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Siemens und Areva bleiben auf AKW-Mehrkosten sitzen

Beim finnischen Fiasko-Reaktor Olkiluoto 3 muss das Hersteller-Konsortium nochmals mehrere Hundert Millionen nachlegen. Die Gesamtverluste liegen vermutlich über 7 Milliarden Euro

Eigentlich sollte der Prototyp viele profitable Folgeaufträge generieren. Doch daraus wurde nichts

Von Reinhard Wolff,Stockholm

Der Streit um die Kostenüberschreitungen beim finnischen AKW-Neubau Olkiluoto ist beigelegt. Die französische Areva und der deutsche Siemens-­Konzern haben sich außergerichtlich mit dem Bauherrn, dem finnischen Energieunternehmen TVO, geeinigt. Das Ergebnis: Für die beiden ausländischen Unternehmen wird der Bau des ersten Europäischen Druckwasserreaktors (EPR), der längst als Milliardengrab gilt, nochmals knapp eine halbe Milliarde Euro teurer.

Die Geschichte von Olkiluoto 3 hatte vor 18 Jahren mit einem Bauantrag von TVO für einen Reaktorneubau an der finnischen Westküste begonnen. Den Zuschlag bekam Framatome, ein Konsortium aus Siemens und Areva. Das schloss 2003 mit TVO einen Vertrag über die Lieferung eines schlüsselfertigen EPR mit einer Leistung von 1.600 Megawatt zum Festpreis von 3 Milliarden Euro.

Dieser Preis war vermutlich von Anfang an illusorisch. Aber Olkiluoto 3 war der erste europäische Reaktorneubau seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986, und das Konsortium hoffte, mit diesem Prototyp viele weitere profitable Aufträge zu generieren. Doch man bekam weder die Kosten noch den ­Zeitplan in den Griff. Der Reaktor, der eigentlich seit 2009 in Betrieb sein sollte, könnte im Mai 2019 fertig werden. Vielleicht.

Die Baukosten schätzte Areva schon 2012 nahezu auf das Dreifache des ursprünglich Geplanten; seither dürften sie weiter angestiegen sein. Für den seit 2007 in Bau befindlichen nahezu baugleichen EPR im französischen Flamanville nannte der dortige Bauherr, der Energiekonzern EdF, im Herbst 2017 Kosten von 10,5 Milliarden Euro.

In einem Versuch, die wachsenden Verluste in Grenzen zu halten, hatte „Framatome“ Anfang 2009 vor einem Schiedsgericht in Paris eine Klage mit dem Ziel erhoben, einen Teil der Mehrkosten auf TVO und damit die finnischen Stromkunden überwälzen zu können. Begründung: Für die Kostensteigerungen seien angeblich „übertriebene“ Sicherheitsauflagen der finnischen Strahlenschutzbehörde und ein zu pingeliger Bauherr TVO verantwortlich. TVO antwortete mit einem Vertragsverletzungsverfahren wegen der Kosten, die dem Energieunternehmen durch den Wegfall des ab 2009 eingeplanten neuen Atomstroms entstanden.

Nach über neun Jahren einigte man sich nun. Areva und Siemens lassen ihre vor dem Schiedsgericht erhobene Forderung von 3,6 Milliarden Euro fallen und tragen endgültig alle Baukosten, die über den vereinbarten Festpreis von 3 Milliarden Euro hinausgehen, selbst. Außerdem zahlen sie TVO wegen der verspäteten Stromlieferungen 450 Millionen Euro. Das sind zwar 2,15 Milliarden Euro weniger als von TVO gefordert, doch TVO-Chef Jarmo Tanhua zeigt sich zufrieden: Das Wichtigste sei nun, dass der Bau überhaupt fertig werde. Im vorigen Jahr hatte man in Finnland nämlich Befürchtungen, man könnte womöglich auf einer Reaktorbauruine sitzen bleiben.

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