzmangel kann ich leider nicht auf alles antworten.



        Ich blende die IGH-Verfügung nicht aus, es ist nur eine ganz andere Frage.



        Der IGH hatte dies m.W. nicht damit begründet, dass Isr. dort Besatzungsmacht sei. M.W. hat der IGH nie gesagt Isr. sei vollständiger Besatzer des Gazastreifens, also ist es auch dafür verantwortlich dass alle genug Nahrungsmittel und med. Versorgung haben. Selbst für die Versorgung verantwortlich sein, und verpflichtet sein Güter durchzulassen; das sind zweierlei.



        Diese einstweiligen Verfügungen wurden unter den damaligen Umständen getroffen. Seitdem hat sich etwas geändert: mit der Einnahme des Philadelphi-Korridors ist für die Hamas & Co GmbH der letzte Nachschubweg abgeschnitten worden. Entsprechend mehrten sich die Nachrichten, dass sie sich an Hilfsgütern bereichern. Und der IGH hat seitdem nie erklärt, dass auch unter diesen Umständen Güter durchzulassen seien, dass irgendein Abkommen Abs. 23 IV Genfer Abkommen außer Kraft setzen würde, wonach Hilfsgüter nicht durchgelassen werden müssen, wenn sie zweckentfremdet werden. Ich weiß auch von keinem Völkerrechtler oder Regierung, die dies schlüssig dargelegt hätte. Vielleicht finden Sie einen.

    • @Socrates:

      92. Aus der vorstehenden Analyse geht hervor, dass das entscheidende Kriterium für die Feststellung, ob ein Gebiet



      nach dem Völkerrecht besetzt bleibt, nicht darin besteht, ob die Besatzungsmacht



      jederzeit ihre physische militärische Präsenz in dem Gebiet beibehält, sondern darin, ob ihre Autorität ausgeübt werden kann. Wenn eine Besatzungsmacht später ihre Präsenz teilweise oder ganz zurückzieht, kann sie dennoch Verpflichtungen nach dem Besatzungsrecht in dem Maße haben



      93. Auf der Grundlage der Informationen ist der Gerichtshof der Ansicht, dass I. weiterhin in der Lage war, bestimmte Schlüsselelemente seiner Autorität über Gaza auszuüben und diese auch weiterhin ausübte, einschl. der Kontrolle der Land-, See- und Luftgrenzen, der Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs, der Erhebung von



      Einfuhr- und Ausfuhrsteuern und der milit. Kontrolle über die Pufferzone, trotz des Rückzugs 2005. Dies gilt umso mehr seit dem 7.10.



      94. In Anbetracht dessen ist der GH der Ansicht, dass der Rückzug I. aus Gaza es nicht vollständig von seinen besatzungsrechtlichen Verpflichtungen entbunden hat. I. Verpfl. sind entsprechend dem Ausmaß seiner tatsächlichen Kontrolle über Gaza geblieben.

      • @Des247:

        Das Stelle ich alles nicht in Frage.

        Aber genau der letzte Teil ist der springende Punkt. Aus dieser ganzer Kontrolle über Grenzen, etc. lässt sich m. E. nicht herleiten, dass Isr. dafür verantwortlich sein soll, die Bevölkerung Gazas mit allem notwendigen zu versorgen.

        Nehmen wir an, wegen Russlands überfall auf die Ukraine hätten alle Länder der Welt eine vollständige Blockade gegen Russland verhängt: Luftverkehr wird eingestellt, Häfen blockiert, Grenzen geschlossen. Personen und Warenverkehr eingeschränkt. Würde dass alle Länder zur Besatzungsmacht Russlands machen, mit der Folge, dass sie nun verpflichtet sind die russische Bevölkerung mit allem zu versorgen? Ich halte das für absurd.

        Man kann nur dann dafür verantwortlich sein eine Bevölkerung mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern selbst zu versorgen, wenn man die tatsächliche Kontrolle über die Bevölkerung hat - und das Bedarf sehr wohl der Kontrolle des Geländes. Dort wo die Hamas ist, können keine Israelis hingehen und Güter verteilen, weil sie sofort getötet oder als Geisel genommen würden. Deshalb entfällt auch die Verpflichtung. Was gilt, ist Art. 23 IV Genfer Abkommen.

  • Ich kann mich nur wiederholen: es braucht ein robustes UN-Mandat die Nahrungsmittelversorgung durchzusetzen, sofort, um ein Verhungern Tausender zu verhindern. Den Beteuerungen der israelischen Regierung ist leider schon längst nicht trauen; die private Firma, die nun für die Verteilung von Hilfsgütern zuständig sein soll, in der Schweiz ansässig, nicht rechenschaftspflichtig, vorgeblich US-amerikanisch aber durch einen Vertrauten Netanjahus gegründet, wird es sicherlich nicht richten