Sklaverei in Nordkorea: Zwangsarbeit für „Made in China“
Eine südkoreanische Menschenrechts-NGO erhebt schwere Vorwürfe: Chinesische Firmen lassen Perücken für den Export in nordkoreanischen Gefängnissen produzieren.
Wie eine neue Studie der NGO „Citizens´ Alliance for North Korean Human Rights“ (NKHR) dokumentiert, werden die Gefangenen im „Kyohwaso Nummer 12“ systematisch ausgebeutet, um Textilprodukte für chinesische Firmen herzustellen – Produkte, die potenziell auch nach Europa exportiert werden können. Und damit auch die Kassen des Regimes von Kim Jong Un füllen.
„Wir wollen die weit verbreitete Praxis der Sklaverei in nordkoreanischen Gefangenenlagern aufzeigen. Eine Praxis, die von Nordkorea und China gemeinsam gefördert wird“, sagt die Autorin der Studie, Joanna Hosaniak. Die in Polen gebürtige Aktivistin arbeitet bereits seit mehreren Jahrzehnten als Menschenrechtsaktivistin in Seoul.
Millionengeschäft für Nordkorea
Hosaniak und ihre Kollegen von NKHR haben für ihren Bericht über 25 Kernzeugen interviewt; darunter ehemalige Insassen aus dem Gefangenenlager, aber auch Staatsanwälte, Sicherheits- und Zollbeamte. Sie alle sind vor Jahren bereits aus ihrem Heimatland geflohen und leben wie über 30.000 weitere nordkoreanische Flüchtlinge mittlerweile in Südkorea. Ihre Aussagen lassen sich zwar nicht unabhängig überprüfen, doch mit akribischer Recherche einordnen – etwa durch Satellitenaufnahmen von Arbeitslagern oder Zolldaten der chinesischen Lokalregierung.
So liefern chinesische Betriebe Rohmaterialien an die nordkoreanische Sonderwirtschaftszone Rason, welche sich im Dreiländereck mit Russland befindet. Von dort gelangen die Materialien in die Gefängnisse zur Weiterverarbeitung. Die Insassen nähen dann Sportartikel zusammen, Hosen und einfache Jacken. Vor allem aber fertigen sie Perücken und falsche Wimpern – Produkte, die noch im Vorjahr knapp 60 (!) Prozent aller nordkoreanischen Exporte nach China ausgemacht haben. Ein Millionengeschäft fürs Regime.
Lagertote werden in der Nähe verbrannt
Die ehemaligen Insassen hingegen schildern menschenunwürdige Arbeitsbedingungen: Schichten bis zu 20 Stunden, körperliche Misshandlungen durch die Wärter und sogar Vergewaltigungen. Wer die vorgegebenen Produktionsquoten nicht erfüllt habe, dem seien zudem die Nahrungsmittelrationen gekürzt worden.
Wie viele der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem „Kyohwaso Nummer 12“ einen frühzeitigen Tod starben, ist nicht bekannt. Sehr wohl jedoch erzählten die Insassen übereinstimmend, dass die Leichen der Lagertoten an einem nahegelegenen Berghang verbrannt wurden, ohne dass ihre Familien davon in Kenntnis gesetzt wurden.
„Einige Zeugen sagten uns, dass der Anblick des Rauchs von diesem Berg der stärkste Grund für sie war, unbedingt überleben zu wollen, um außerhalb des Lagers zu sterben“, sagt Aktivistin Hosaniak.
Textilien „Made in China“
Solch grauenvolle Menschenrechtsverbrechen scheinen aus europäischer Sicht weit entfernt, doch im Zeitalter globaler Lieferketten ist dies ein Trugschluss. Viele der Textilien können ganz legal von den chinesischen Firmen als „Made in China“ angepriesen werden, da sich ihre Produkte nie länger als ein halbes Jahr in Nordkorea befunden haben.
Rechtlich gesehen haben die Konzerne also nur einige Arbeitsschritte „ausgelagert“. So ist es schlussendlich für westliche Firmen nahezu unmöglich zu überprüfen, ob an ihren Waren nicht möglicherweise auch nordkoreanische Zwangsarbeiter beteiligt waren.
Diese Praxis ist durchaus bekannt und hinreichend dokumentiert. Bereits 2017, als innerhalb Chinas die Möglichkeiten für unabhängige Berichterstattung noch größer waren, gelang es der Nachrichtenagentur Reuters, in der Grenzstadt Dandong mit chinesisch-koreanischen Geschäftsleuten zu sprechen.
„Wir nehmen Bestellungen aus der ganzen Welt entgegen“, sagte ein Händler gegenüber Reuters. „Wir fragen die chinesischen Lieferanten, die mit uns zusammenarbeiten, ob sie vorhaben, ihren Kunden gegenüber offen zu sein – manchmal weiß der Endabnehmer nicht, dass die Kleidung in Nordkorea hergestellt wird. Das ist extrem heikel“.
Nordkorea-Flüchtlinge in chinesischen Abschiebeknästen
Vor diesem Hintergrund wirkt die Abschiebepolitik der chinesischen Regierung besonders inhuman. Nordkoreaner, die – ganz gleich, aus welchen Motiven – die Grenze zur Volksrepublik überquert haben, gelten automatisch als illegale Einwanderer. Drückten die Behörden früher oftmals ein Auge zu, greifen sie längst wieder rigider durch. Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Nordkorea, Elizabeth Salmon, schätzte gegen Ende der Corona-Pandemie, dass bis zu 2.000 nordkoreanische Flüchtlinge in chinesischer Haft festsitzen würden.
Eines dieser Abschiebegefängnisse befindet sich nahe Tumen, einem verschlafenen Grenzort im Nordosten Chinas. Wer als Journalist die Anlage besichtigen möchte, wird allerdings bereits von Weitem von der Sicherheitspolizei abgewiesen – und im gesamten Grenzgebiet auf Schritt und Tritt verfolgt.
Im Oktober letzten Jahres ist es laut südkoreanischen Menschenrechtsorganisationen zur letzten großen Abschiebewelle gekommen: 600 Nordkoreaner sollen damals in ihre Heimat deportiert worden sein. Einige von ihnen sind mutmaßlich auch im „Kyohwaso Nummer 12“ gelandet.
Die nordkoreanische Führung muss derzeit nicht fürchten, führ ihre Machenschaften zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und auch die Überlebenden der Lager können kaum auf Gerechtigkeit hoffen. „Einige der Zeugen wollten, dass wir ihre Antworten auf Video aufzeichnen“, sagt Aktivistin Joanna Hosaniak von NKHR: „Weil sie Angst davor haben, den Tag, an dem ihr Fall vor Gericht verhandelt wird, nicht mehr zu erleben“.
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