Skandal um Dax-Konzern Wirecard: Ohrfeigen für deutsche Aufsicht

Die EU-Kommission schaltet im Fall Wirecard europäische Kontrolleure ein. Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigt eine Reform der deutschen Finanzaufsicht an.

Faden wird von einer Hand aus einem Blatt gehoben

ein Fall für eine bessere Aufsicht: Wirecard Foto: Thomas Jackson/getty images

BRÜSSEl reuters | Nach dem Zusammenbruch des Zahlungsanbieters Wirecard geht es nun den Aufsichtsbehörden an den Kragen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA soll nach dem Willen der EU-Kommission klären, ob die deutsche Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle über Wirecard versagt hat, wie Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Freitag ankündigte.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte eine Reform der Aufsicht in Deutschland in Aussicht. An der Börse wollten Anleger nur noch raus aus denWirecard-Aktien – sie rauschten um weitere 34 Prozent in die Tiefe. Weil die Titel noch immer im Leitindex Dax gelistet sind, können unter anderem einige Anbieter von Indexfonds (ETFs) nicht aussteigen.

„Wir müssen klären, was schief gelaufen ist,“ sagte Dombrovskis in einem Interview mit der „Financial Times“. „Wir werden die ESMA bitten, zu prüfen, ob es aufsichtsrechtliche Versäumnisse gegeben hat, und wenn ja, eine mögliche Vorgehensweise festlegen.“ Bis Mitte Juli erwarte er eine Antwort von der ESMA. Dombrovskis könnte die Ergebnisse der Analyse nutzen, um eine formelle Untersuchung einzuleiten und die BaFin verpflichten, der ESMA Informationen zur Verfügung zu stellen. Wenn ein Verstoß festgestellt wird, könnte die BaFin von Brüssel angewiesen werden, ihre Praktiken zu ändern – eine höchst peinliche Situation für eine nationale Aufsichtsbehörde.

Scholz kündigte an, die Strukturen bei der Finanzaufsicht BaFin zu durchleuchten, um mögliche Fehler zu finden. Die aktuelle Arbeitsweise müsse überdacht werden. „Die BaFin muss künftig in der Lage sein, Sonderprüfungen möglichst kurzfristig, schnell und effizient durchführen zu können“, sagte der SPD-Politiker. Wirecard sei ein Skandal, der seinesgleichen suche. Das müsse ein Weckruf sein. Kritische Fragen seien jetzt an das Wirecard-Management, aber auch die Wirtschaftsprüfer zu richten. BaFin-Chef Felix Hufeld soll am Mittwoch im Finanzausschuss Rede und Antwort stehen.

Wirecard hat am Donnerstag Insolvenz angemeldet, weil in der Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen und die Überschuldung droht. Es ist eine der größten Pleiten der Bundesrepublik, die das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland erschüttert. Erstmals in der mehr als 30-jährigen Geschichte des Dax kollabiert ein Mitglied des deutschen Leitindex. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY,) die die Zahlen des Finanzdienstleisters aus dem Münchener Vorort Aschheim seit Jahren testiert hatten, sprachen von einem ausgeklügelten, weltumspannenden Betrugssystem.

Strafanzeige gegen Wirtschaftsprüfer

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) stellte wegen der Vorgänge rund um Wirecard Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer von EY, wie die Aktionärsvereinigung am Freitag mitteilte. Ferner habe die SdK große Zweifel, dass EY als Abschlussprüfer geeignet sei. Die Aktionärsvereinigung werde daher zunächst für die von der SdK vertretenen Investoren auf zukünftigen Hauptversammlungen gegen eine Bestellung von EY zum Abschlussprüfer und/oder Konzernabschlussprüfer stimmen. EY war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Mitarbeter von EY hatte mehr als ein Jahrzehnt lang die Zahlen von Wirecard geprüft und die Bilanzen testiert. Erst bei der Prüfung der 2019er-Bilanz bemerkten die Prüfer, dass Bankbestätigungen zu Treuhandkonten auf den Philippinen gefälscht waren. Auf den Konten sollten 1,9 Milliarden Euro liegen – ein Viertel der Bilanzsumme. Am Donnerstag musste Wirecard dann Insolvenz anmelden. Die Wirtschaftsprüfer von EY sprachen von einem ausgeklügelten, weltumspannenden Betrugssystem, mit dem sie und Anleger hinters Licht geführt worden seien

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