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Solidarität in Zeiten von CoronaTüren auf, Europa!

Die Menschen in Deutschland sollten weniger auf ihren Balkonen klatschen und singen. Ihre Solidarität brauchen jetzt Geflüchtete an EU-Außengrenzen.

„Ode an die Freude“ am Sonntag in Frankfurt an der Oder Foto: Patrick Pleul/dpa

C orona-Tagebücher! Corona-Singen! Corona-Klatschen! Während die Menschen in Deutschland Klopapier hamstern, Homeoffice machen, Netflix schauen und endlich mal ihre Bücher nach Farbe sortieren, gehen die Konflikte im Nahen Osten weiter. Der Krieg in Syrien geht keine 14 Tage in Quarantäne. Die Gefängnisse in der Türkei platzen aus allen Nähten.

In Europa schmust man mit Diktatoren wie Erdoğan, aber macht schon seit forever Social Distancing zu Geflüchteten. Solidarität in Deutschland bedeutet, gemeinsam um 18 Uhr auf Balkonen zu klatschen und zu singen. An die Gemeinschaft wird appelliert, #wirschaffendas, und währenddessen schiebt Deutschland still und leise Geflüchtete nach Afghanistan ab.

Autoritäre Regime wie die Türkei nutzen das Coronavirus für ihre Zwecke. In den türkischen Nachrichten wurde lange behauptet, die Türkei sei Corona-frei, während umliegende Staaten bereits die ersten Infizierten vermeldeten. Im türkischen Fernsehen wurde debattiert, ob türkische Gene womöglich vor dem Coronavirus schützten oder ob Corona eine Erfindung einer zionistischen Terrororganisation sei, die gegen einige Länder als Biowaffe eingesetzt werden könne.

Während zahlreiche Länder der Welt versuchen, einen Impfstoff zu finden, Schutzbekleidung und Beatmungsgeräte aufzutreiben, ist die Türkei damit beschäftigt ihren Kurdenhass zu demonstrieren. Am Montag ersetzte die AKP-Regierung unter Erdoğan demokratisch gewählte Bürgermeister*innen der HDP im Osten des Landes durch AKP-Zwangsverwalter. Selbst in der Coronakrise bleibt die größte Angst der Türkei nach wie vor Kurden.

Solidarität

In Rojava soll es nur rund 150 Beatmungsgeräte für zwei Millionen Menschen geben. Es fehlt an Schutzkleidung. Die beiden einzigen Geräte, mit denen man auf das Coronavirus getestet werden kann, lagern in einem Krankenhaus, das sich – welch Überraschung – unter türkischer Besatzung befindet.

In der Autonomen Region Kurdistan im Irak ist die Lage weitaus besser. Ausgangssperre, Händewaschen und Aufklärung sind das Mittel der Stunde. Doch in den Flüchtlingscamps dort sieht die Lage anders aus. Wie weit ist Social Distancing möglich, wenn man zu Tausenden in Zelten hausen und sich Küchen, Toiletten und Waschräume teilen muss?

Katastrophal ist auch die Lage an den europäischen Außengrenzen. Wenn nicht sofort eine Evakuierung der Geflüchteten in die Wege geleitet wird, könnten wir es mit einem Massensterben lauter immungeschwächter Menschen zu tun haben.

Anstatt auf Balkonen zu singen und zu klatschen, sollte Europa seine Grenzen öffnen. Solidarität sollte nicht bei der alten Nachbarin im Erdgeschoss aufhören, sondern auch den Menschen gelten, die es am Nötigsten haben: den Geflüchteten. Davon sollte uns das Coronavirus auf gar keinen Fall ablenken. Europa, Türen auf!

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Ronya Othmann
Kolumnistin
Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Schreibt zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress
Cemile Sahin
Künstlerin
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Gestern, von Sea watch:



    "während die Corona-Krise Europa in Bann hält, geraten das Leid von Schutzsuchenden und die humanitäre Katastrophe an Europas Grenzen in den Hintergrund. Erst Anfang des Monats waren Geflüchtete auf den griechischen Inseln der Gewalt durch faschistische Mobs schutzlos ausgesetzt. Viele wurden verletzt, Zelte und solidarische Orte zerstört. Heute müssen sie ohne Rückzugsmöglichkeiten auf die Ausbreitung von COVID-19 warten. In Camps ausgelegt für einen Bruchteil ihrer tatsächlichen Bevölkerung leben derzeit über 42.000 Menschen ohne ausreichend Zugang zu Wasser, Seife und medizinischer Versorgung.



    Eine Ausbreitung von COVID-19 wird bei diesen Zuständen katastrophale Auswirkungen haben und viele Leben fordern. Notwendige Quarantäne- und Schutzmaßnahmen vor Corona müssen überall umgesetzt werden, um eine exponentielle Ausbreitung zu verhindern, auch in Flüchtlingslagern. Denn Corona macht nicht Halt vor Mauern und Grenzen. Die überfüllten griechischen Lager müssen umgehend evakuiert werden und medizinische Unterstützung bekommen. Wer jetzt nicht handelt, macht sich schuldig — wir dürfen niemanden zurücklassen!



    Wenn die EU-Kommission jetzt untätig bleibt, wird die dort bereits herrschende humanitäre Katastrophe viele weitere Menschenleben kosten. Wir fordern daher den Einsatz von ohnehin ungenutzten Kreuzfahrtschiffen zur Evakuierung der geflüchteten Menschen von den griechischen Inseln."



    Petition #LeaveNoOneBehind



    (schon über 200 000 Unterzeichner)



    www.change.org/p/l...-au%C3%9Fengrenzen

  • das ist eine unnötige Verknüpfung, beide Themen haben ihre Berechtigung.



    Ich hunger doch auch nicht zu Hause um Solidarität mit einer Hungersnot anderswo zu demonstrieren.



    Der Erfolg solcher Verknüpfung besteht lediglich, das Unentschiedene sich abwenden.

    • @nutzer:

      Von welchen beiden Themen ist denn hier die Rede?



      Es geht doch in dem Artikel eigentlich nur um eines: Solidarität. Und das diese nicht bei unseren Mitmenschen in Deutschland aufhört.



      Es wird nicht ausgeschlossen, dass wir solidarisch mit unseren Mitmenschen seien sollen, vielmehr wird hier daran erinnert, dass es Menschen gibt die durch Platz-, Medizin- und Versorgungsmängel in extremer Gefahr schweben.



      Zudem sollte man wirklich Bedenken haben zu den Sachen die im Schatten der Krise passieren. Abschiebungen und Asylverbote sind da sicherlich nur die Spitze des Eisbergs.



      ich verstehe den Artikel als Weckruf, sich in Zeiten von Corona nicht komplett sozial zu distanzieren (Stichwort "social distancing").



      Jetzt ist es umso wichtiger sozial zu sein!



      "Physical distancing" wäre da ein viel besserer Begriff gewesen.

      • @Harri Gebeine:

        Finde nicht, dass Solidarität bei unseren Mitmenschen in Deutschland aufhört: In verschiedenen Bundesländern werden Franzosen und Italiener die an s Corona erkrankt sind, behandelt (manchen imNetz in das schon zu viel). Soweit ich weiß, will die Bundesregierung noch immer Kinder aus den Lagern in Lesbos holen. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Unterstützung anderer hört aber natürlich da auf, wo man glaubt !!, dass man "nicht mehr machen können, weil die eigenen Kräfte nicht ausreichen.



        In den griechischen Flüchtlingslagern vegetieren einige 10 000 Menschen vor sich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Europa diese nun aufnehmen und - wie Sea Watch sagt - medizinische versorgen soll, angesichts der Überlastung des Krankenwesens und vor allem des Personals in Europa. ...

  • Ja, bitte!