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„Slavic Core“ auf Social MediaKulturelle Unterschiede wegtanzen

Kommentar von Mariya Abramova

Der Trend Slavic Core übergeht die Diversität Osteuropas. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kann er gravierende Folgen haben.

Der Trend suggeriert das Bild einer Frau, der es hauptsächlich um Materielles geht, also um teuren Pelz und Goldschmuck Foto: Oscar Wettersten/plainpicture

A uffällige Fellmützen, dicke Pelzmäntel und dekadenten Goldschmuck tragen Frauen in den Videos, die in letzter Zeit unter dem Hashtag ­Slavic Core auf Tiktok und Instagram viral gingen. Unterlegt mit dem russischen Song „Moy marmeladniy“ aus dem Jahr 2003 von Katya Lel tanzten auch deutsche Promis in solchen Videos. Palina Rojinski schrieb in ihrer Caption dazu, dass der Song auf jeder Feier laufe. Der Contentcreator Richard Cwiertnia, der für seine satirische „­Ostblock-Vater“-Darstellung bekannt ist, kommentierte: „russische Musik ­vibet einfach wie keine andere“.

In den restlichen Kommentaren war viel Kritik dieses Trends zu lesen, viel Solidarität mit der Ukraine, aber auch, dass das Video toll sei und nicht alles politisiert werden solle. Andere Influencer, die auf den ersten Blick keine Verbindung zu Russland haben, nutzten diesen Song, die Fellmützen und Pelzmäntel mit leicht ironischen Bewegungen für Reichweite und Likes.

Slavic Core oder Slavic Era gab es aber schon vor diesem Trend. Insgesamt beschreibt der Begriff einen Darstellungsstil, der sich auf die Ästhetik der slawischen Kultur konzentriert. Dabei greift er allerdings immer wieder veraltete, oberflächliche Klischees auf. Osteuropäische Frauen werden objektifiziert und auf ihr Äußeres reduziert. Es wirkt fast wie eine Karikatur und suggeriert das Bild einer Frau, der es hauptsächlich um Materielles geht, also um teuren Pelz und Goldschmuck.

Aus feministischer Sicht besteht das Pro­blem nicht darin, diese Sachen zu tragen oder gut zu finden, sondern aufgrund seiner Herkunft automatisch damit und mit den dazugehörigen Eigenschaften in Verbindung gebracht zu werden. Denn während Karikaturen Ironie transportieren wollen, sind in diesen Videos Klischees gleichgesetzt mit Identifikationsmerkmalen der slawischen Kultur, die diverser ist, als dieser Trend suggeriert.

Verharmlosung und Romantisierung

Dabei erinnern die modischen Elemente an die Anfänge der 90er Jahre. Eine Zeit, in der die Sowjetunion auseinanderfiel und immer mehr Länder ihre Unabhängigkeit erlangten. Eine Entwicklung, die das heutige Russland nicht als legitim ansieht. Durch diesen Trend entsteht eine Nostalgie gegenüber Altem, dem, was war und was wieder sein könnte, wenn man Putin nur machen ließe. Das schreckliche Ausmaß einer solchen Fantasie sieht man in den Bombenangriffen Russlands auf die Ukraine.

Der Trend und der Begriff Slavic Core setzt dabei alle Staaten Osteuropas gleich. Es gibt zwar gewisse Ähnlichkeiten, beispielsweise gehören die unterschiedlichen Landessprachen zum Großteil einer Sprachfamilie an, und auch die Vergangenheit im Kommunismus kann Spuren beispielsweise in der Architektur hinterlassen haben. Es ist aber absolut fatal, allein Polen und Belarus gleichzusetzen, geschweige denn Russland und die Ukraine. Dabei unterscheiden sich die Länder des ehemaligen Ostblocks politisch, sprachlich, kulturell, gesellschaftlich und wirtschaftlich deutlich voneinander.

Das Gleichsetzen lässt es dagegen logisch erscheinen, dass Länder mit gleicher oder ähnlicher Vergangenheit auch heute durch sie verbunden seien. Gemeint ist die Sowjetunion, die zahlreiche osteuropäische Länder im Kommunismus unter die Hegemonialmacht Russlands stellte. Oder kolonialisierte. Russlands Rolle als „großer Bruder“ wird so wieder salonfähig. Oder dass es territoriale Ansprüche auf unabhängige Staaten hätte.

Die unterschiedlichen Realitäten werden bei Slavic Core einer Ästhetik zugeordnet, die dem russischen Selbstbild am stärksten entspricht. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine kämpft die Ukraine dagegen, Russland zu sein und mit diesem Land gleichgesetzt zu werden. Sie kämpft dagegen, territorial, politisch, kulturell und sprachlich je wieder von diesem Land unterdrückt zu werden. Denn genau das war in der Sowjetunion der Fall.

Trends haben zwar den Vorteil, dass sie kurzweilig und temporär sind. Unreflektiert bei scheinbar harmlosen Trends mitzutanzen kann trotzdem gravierende Folgen haben. Der Trend Slavic Core verharmlost und romantisiert Russland, wertet es auf, stellt es als locker und spaßig dar. Auch wenn nicht alle, die zu diesem Trend getanzt und die Videos gelikt und geteilt haben, automatisch den Krieg oder Russland gutheißen, sondern sich wahrscheinlich wirklich von der Leichtigkeit der Beats angesprochen gefühlt haben, zeigt dieses Beispiel doch, dass Trends mit Vorsicht zu genießen sind.

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