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Sklaverei in Diplomaten-HaushaltPeiniger kommt mit Geldstrafe davon

Was zählt mehr: Menschenrechte oder diplomatische Immunität? Ein Prozess über die Ausbeutung einer Hausangestellten endet mit einem Vergleich.

Schrubben bis zum Umfallen: Der Sklaventreiber kommt nicht in den Knast. Bild: ilele / photocase

BERLIN taz | Es ging um faktische Sklaverei im Berliner Haushalt eines Diplomaten. Und diplomatisch ging auch der Prozess zu Ende, an den eine junge Indonesierin und Menschenrechtsorganisationen so hohe Erwartungen geknüpft hatten.

Mit dem Fall von Dewi Ratnasari (Name geändert) wollten sie bis zum Verfassungsgericht ziehen und dort eine Antwort auf die Frage bekommen, ob die diplomatische Immunität schwerer wiegt als Menschenrechtsverletzungen. Am Dienstag endete der Fall mit einem Vergleich vorm Berliner Arbeitsgericht. „Wir wollten viel mehr erreichen, aber jetzt ging es nur ums Geld“, sagte Anwalt Klaus Bertelsmann.

2010 war Ratnasari aus dem Haushalt eines saudischen Diplomaten geflüchtet. Der Diplomat und seine Familie habe sie ausgebeutet und misshandelt, berichtete die damals 30-Jährige. Für bis zu 18 Stunden Arbeit jeden Tag habe sie keinen Pfennig Lohn erhalten.

Im angestrebten Musterprozess wiesen die ersten Instanzen die Klage mit Hinweis auf die Immunität des Diplomaten ab. Nachdem das Königreich Saudi-Arabien seinem Entsandten den Diplomatenstatus entzogen hatte und damit den Gang bis zum Verfassungsgericht verhinderte, war nun doch das Berliner Arbeitsgericht zuständig. Dem vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich über 35.000 Euro Zahlung an Dewi Ratnasari stimmten beide Parteien zu.

Es bleibt eine Entscheidung mit Beigeschmack. Für den Einzelfall sei das zwar ein guter Ausgang, sagt Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Angesichts der Ressourcen, die das Verfahren in den vergangenen drei Jahren verschlungen habe, ließe sich dies aber nicht auf andere Fälle übertragen. Die rechtliche Situation der Hausangestellten bleibe ungeklärt. Alle Hoffnung ruht nun auf einer Verfassungsbeschwerde.

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9 Kommentare

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  • H
    Harald

    Saudi Arabiens Mitgliedschaft im UN Menschenrechtsrat läuft gerade turnusmäßig aus. Indonesien, Kongo, Kuweit und Burkina Faso scheiden erst im kommenden Jahr aus.

     

    Für die islamischen Staaten gilt als Grundlage der Bewertung von Menschenrechten die "Kairoer Erklärung".

     

    Insofern ist es nicht korrekt, im vorliegenden Fall von einem "Peiniger" zu sprechen, da hier nur wieder der imperialistische Anspruch des Westens über die Angelegenheiten der islamischen Staaten und der Muslime transportiert wird. Siehe Alltagsrassismus in deutschen Behörden.

     

    Wenn es die taz ernst meint im Kampf gegen rechts, sollte diese Form der provokanten und überheblichen Berichterstattung der Vergangenheit angehören.

     

    Wie 'Aus Haching' ganz richtig feststellt, könnten westliche Botschaftsangehörige in Staaten der Kairoer Erklärung sonst ebenso den landestypischen Praktiken anheim gestellt werden.

     

    Wir sind aufgefordert, uns eine Scheibe von der Toleranz der Kairoer Erklärung abzuschneiden, bzw. die auch als verbindliche Errungenschaft endlich auch in Europa zur offiziellen Anwendung bringen. Als wahres Signal einer gelebten Willkommenskultur.

  • FA
    Für alle Amateurjuristen

    Sei es nochmals erläutert:

    Das internationale Recht und damit die diplomatische Immunität steht über nationalem Recht und damit der Verfassung.

    Das wird Indien auch bald merken.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    was die politisch korrekten Arbeitslosen zu sagen haben, haben wir ja jetzt von Ihnen gehört, Herr Säger. Danke!

  • F
    Fisch

    Bitte, bitte, liebe taz,

     

    lasst Eure Artikelüberschriften endlich nicht mehr von völlig unfähigen und/oder überforderten Praktikanten schreiben. Selbst gute Artikel werden durch falsche, missverständliche oder unzutreffende Überschriften entwertet. Oder soll ich Euch etwa Bild-Praktiken unterstellen, bei denen reißerische Überschriften zum Lesen des Artikels anregen sollen?

     

    Der Diplomat hat keine Geldstrafe zahlen müssen. Das wäre bei einem Arbeitsgerichtsprozess auch völlig ausgeschlossen. Er hat durch den Vergleich schlichtweg (teilweise) den Lohn nachzahlen müssen. Nicht mehr und nicht weniger.

  • AH
    Aus Haching

    Die diplomatische Immunität sollte man nicht so leicht abtun. Immerhin sind deutsche Botschaften auch in Ländern, in denen andere Gesetze gelten.

     

    Fände es jemand richtig, wenn unser Außenminister bei einem Besuch in Saudi-Arabien wegen seiner sexuellen Neigungen inhaftiert würde? Oder wenn eine unverheiratete Botschaftsangehörige für Geschlechtsverkehr ausgepeitscht würde?

     

    Es ist allemal besser, mit Staaten zu reden, deren Wertesystem man nicht teilt, als in schweigender Konfrontation zu verharren. Und wenn reden will, kann man nicht immer den eigenen Standpunkt durchsetzen.

     

    Meiner Kenntnis nach gibt es für die Botschaften und Konsulate in Deutschland eine (rechtlich nicht bindende) Absprache in der diplomatischen Gemeinschaft, welche Arbeitsbedingungen gelten sollen. Viel mehr kann man wohl nicht tun.

  • AS
    Andreas Säger

    Wozu noch eine Kommentarspalte bei so einem Thema? Was die politically inkorrekten Arbeitslosen so zu melden haben ist doch bereits hinlänglich bekannt.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Saudi-Arabien hat die Sklaverei erst 1963 abgeschafft. Die Prostitution auch von Kindern ist im Islam immer noch legal und wird als "Zeitehe" verbrämt.

     

    Aber das ist natrülcih kein Problem, sondern kulturelle Eigenheiten welche wir gerne tol(l)erieren.

     

    Wir wollen ja schließlich Verständnis haben und keinen Kulturrelativismus betreiben.

  • V
    vic

    Niemand sollte Immunität vor dem Gesetz genießen. Auch so ein ein Relikt, das abgeschafft werden muss.

  • P
    Papst-Papst

    Saudi-Arabien gehört zu den menschenrechtsfeindlichsten Staaten dieser Erde. Zugleich wird die dort regierende Königsfamilie von den USA und der BRD militärisch ud politisch gehätschelt, als seien es "lupenreine Demokraten", die das Land in der arabischen Wüste regieren. Erdöl, nichts als Erdöl ist der Grund.