Skinheads im Dönerladen: Das sich selbst lösende Problem
Unterwegs in Sachsen traf ich zwei Nazis im Dönerladen. Fast hätte ich ihnen ein Bier über die Glatze geschüttet. Aber dann kam alles anders.
E minanim und ich fahren durch Sachsen und sehen, dass die Rechtsradikalen mit ihren riesigen Kampfhunden hier genauso im Straßenbild verankert sind wie im Westen die Omas mit ihren kleinen Rauhaardackeln.
„Eminanim, eigentlich sollten wir wegen der vielen Rassisten die ostdeutschen Produkte boykottieren – so wie damals die südafrikanischen“, schlage ich vor.
„Was willst du boykottieren? Was wird denn hier überhaupt produziert?“, fragt sie.
„Döner!“, stelle ich völlig überrascht fest und trete sofort auf die Bremse. Der türkische Imbiss 'Antalya-Express’ erscheint mir wie ein kühler Gebirgsbach in der heißen Wüste.
An den Tischen sitzen ausschließlich mampfende Deutsche. Sogar zwei Skinheads!
„Was darf ich für Sie tun?“, fragt der türkische Kellner freundlich auf Deutsch.
„Tun Sie lieber was für sich selbst und laufen Sie schnell weg! Oder sind Sie lebensmüde?“, sagt meine Frau auf Türkisch.
„Geschäftsrisiko“, sagt der Mann gelassen und erzählt uns, dass die Skinhaeds tagsüber regelmäßig bei ihm Döner essen und nachts genauso regelmäßig die Scheiben von seinem Laden kaputtschlagen.
„Und Sie geben denen trotzdem was zu essen?“, frage ich verblüfft.
„Das dürfen Sie nicht so eng sehen, das sind halt Nazis! Die müssen ab und zu einen ausländischen Laden überfallen und Fremde verprügeln. Das ist genetisch bedingt, das ist ihr Job. Aber meine Skins brauchen wieder Bier, ich muss hin“, lacht er.
„Ich würde an Ihrer Stelle das Bier einfach über deren Glatzen kippen“, rufe ich ihm nach.
„Osman, gib hier nicht so an“, zischt Eminanim.
„Wieso? Wenn sie jede Nacht seine Scheiben einschlagen.“
„Ich muss mir mal schnell die Nase pudern“, antwortet sie und verschwindet.
Kaum ist sie weg, werden die Skinheads plötzlich laut. Sie beschimpfen sich gegenseitig, obwohl es zurzeit hier keinen Mangel an Ausländern gibt.
Einer von ihnen schnappt sich das große Bierglas, das er gerade bekommen hat, und schüttet es dem anderen über den kahlen Kopf. Der Begossene springt wütend hoch und schüttet sein Glas dem andern ins Gesicht. Danach rennen sie wutschnaubend weg.
Der Kellner wechselt sofort die nasse Tischdecke und stellt dabei die beiden leeren Biergläser bei mir auf den Tisch.
In diesem Moment kommt Eminanim zurück und schaut ängstlich die beiden Skins an, die mit hochrotem Kopf biertriefend verschwinden.
Und dann sieht sie die beiden leeren Biergläser vor mir stehen.
„Du? Du? Du hast es tatsächlich getan?“, stammelt sie mit großen Augen.
„Ein Gentleman genießt und schweigt“, grinse ich cool und füge hinzu, „die beiden Biere gehen selbstverständlich auf mich!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste