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Skandal an der JVA Augsburg-GablingenAnwälte richten Forderungen an Söder

Nach schweren Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlung in einer JVA in Augsburg gerät das bayrische Justizministerium unter Druck.

In der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen sollen Häftlinge schwer misshandelt worden sein Foto: Stefan Puchner/dpa

Augsburg/München dpa | Nach Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in einer JVA in Augsburg gerät das bayerische Justizministerium unter Druck. Die Anwälte der beschuldigten und inzwischen vorläufig suspendierten stellvertretenden Gefängnisleiterin, die die Vorwürfe gegen sie zurückweist, richteten sich in einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sie fordern darin von ihm, dem Ministerium „die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen im Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen“.

Sie begründen das in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, damit, dass das Ministerium eingeräumt hat, schon seit einem Jahr von Vorwürfen das Gefängnis betreffend gewusst zu haben.

„Wer aber von möglichen Missständen bei der Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen weiß und darüber informiert ist, dass weiterhin Unterbringungen in solchen Hafträumen stattfinden, gleichzeitig aber keine Maßnahmen ergreift, die etwaige Missstände sicher ausschließen, bei dem steht eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen im Raum“, schreiben die Anwälte Alexander Stevens und Holm Putzke. „Solange insoweit ein dringender Tatverdacht nicht zweifelsfrei ausgeräumt ist, darf eine selbst betroffene Behörde nicht weiter in die Ermittlungen involviert werden.“ Es bestehe sonst Verdunklungsgefahr.

Die Anwälte haben nach eigenen Angaben außerdem eine Anzeige gegen Unbekannt „wegen des dringenden Tatverdachts einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen“ bei der Münchner Staatsanwaltschaft erstattet, wie sie der dpa sagten.

Eine Sprecherin des Justizministeriums teilte am Abend mit, das Justizministerium sei Rechts- und Fachaufsichtsbehörde gegenüber den Justizvollzugsanstalten und damit im Rahmen der Dienstaufsicht zuständig für die Überprüfung der Vorwürfe im Zusammenhang mit der JVA Augsburg-Gablingen. „Diese Aufgabe nimmt das Justizministerium wahr.“

Justizminister Eisenreich hat Stellungnahme angekündigt

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat inzwischen angekündigt, die Öffentlichkeit am Donnerstagvormittag über den Stand der Ermittlungen informieren zu wollen. Zudem will er am 7. November im Landtagsausschuss für Verfassung und Recht Bericht erstatten, wie das Ministerium mitteilte. Die im Raum stehenden Vorwürfe seien gravierend und müssten rückhaltlos aufgeklärt werden, so Eisenreich. „Straftaten im Justizdienst sind inakzeptabel.“

Zuvor hatten Oppositionsparteien Kritik am Vorgehen des CSU-geleiteten Ministeriums geäußert. Die Grünen-Fraktion im Landtag richtete einen langen Fragenkatalog an die Staatsregierung.„Wenn man sich alles ansieht, was bisher bekannt ist, ist es schon schwer irritierend, dass nicht viel früher eine intensive Kontrolle in der betreffenden JVA stattgefunden hat“, sagte Toni Schuberl, Sprecher für Recht. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, hätten „nicht nur einzelne Menschen, sondern das ganze System versagt“.

Die Sprecherin für Recht und Justiz der SPD-Landesgruppe Bayern im Bundestag, Carmen Wegge, sprach von einem Skandal: „Warum wurde nicht schneller eingegriffen? Was haben er und sein Ministerium getan, als es von den Misshandlungen Kenntnis hatte?“

Vorwürfe schon länger bekannt

Am Wochenende waren Ermittlungen zu Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlung gegen mehrere Mitarbeiter der JVA Augsburg-Gablingen bekanntgeworden. Wie viele Beschuldigte es sind, sagten weder die Staatsanwaltschaft Augsburg noch das Justizministerium. Das bestätigte allerdings, dass Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschuldigten eingeleitet und Betretungsverbote für die JVA verhängt wurden. Zudem räumte das Ministerium ein, bereits seit einem Jahr Kenntnis von den Vorwürfen zu haben.

Bei den Ermittlungen geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung im Amt. Zu den Beschuldigten gehört auch die stellvertretende Leiterin des Gefängnisses, die die Vorwürfe über ihre Anwälte entschieden zurückwies.

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8 Kommentare

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  • Sehr sehenswerte TV-Doku der Augsburger Allgemeinen über die JVA in Augsburg. Durch das Interview mit der Leiterin der JVA wird deren "besonderer Charakter" deutlich, insbesondere deren unzureichendes demokratisches Grundverständnis gegenüber ihren Häftlingen. Interviews mit Häftlingen seien in der Doku nicht möglich, da diese Häftlingen zu viel Aufmerksamkeit verschaffen könnten.



    Die Anstaltsleiterin war nach der Strafanzeige eines Richters zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie dafür gesorgt hatte, dass ein im Krankenhaus im Koma liegender Häftling mit einer eisernen Fessel an das Krankenbett gefesselt wurde, obwohl er von einem Beamten bewacht wurde.



    Die Richterin stellte Strafanzeige, weil sich die JVA-Leiterin trotz richterlichen Beschlusses geweigert hatte, die Fessel entfernen zu lassen. Es gab später lediglich eine Geldstrafe für sie.



    Ein ehemaliger JVA-Leiter verweist in der DOKU auf interne Beschwerden des Personal in der JVA. Ging das Justizministerum dem nach? Vermutlich nicht!

    www.augsburger-all...efaengnis-an-id359

    Doku:

    www.youtube.com/watch?v=KmPFtxSsBGU

  • Hier deutet sich ein veritabler Skandal an, der nicht nur die JVA sondern auch das Justizministerium und die zuerst ermittelnde Staatsanwaltschaft betreffen könnte.



    Ein kleiner Skandal bereits, dass der Justizminister auf der Pressekonferenz (nach einer Woche!) keine Fragen der Presse zuließ.



    Die Anwälte der Gefängnisleiterin haben Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass das Justizministerium in den Fall involviert ist und deshalb dem Ministerium die Dienstaufsicht zur Aufklärung in dem Fall entzogen werden muss.



    Die Frage ist auch, ob Strafanzeige gegen die zuerst ermittelnde Staatsanwaltschaft in dem Fall gestellt werden muss, weil die Beschuldigungen der Ärztin so gravierend waren.

    Fragen über Fragen, die von der Presse dem Justizminister nicht gestellt werden konnten, weil er keine Fragen der Presse auf der Pressekonferenz zuließ.



    Zum Beispiel, warum der erschütternde Mail der Ärztin (so der Minister selbst) keine starken dienstlichen Ermittlungen im Ministerium zur Folge hatte.



    Warum liegt dem Justizminister nach einem Jahr der Bericht der Nationalen Kommission zur Verhinderung von Folter nach der Begehung in der JVA nicht vor? Wurde Dienst "nach Vorschrift" gemacht?

  • Söder wird die brutalst möglichste Aufklärung betreiben, ähnlich wie Roland Koch zu seiner Zeit mit den Jüdischen Vermächtnissen. Bei der Forderung an Söder werden nur zwei Dinge dabei heraus kommen, große Sprüche ohne Substanz und Konsequenzen ( verbale Diarrhoe ), und heiße Luft.

  • Nun wird die Öffentlichkeit sehr bald sehen, was für ein Pfundskerl der Söder, Markus ist. Er wird knallhart diesen Skandal aufklären und mit rechtsstaatlichen Mitteln und christlicher Aufrichtigkeit Ordnung schaffen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Oder doch nicht?

    • @Perkele:

      nun, die StA Augsburg hat übernommen. Diese ist Weltweit für ihre Strenge gegenüber politische Gegner der Staatsregierung bekannte, im Gegensatz zu ihrer Kritikfähigkeit und vor allem unvoreingenommen Rechtspflege. Die brutalstmögliche Aufklärung wird es geben - gegenüber den Anzeigenden und ihren Anwälten. Es handelt sich schließlich um Bayern (Mia san Mia).

      de.wikipedia.org/w...n_der_Arbeitsweise

      • @Thorsten Gorch:

        Leider stimmt das. Wo leben wir eigentlich? In einer zivilisierten Demokratie?

  • Dass in deutschen Gefängnissen Gefangene gefoltert wurden gehört zu den dunkelsten Kapiteln der dunkelsten Zeit Deutschlands.



    Im Westen schon länger her, im Osten noch nicht ganz so lange.

    Umso wichtiger dass, sofern sich die Vorwürfe bestätigen oder nicht zur Gänze ausräumen lassen, Justitia mit ihrem schärfsten Schwert das Urteil spricht.



    Und auch der EMGR darf sich dann bei einer Strafzumessung "nicht lumpen lassen".



    Und auch die Aufsichtsbehörden müssen gnadenlos ausgemistet werden.

    Angesichts der deutschen Vergangenheit wäre Milde das falscheste Signal.

  • Schlimm! Aber die gute Nachricht: So etwas habe ich über deutsche Gefängnisse lange nicht gelesen.



    Bin auf die Details gespannt und ob es Zufall ist, dass das gerade in Bayern passiert, wo junge Umweltschützer als Terroristen verknackt werden ...