Skandal um HSBC: „SwissLeaks“ empört die Politik
Nach den Recherchen zur HSBC drohen den Betroffenen Ermittlungen und Strafverfahren. Ein früherer Mitarbeiter der Bank fordert mehr Schutz für Whistleblower.
BRÜSSEL/GENF/MÜNCHEN afp/rtr | Die britische Großbank HSBC gerät wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung international unter Druck. Belgien drohte am Montag mit einem Haftbefehl gegen führende Manager der Schweizer HSBC-Tochter, und der Ausschuss für Öffentliche Finanzen im britischen Parlament kündigte umgehende Ermittlungen an. Die Süddeutsche Zeitung zitierte Vizekanzler Sigmar Gabriel mit den Worten, auch in Deutschland müsse es Untersuchungen geben und Vergehen „mit aller Härte bestraft“ werden.
Recherchen des internationalen Journalisten-Zusammenschlusses ICIJ zufolge soll die HSBC in der Schweiz Wohlhabenden weltweit bei Steuerhinterziehung oder Geldwäsche geholfen haben – darunter Schauspielern, Sportlern, und Musikern, aber auch Industriellen, Waffenhändlern und Diktatoren.
Die ICIJ-Journalisten hat eigenen Angaben zufolge einen als „SwissLeaks“ bekannten Datensatz aus den Jahren 2006 und 2007 intensiv ausgewertet, der mehr als 100.000 Kunden mit einem Einlage-Vermögen von rund 100 Milliarden Dollar umfasst haben soll. Die Daten hatte sich der HSBC zufolge ihr einstiger Mitarbeiter Herve Falciani beschafft. Falciani hatte der Nachrichtenagentur Reuters jüngst gesagt, er habe damit Regierungen helfen wollen, gegen Bürger vorzugehen, die Schweizer Konten zur Steuerhinterziehung nutzten.
Falciani hat mehr Schutz für Hinweisgeber wie ihn gefordert. Wer wirklich etwas gegen Straflosigkeit tun wolle, müsse auch die „dafür nötigen Mittel“ für Informanten bereitstellen, sagte Falciani am Montag im Schweizer Rundfunk. Die sogenannten Whistleblower müssten mehr unterstützt werden, forderte Falciani. Dabei gehe es um nicht nur um Personenschutz, sondern auch um „professionelle und rechtliche“ sowie finanzielle Hilfe, sagte Falciani dem Sender RTS.
„Schockierende Enthüllungen“
Der französische Finanzminister Michel Sapin sagte Reuters TV am Montag in Istanbul, es gebe in seinem Land Ermittlungen in der Sache und weitere würden wohl folgen. Eine Justiz-Sprecherin in Belgien erklärte, die Bank gebe die von den Behörden verlangten Informationen nicht freiwillig heraus. Der zuständige Richter erwäge deshalb einen Haftbefehl gegen Direktoren der Bank in Belgien und der Schweiz. Die Vorsitzende des britischen Ausschusses für Öffentliche Finanzen kündigte an, von der HSBC nach den „schockierenden Enthüllungen“ Antworten zu fordern.
Die SZ berichtete vorab aus ihrer Dienstag-Ausgabe, in den SwissLeaks-Dokumenten befänden sich auch 2106 Personen mit Bezug zu Deutschland. Das durchschnittliche Vermögen pro deutschem Kunden habe bei rund 1,5 Millionen Euro gelegen. Den deutschen Steuerbehörden liege bislang lediglich eine Liste mit 1136 Namen vor.
Der Zeitung zufolge liegen die HSBC-Daten inzwischen den Behörden von mindestens zwölf Ländern vor, die dadurch bereits mehr als eine Milliarde Euro durch Steuern und Strafen hätten zurückholen können.
Die HSBC hatte bereits am Sonntag erklärt, es habe in der Vergangenheit Fehler bei der Aufsicht und der Durchsetzung von Regeln und Vorschriften bei der Schweizer Tochter gegeben. Sie sei nach der Übernahme 1999 nicht vollständig integriert gewesen, deshalb habe es dort deutlich niedrigere Standards gegeben. Inzwischen sei die Bank aber radikal umgebaut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben