Skandal im Museum: Nackter König, nackte Aktivistin
Das MACBA in Barcelona sucht einen neuen Museumsdirektor. Grund: Ein erwartbarer Skandal um eine Skulptur, gefolgt von Kündigungen.
Da wussten sich drei Leute richtig an die Rampe zu spielen. Die österreichische Künstlerin Ines Doujak und Paul B. Preciado, auch bekannt als die Wissenschaftlerin Beatriz Preciado, nun zusammen mit Valentín Roma Kurator der Ausstellung „Die Bestie und der Souverän“ im Museu d’Art Contemporani de Barcelona, kurz MACBA. Mit „Not Dressed for Conquering“ stellten sie eine Skulptur ins Haus, die es vordergründig in sich hat.
Es kauert da nämlich auf rostigen Stahlhelmen ein nackter, dem früheren spanischen König Juan Carlos I. sehr ähnlich sehender Mann. Und diesen nackten König bedrängt von hinten eine ebenfalls nackte, als bolivianische Aktivistin kenntlich gemachte Frau, die ihrerseits von einem nicht besonders nackten Schäferhund bestiegen wird.
Es ist schwer, sich einen Reim auf dieses seltsame Sittengemälde zu machen. So schändlich ist es ja nun nicht, eine bolivianische Aktivistin zu sein, dass man gleich als sexuell übergriffige Megäre dargestellt werden müsste. Und weil das Klischee vom pervertierten Schäferhund auch nicht weiterführt, kommt es schnell zum Kurzschluss. Dann scheint des Rätsels Lösung simple Majestätsbeleidigung – dieses Delikt gibt es in Spanien – und der erwartbare Skandal zu sein.
Dem nun wollte MACBA-Direktor Bartomeu Marí unglücklicherweise vorgreifen. Er bestand auf der Entfernung der von ihm als „unangemessen“ bezeichneten Skulptur. Als die Kuratoren sich seiner Anordnung widersetzten, sagte er die Schau am Tag ihrer Eröffnung gleich ganz ab. Damit war er da – der Skandal. Und der Vorwurf der Zensur. Iris Dressler und Hans D. Christ vom Württembergischen Kunstverein Stuttgart, wo „Die Bestie und der Souverän“ nach Barcelona gezeigt werden wird, teilten mit, die Bedeutung von Kunstwerken sei eine Frage der Interpretation und könne nicht im Vorfeld festgelegt werden. Im Nachhinein, dieser Logik entsprechend, aber doch?
Luzider argumentierte Paul B. Preciado, der meinte, man könne sich nicht für Meinungsfreiheit und die Satirezeitschrift Charlie Hebdo einsetzen und dann eine Schau absagen, weil sie eine Karikatur zeigt, die dem König ähnlich sehe. Nein, das geht tatsächlich nicht. Man wird es akzeptieren müssen, auch schlechte Kunst zu zeigen.
Marí hat die Schau doch eröffnet, Preciado und Roma fristlos gekündigt und seine Kündigung angeboten, die das Kuratorium des Museum annahm. Nun sucht das MACBA einen neuen Direktor.
Leser*innenkommentare
Arcy Shtoink
Hier (http://taz.de/Die-Streitfrage/!156990/) wird gerade Ähnliches von der taz zur Debatte gestellt: Versetzung von Journalisten wegen Majestätsbeleidigung mit Mittelfinger
Age Krüger
Wo fordert die taz denn die Verbannung aus dem Programm
Hier ging es nicht darum, dass die Skulptur nur an einer anderen Stelle aufgestellt werden sollte, sondern um die gesamte Absage.
Es ist nicht schon Zensur, wenn jemand am Mittwoch statt am Samstag zu sehen ist.
Nicetry
Es ist mit dieser Provokationskunst wie mit dummen Meinungen. Jede/r darf sie haben, jede/r darf sie sagen, aber warum sollte jemand verpflichtet sein, sie sich anzuhören oder gar ihr ein Forum zu bieten?!
lions
Fehlt da nicht was- ein Strap-on ?
Also ruhig Blut, alles bloß gefakt !
lions
@lions ....oder anders: not dressed for conquering. Hey, es ist Kunst !
lions
@lions Ergo meine Interpretation: Die bolivianische Aktivistin versucht, das von der span. Kolonialzeit vererbte Patriarchat zu bekämpfen, wird aber durch ihr Geschlecht darin von der bolivianischen Männlichkeit (der Wolf) behindert, was der Künstler auf das Fehlen des Penis respektive Strap-on und auf der Aktivistin selbst widerfahrenen Deckakt reduziert. Zudem wird das koloniale Erbe (Juan Carlos I.) dabei immer wieder mit frischem Grünfutter genährt. Das ganze wird vom Titel: " Nicht für die Eroberung ( fehlender Strap-on oder Penis) gekleidet", gestützt.
ioannis
Der "Künstler" zumindest hat's geschafft: Provokation mit pubertärem sexbildchen und Presse. Da ist es dann auch egal, dass das auch jeder im ersten Halbjahr Bildhauerklasse hinbekommt.
Florian Gass
schlechte kunst?
wenn man will kann man's darauf reduzieren.
ich lese aus der kurzen beschreibung:
guernica, conquista, francozeit und einen straftatsbestand der majestätsbeleidigung, der immer wieder kritische stimmen mit hohen geldstrafen und sogar gefängnis bedroht. jetzt haben drei sehr gute leute deswegen ihren job verloren.
die arbeit ist wichtig, schön wenn sie sich in den vordergrund spielt. und schade, dass das in der taz nicht anerkannt wird
ines doujak hat schon auf der dokumenta 12 mit ihren saftigen arbeiten für wirbel gesorgt,
Index
Hey, locker bleiben Amigos! Die Skulptur würde sich in Berlin vor dem Kanzleramt verdammt gut machen (oder heißt es jetzt Kanzlerinnenamt?) ...
Lowandorder
Geit chlor -
bisher hatt ich bei Gunscht aach
nüch gedacht -
Wo Brigitte Werneburg -
is Ines Pohl ungelenk nich weit - newahr.
ps Kanzlerinnenamt?) ... - nö -
'schlandkettchenboutíque!
Lowandorder
"… Man wird es akzeptieren müssen, auch schlechte Kunst zu zeigen.…"
"…schlechte Kunst …" - was issen nu dette?
Pirsig ist bekanntlich wahnsinnig - na gut in der Psychiatrie
darüber geworden bzw gelandet - sich mit Qualität zu beschäftigen -
Kam aber cum grano salis später zum Ergebnis -
Über Qualität - kann frauman nicht streiten -
Sie ist - oder nicht - aber
"Schlechte Kunst" - was issen nu dette¿
Kunst - wird ausgestellt - fertig.
Den Rest - besorgt das Publikum.
Nicetry
Wenn Kunst eben immer Kunst ist, kann ich auch "Ausländer stinken!" auf ein Blatt Papier schreiben, sagen es ist Kunst, und dann ist ein Museum verpflichtet, das auszustellen? Und es darf noch nicht mal jemand sagen, daß meine Kunst schlecht ist?
Oder muß ich dafür meinen Satz auf eine Tonplatte gravieren? Das ist machbar.
Wann ist eine Provokation Provokation und nicht mehr Kunst?
Oder ist einfach alles Kunst? Das Parteiprogramm der AfD - etwa auch Kunst?
mowgli
Kunst sind die "Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit" laut Lexikon immer dann, wenn sie "nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind". Provokation hingegen dienen dem "gezielte[n] Hervorrufen eines Verhaltens oder einer Reaktion bei anderen Personen".
Zugegeben, die Grenzen zwischen beiden fließen irgendwie. Für mich wird Kunst in dem Moment zur Provokation, wo sie Aufmerksamkeit oder gar eine bestimmte Reaktion erzwingen will, und zwar von jedem, der davon erfährt, vielleicht sogar die selbe. Dann nämlich bekommt die Kunst eine Funktion. Sie wird zum Instrument und so verliert sie alle Ansprüche an jene "Narrenfreiheit", die sie hat, so lange jeder sich dazu verhalten kann wie es ihm passt – oder auch nicht.
Das Parteiprogramm der AfD ist demnach keine Kunst. Es soll die Leute schließlich dazu bringen, den AfD entweder zu wählen (und zwar vorzugsweise massenhaft) oder ihn wenigstens offen zu kommentieren (schlechte Werbung ist schließlich auch ne gute Werbung, wenn man den Werbefuzzies glaubt). Man muss sich schlicht dazu verhalten, wenn man erst einmal in der Wahlkabine steht. Kreuz oder Nichtkreuz, das ist dann die Frage. Von Freiheit keine Spur mehr. Also: KEINE Kunst.
Lowandorder
"…sagen es ist Kunst, und dann ist ein Museum verpflichtet, das auszustellen?…"
Letzteres - nö!
Der Rest - Sie vergessen das Publikum.
Aus der lakonischen Anmerkung von
Robert Crump - "But is't art"? -
werden Sie mit Definitionen etc usw usf
nicht rausfinden -
Kritiker, Schreiberlinge, gern auch Lehrer usw - glauben das - zwar -
&wollen das gern und mit fettem Verve
glauben machen -
aber - die machens halt nicht -
leben nur auf dem Sekundärluftballon
davon - pecuniär oder auch nicht -
meist aber recht aufgeblasen
Warum viele heute noch Beethoven - die Beatles die Stones - Goya Picasso Beuys … & bitte selber einsetzen …toll finden -
kann letztlich niemand sagen -
die duften, gern auch schwer knarzenden Durchblicker lesen etc kann frauman machen - oder auch lassen -
möglichst aber hinter sich lassen -
wenn frauman davor steht!
Storm P. - der große Däne hats dazu
mal so - fein skizziert -
"Verstehst du - konkret ist das Gegenteil von abstrakt -
wenn du also vor etwas Abstraktem
stehst - ist es konkret."
Rainer Pakosch
Kunst oder Künstlich?
Das sieht. wie heute fast üblich, wie eine Kindergartenarbeit aus. Hauptsache auffallen. Unsere Presse ist dankbar für jeden Quatsch.