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Sigmar Gabriel in ÄgyptenBemerkenswerte Dummheit

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

SPD-Chef Gabriel nennt Ägyptens Diktator al-Sisi einen „beeindruckenden Präsidenten“. Solches Lob fällt oft, wenn es um Wirtschaft geht.

Beeindruckter Vizekanzler: Sigmar Gabriel mit Diktator Sisi Foto: dpa

S igmar Gabriel ist ein bemerkenswerter Politiker. Der SPD-Chef lässt sich kaum eine Gelegenheit entgehen, um so richtig ins Fettnäpfchen zu treten. Das hat er am Sonntag mal wieder bewiesen, als er seinen Gastgeber, den ägyptischen Putschgeneral Abdel Fattah al-Sisi, bei einer Pressekonferenz in dessen Präsidialpalast in Kairo einen „beeindruckenden Präsidenten“ nannte.

Eindrucksvoll ist zweifellos die Liste der Menschenrechtsverletzungen, die al-Sisi angelastet werden. Mit einem Massaker an demonstrierenden Muslimbrüdern gelangte er an die Macht, die demokratisch gewählte Vorgängerregierung ließ er komplett ins Gefängnis werfen, jede noch so demokratische Opposition wird seitdem gnadenlos unterdrückt.

Die Situation am Nil ist heute für Oppositionelle, Gewerkschafter, Journalisten und ausländische Stiftungen weitaus finsterer als noch unter der Herrschaft des 2011 gestürzten Langzeitdiktators Husni Mubarak, der von den Demonstranten auf dem Tahrirplatz zum Rücktritt gezwungen wurde. Das Militär verfügt jetzt die Konterrevolution. Folter, Polizeigewalt und Justizwillkür sind an der Tagesordnung, Zehntausende Regimegegner sitzen im Gefängnis, die staatliche Propaganda übertönt jede Kritik.

Zwar hat auch Sigmar Gabriel in Kairo die Lage der Menschenrechte angesprochen. Und er hat das Militärregime aufgefordert, den Tod des 28-jährigen italienischen Wissenschaftlers Giulio Regeni aufzuklären, der für seine Doktorarbeit über die ägyptische Gewerkschaftsbewegung forschte und vermutlich in Haft zu Tode gefoltert wurde. Rom hat deshalb seinen Botschafter aus Kairo abgezogen.

Doch als Wirtschaftsminister, der eine Delegation von deutschen Firmenvertretern anführt, die auf Milliardenaufträge hoffen, war es Gabriel wichtiger, dem Regime seine Hilfe bei der Sicherung der Grenze zu Libyen und seine Unterstützung bei Verhandlungen mit dem internationalen Währungsfond und anderen Geldgebern anzubieten, denn das Land ist hoch verschuldet. Vier deutsche U-Boote sind dem Regime aber schon versprochen, und in Kairo warb Gabriel auch für die deutsche Ökostromtechnik, um Ägyptens marode Energiewirtschaft zu modernisieren.

Härter als Erdoğan

Milliardenprojekte im Bereich der Solar- und Windkraft sind geplant, aber auch konventionelle Gaskraftwerke. Siemens will für 8 Milliarden Euro Gasturbinen und Windparks in Ägypten bauen. Gabriel begründet das klimafreundliche Engagement im Folterstaat mit der „Stabilität“, die das Regime am Nil angeblich garantiere – ein Argument, als hätte es den Arabischen Frühling nie gegeben.

Diktatorenlob hat Tradition: Gerhard Schröder nannte Putin einen lupenreinen Demokraten, Franz Josef Strauß Chiles Junta-General Pinochet einen „Freund“

Wie sehr hat sich die SPD doch gerade erst bemüht, sich von Angela Merkel zu distanzieren, nachdem diese der deutschen Justiz die Ermächtigung erteilte, wegen der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gegen den ZDF-Comedian Jan Böhmermann zu ermitteln. Wenn sie am Samstag zu Erdoğan in die Türkei reise, solle die Kanzlerin „klare Worte zur Presse- und Meinungsfreiheit“ finden, trompetete SPD-Generalsekretärin Katarina Barley noch am Sonntag.

Am gleichen Tag rief sich Gabriel mit seiner unbedachten Äußerung aus Kairo ins Gedächtnis und schmeichelte einem Mann, bei dem es sich im Vergleich zu Erdoğan, der eher ein Populist und Autokrat ist, zweifellos um einen brutalen Diktator handelt.

Überfordert in der Doppelrolle?

Die Kritik von Grünen und Linkspartei kam schnell. Eher kleinlaut fielen dagegen bislang die Reaktionen aus seiner Partei aus. Wahrscheinlich waren die menschenrechtspolitisch sensibleren Genossen noch zu beschäftigt damit, aus Wut in den Tisch zu beißen. Denn Gabriels Bemerkung über al-Sisi fügt sich nahtlos ein in die Tradition des Diktatorenlobs, das gern fällt, wenn es den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dient – es erinnert an Gerhard Schröders Diktum von Putin als „lupenreinem Demokraten“ und an den bayrischen CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der Chiles Juntageneral Augusto Pinochet einst einen Freibrief ausstellte und ihn als „Freund“ rühmte.

Gabriels unbedachte Bemerkung über al-Sisi wird im Gedächtnis bleiben. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass er mit seiner Doppelrolle als Wirtschaftsminister und SPD-Chef überfordert ist, dann hat er ihn in Kairo geliefert.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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16 Kommentare

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  • Heuchlerischer Kommentar, der so tut, als ob es etwas Neues wäre, dass deutsche Wirtschaftsinteressen vor Menschenrechte gingen. Alle Politiker der BRD haben mit Vebrecherregime paktiert/verhandelt: ob es das der DDR war oder Saudi Arabien, China, etc. etc.

    • @Nicky Arnstein:

      Wo soll der Kommentar so tun, als sei der Verrat der Menschenrechte zugunsten von Wirtschaftsinteressen etwas Neues?

  • Auch der Sigmar Gabriel hätte sicher das Zeug zu einem beeindruckenden Diktator - wenn, ja wenn er nicht mittags immer schon vergessen hätte, was er morgens eigentlich wollte. So wird das nie was.

  • Gabriel soll ruhig genauso weitermachen. Innerhalb kürzester Zeit wird er so diesen neoliberalen Wahlverein namens SPD auf unter 10% gedrückt haben. Und das ist gut so!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Gabriel überbietet sich immer wieder selber.

    Wenn der irgendwo hingeht, vergisst er regelmäßig, woher er kommt.

    Anders ist sein Handeln, ob bei den Pegidisten oder dem Ägypter, nicht zu erklären.

    Dafür kriegt er regelmäßig Haue, aber auch die scheint er stets schnell zu verschmerzen.

  • Ein bemerkenswert dummer Kommentar.

     

    Ägypten hat rund 90Mio. Einwohner. Der Bevölkerungszuwachs beträgt rund 1,5Mio. pro Jahr. Die Wirtschaft ist auf Tourismus ausgerichtet. Der Tourismus liegt danieder. Perspektiven gibt es nicht. Das Land ist auf finanzielle Unterstützung von Saudi-Arabien und den USA angewiesen. Ohne diese Unterstützung müssen die Menschen hungern.

     

    Soll sich Gabriel für Menschenrechte und Demokratie in Ägypten einsetzen? Damit Mursi zurückkommt? Die Mursi-Demokratie ist schlicht daran gescheitert, dass die Saudis Ägypten nicht mehr alimentieren wollten.

     

    Angesichts der fehlenden Alternative zu Asisi ist die Entscheidung von Gabriel, sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Ägypten einzumischen, richtig.

     

    Die moralische Gegenposition von Grünen und Linken, Diktatoren nicht unterstützen zu wollen, bringt - wie Syrien und Libyen zeigen - nichts Gutes.

    • @A. Müllermilch:

      "Soll sich Gabriel für Menschenrechte und Demokratie in Ägypten einsetzen? Damit Mursi zurückkommt? Die Mursi-Demokratie ist schlicht daran gescheitert, dass die Saudis Ägypten nicht mehr alimentieren wollten."

       

      Dieser Satz zeigt, dass Sie ueber die politischen Strukturen des Lande nicht informiert sind. Auch die Ereignisse die zum Sturz Morsis gefuehrt haben, stellen Sie falsch dar. Im Uebrigen widersprechen Sie sich hinsichtlich der Saudis im Absatz darueber.

  • "Fettnapf"? Welcher "Fettnapf"?

     

    "Beeindruckt" kann man schon mal sein, wenn man als Möchtegern-Kanzler auf Leute trifft, die ihre Ziele zwar wirklich rücksichtslos aber immerhin erfolgreich verfolgen. Und dass al-Sisi dem Staat Ägypten nicht seinen Stempel aufgedrückt hätte, kann man wohl auch nicht guten Gewissens behaupten.

     

    Wie schade also, dass die taz mir nicht verrät, ob al-Sisi einen positiven oder einen negativen Eindruck gemacht hat auf Herrn Gabriel. Dem dieses "Lob" vermutlich nicht mal selber in den Sinn gekommen ist, sondern ins Gehirn diktiert wurde von einem dieser aalglatten Werbefuzzies. Die stolz darauf sind, dass sie ungestraft bzw. gut bezahlt immer das Gegenteil von dem behaupten dürfen, was sie wirklich meinen. Weil er Empfänger ihrer Botschaft die Übersetzungsarbeit selber leistet. Unbezahlt bzw. von eigenen Ego bestens honoriert.

     

    Ich fürchte fast, der Vizekanzler war ein ganz klein wenig neidisch auf den Herrn Dikator. Vielleicht auch etwas mehr. Aber das, nicht wahr, werden wir ganz sicher nie erfahren. Die Gedanken, schließlich, sind ja frei. Die von Kanzlerkandidaten nicht viel weniger als die der Journalisten oder seiner Wähler.

  • Und jetzt will diese Partei ein Rentenkonzept vorlegen. Die Partei, die die Ursachen für die Altersarmut in die Wege geleitet hat - Hartz IV und die Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Die Partei, die mit Ihrem Blick auf die aktuelle Rentensituation eine "Gerechtigkeitslücke" bei den "gutsituierten" Rentenanwärtern ausgemacht hat und die Rente mit 63 eingeführt hat und die Partei, die den armen Rentnern in die Tasche greift, um die Mütterrente über den Rententopf zu finanzieren, statt angemessen über die Steuer. Diese Partei hat ausschließlich auf Ihr Wählerklientel geschaut und hat die armen Rentner und die Rentner, die zukünftig in Altersarmut landen, wissentlich und vorsätzlich missachtet!Das ist Satire live. Hoffentlich durchschauen die Wähler diese Realsatire und fallen nicht auf die Schlagerworte Rente-mit-63 rein.

  • Die SPD "spricht davon", dass Sie die Partei der sozialen Gerechtigkeit sei. Ihr Parteivorsitzender zeigt in seinem tatsächlichen Handeln tagtäglich, dass ihm die "neoliberale Umsetzung" seines Wirtschaftsministeramtes wichtigstes persönliches Anliegen sind. Diesem Anliegen opfert er alle anderen Ziele, und zwar konsequent und erfolgreich. Reden und Handeln stimmen bei der SPD nicht überein. Das einzige was konsequent erfolgreich funktioniert, ist die Vertretung von neoliberalen Wirtschaftsinteressen - alles andere ist nur Gerede.

    • @Georg Marder:

      Wenn mit Gabriels (und der, der CDU/CSU) tatkräftiger Hilfe TTIP durchgesetzt werden sollte, werden wir rasch erfahren, wohin er uns und unseren Wohlstand ohne Not verscherbelt hat. Aber wenn es soweit ist hat man ja einen schwarzen Peter: die EU. Unserem Wirtschaftsminister wird dann zu seiner Erleichterung keiner mehr nachgrollen, da er sich dann - wohlversorgt durch steuerfinanzierte Groschen - aufs "Altenteil" zurückgezogen haben wird und ihm kein Hahn mehr nachkräht.

       

      Und die, die sich von ihm verraten fühlen... die haben wahrscheinlich in anderen Parteien Unterschlupf gefunden. Mich wundert nur, dass... falls er sich überhaupt wundert.

  • Da passt sie doch auch, die Überschrift von Herrn Hillebrand. Nicht zum Artikel aber zu dem was Herr Gabriel so für Politik macht.

    Inhaltich blödsinnig. Aber in der Praxis BRANDGEFÄHRLICH.

  • Was hat überhaupt ein Politiker mit Businesskaspern in anderen Ländern zu suchen??? Der soll Politik machen und nicht Aufträge beschaffen.

     

    Kommentar gekürzt. Bitte achten Sie auf die Netiquette.

    • @Karl Kraus:

      Oh oh - Siggi Plopp hat da ein

      Jaaanz Jroßes Vorbild - junger Mann!

      Anläßlich dessen grad Zugrabetragens auf Melaten -

      Hat ein Insider mir verraten-

      "Dessen Flieger waren so derart

      Von solch Abgreifgeschmeiß voll

      Daß selbst Gutwillige FDPler¿;)

      Bedenklich das Köpfchen wiegten!"

      Also da is noch Luft nach oben. &

      Mit Luftblasenabdrücken biste ja Vorne;) - aber sowas von dicke!

  • Na Servus!

     

    "Dummheit - Fettnäpfchen - unbedachte Bemerkung -"

    Das ist ja mal ne klare Ansage!

    Chapeau - es geht ja auch um -Menschenrechte!

     

    So tief gesunken - SPD wie Journaille!

    Klar - Wirtschaft & Kohle!

    Siggi Plopp kann da ganz risikolos Brownnosen -

    Anschließend wird er noch - doch doch -

    Medial gepampert! Du du du!

    Mann wird ja nochmal - unbedacht -

    Dummbemerken dürfen! Gell!

    Kasse stimmt! Hauptsache!

    Danke baxtaz!

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Da hat der dicke Siggi eben "unsere Werte" hochgehalten. Also die Freiheit des Kapitals, die Freiheit der Reichen und die Freiheit der politischen Elite. Was der Bürger denkt, ist doch einem Siggi scheißegal.