piwik no script img

Sicherung der EnergieversorgungHabecks neues Gas-Sparpaket

Es fließt wieder Gas durch Nord Stream 1, dennoch warnt die Bundesnetzagentur vor Engpässen. Der Wirtschaftsminister stellte neue Maßnahmen vor.

Hier kommt das Gas an: Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin taz | Der große Knall ist ausgeblieben: Seit Donnerstagmorgen fließt wieder fossiles Gas aus Russland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Diese kommt damit regulär aus ihrer zehntägigen Wartung, die einmal jährlich stattfindet. Befürchtungen, Russlands Präsident Wladimir Putin könne den Anlass nutzen, um die Gas-Lieferungen ganz einzustellen, haben sich damit nicht bewahrheitet.

Darauf hingedeutet hatte etwa, dass Russland während der Wartung nicht die Liefermengen durch andere Pipelines erhöht hat. Außerdem waren schon vorher die Lieferungen gekürzt worden, angeblich wegen einer in Reparatur in Kanada befindlichen Turbine.

Laut der Bundesnetzagentur erreichen die Lieferungen jetzt wieder dieses gedrosselte Niveau, nämlich eines von 40 Prozent der Pipeline-Kapazität. Die Prognose für die Zukunft sei aber „extrem volatil“, warnte Behördenchef Klaus Müller. „Wir müssen mehr einsparen, um gut durch die nächsten beiden Winter zu kommen.“

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht das so. „Die jetzigen 40 Prozent können uns nicht in Sicherheit wiegen, dass es immer so weitergeht“, sagte er am Donnerstagnachmittag. Er kündigte ein neues Paket aus verschiedenen Programmen und Verordnungen an, das er auf den Weg bringen will.

Vorgaben für Privathaushalte und Unternehmen

Zum Beispiel soll es die schon in Aussicht gestellte Gaseinsparverordnung geben, mit der die Bundesnetzagentur im Notfall Gas aus dem Markt nehmen können soll. Auch die Privathaushalte sollen von neuen Regeln betroffen sein – allerdings nicht im Sinne einer Abschaltung von Gas, die technisch ohnehin kaum umzusetzen wäre.

Stattdessen sollen Haushalte mit Gaskesseln diese optimal einstellen müssen, damit sie effizienter laufen. Auch für Unternehmen soll das gelten. Das Beheizen privater Pools mit Gas soll verboten werden. In einem Fall geht es sogar um mehr Freiheiten für Verbraucher:innen: Die üblichen Klauseln in Mieterverträgen, die eine gewisse Mindesttemperatur vorschreiben, sollen zeitweise wirkungslos sein.

Die neuen Pläne enthalten aber auch explizit Vorgaben nur für Unternehmen: Die Betreiber von Gasspeichern sollen zu höheren Speicherquoten verpflichtet werden als bisher. Sie dürfen damit weniger Gas jetzt verkaufen, das dann möglicherweise im Winter fehlt.

Ab einer gewissen Schwelle müssen Firmen ihren Energieverbrauch künftig überwachen und Einsparmaßnahmen umsetzen, wenn die Kosten für die Investition nach zwei Jahren wieder drin wären. „Das ist sozusagen die Pflicht zum Geldsparen“, sagte Habeck. Solche Projekte lägen ohnehin im Interesse der Unternehmen, blieben aber im Tagesgeschäft oft liegen – das wolle man jetzt verhindern.

Zudem sollen in öffentlichen Gebäuden Räume, die nicht dauerhaft genutzt werden, künftig unbeheizt bleiben, also zum Beispiel Flure oder Foyers.

Allerdings soll auch beim Klimaschutz wieder gespart werden: Habeck holt die Braunkohle-Reserve ab Oktober zurück. Dabei handelt es sich um Kraftwerke, die nicht mehr in Betrieb, aber noch in Bereitschaft sind. Eine Sonderregelung für die etwas weniger klimaschädlichen Steinkohlekraftwerke ist bereits seit einiger Zeit in Kraft.

Konkrete Pläne zur Entlastung der Bür­ge­r:in­nen wegen der hohen Gaspreise legte Habeck nicht vor. Dennoch war ihm merklich daran gelegen, allen Beteiligten gut zuzureden. „Ursache all dieser Diskussionen ist der durch nichts zu rechtfertigende Angriff Russlands auf die Ukraine“, sagte er. „Es erweist sich als ganz große Stärke, dass die Bür­ge­rin­nen und Bürger, die Wirtschaft und die Politik Seite an Seite gehen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Gas sparen? Ganz einfach alle Gaskraftwerke abschalten! Der damit erzeugte Strom geht überwiegend nach Frankreich, weil viele der maroden Atomkraftwerke dort abgeschaltet werden mussten.

  • „Ursache all dieser Diskussionen ist NICHT der durch nichts zu rechtfertigende Angriff Russlands auf die Ukraine“ sondern die völlig idiotischen Sanktionen, die Russland am Hintern vorbeigehen.

    Es gab schon so viele völkerechtswidrige Kriege und noch nie gab es solche Auswirkungen, selbst nicht als Saddam seine eigene Ölquellen in Brand setzte.

    Klar, das Hauptproblem beim undichten Dach ist der Regen!!1!

    • @Frank Fischer:

      Die Gas- und Strompreise sind bereits zum Jahreswechsel gesteigen. Die Sanktionen sind nicht die Ursache. Ausserdem ist nicht damit zu rechnen, dass Putin seine Spielchen sein lässt, wenn die EU die Sanktionen lockert.

  • Wo bleibt denn die Verlängerung der Biogasanlagen ? Ach stimmt ja die sind nicht nachhaltig und grün genug!

  • Man muss den Grünen recht geben, wir sind tatsächlich voll im Energiewandel.



    Nur habe ich mir das schon etwas anders vorgestellt, Herr Habeck.



    Gruß an die Laufzeitverlängerung der Kohlekraftwerke!

    • @Rudi Hamm:

      Sie vergessen komplett die milliardenschwere Hypothek von Angela Merkel, als Chefin nicht ganz so lange im Amt wie Putin, aber am längsten in RestEuropa. außer Lukaschenko, dem anderen Diktator.

    • @Rudi Hamm:

      Was heißt da "dennoch" warnt. Die Merkelregierung war lange genug naiv und blauäugig, Putin komplett falsch einzuschätzen. Jetzt dem Multimörder und Staatsterroristen noch über den Weg zu trauen, wäre an verantwortungsloser Dummheit kaum zu übertreffen.