Sicherheitskonzept für G-20 in Hamburg: Ein Knast für Gipfel-Gegner

Das ehemalige Frauengefängnis Hahnöfersand wird wegen der erwarteten G-20-Proteste zur U-Haftanstalt umgebaut. Zum OSZE-Treffen soll es fertig sein.

Ein roter Sandsteinbau hinter einem hohen Sicherheitszaun

Rechteckig, praktisch, nicht so hübsch: der ehemalige Frauenknast Hahnhöfersand. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Sicherheitsstrategen im rot-grünen Senat gehen auf ihre Art auf Nummer sicher. Wenn im nächsten Juli die Regierungschefs der mächtigsten Staaten der Welt auf dem Messegelände im Karolinenviertel zu ihrem G-20-Gipfel zusammenkommen, soll es keinen Engpass bei der Unterbringung von Festgenommenen geben. Schon jetzt ist wegen der zu erwartenden Proteste mit dem Bau eines neuen Gefängnisses begonnen worden. Es entsteht in den Gemäuern der ehemaligen Frauenhaftanstalt Hahnöfersand und soll offiziell die Untersuchungshaftkapazitäten erweitern.

Seit Tagen herrscht nach taz-Informationen auf der niedersächsischen Elb-Halbinsel Hahnöfersand betriebsames Werkeln. Vom benachbarten Jugendknast ist zu beobachten, dass ein Mauer-ähnlicher Zaun um das abgeschiedene Areal des ehemaligen Frauenknastes gezogen wird, der erst Ostern mit seinen knapp 100 Haftplätzen in den Megaknast Billwerder verlegt worden ist.

Früher war die auf Resozialisierung ausgerichtete Frauenhaftanstalt eher sporadisch mit Zäunen gesichert. Auch Umbauten in den Gebäuden, die der Resozialisierung gedient haben, werden beobachtet – die Frauen durften sich in Hahnöfersand tagsüber weitgehend frei bewegen, es gab Arbeits- und Gemeinschaftsräume und die Zellen waren nicht verrammelt.

Die Justizbehörde betätigte jetzt die Umbauten. „Die Außensicherung wird provisorisch verstärkt“, erklärte Sprecher Thomas Baehr der taz. Denn es könnte sein, dass während des G-20-Gipfels so viele Menschen festgenommen und inhaftiert werden, dass kurzfristig die Haftkapazitäten nicht ausreichten. „Hahnöfersand ist eine vollständig funktionsfähige Vollzugsanstalt, es liegt nahe, sie als Reserve vorzuhalten“, sagte Baehr.

Will Hamburg G-20-Gegner präventiv einsperren?

Das Untersuchungsgefängnis an der Holstenglacis, also direkt an der Messe, sei voll, weil ein Flügel wegen Umbauten nicht belegt werden könne. Schon jetzt seien Untersuchungsgefangene in Billwerder untergebracht. Durch ein zusätzliches Aufkommen in Folge des G-20-Gipfels solle ein „Hin- und Herschieben“ der Inhaftierten oder eine Mehrfachbelegung von Zellen vermieden werden, so Baehr: „Es gibt schließlich verfassungsrechtliche Vorgaben, was die Unterbringung von Gefangenen angeht.“

In Strafvollzugskreisen wird aber auch spekuliert, dass die Polizei Hahnöfersand als „Gefangenensammelstelle“ nutzen könnte, um mittels des vorbeugenden Unterbindungsgewahrsam G-20-Gegner im großen Stil präventiv einzusperren.

Hahnöfersand ist eine Elbinsel nahe der niedersächsischen Gemeinde Jork, auf der sich neben dem Jugendstrafvollzug die Frauenhaftanstalt befand.

Der Frauenvollzug ist mit seinen 100 Haftplätzen nach heftigen Kontroversen Ostern nach Billwerder verlegt worden, um Personalkosten zu sparen.

Durch den Umbau können 100 Haftplätze für sogenannte Untersuchungshäftlinge geschaffen werden, die dort bis zu ihrem Prozess untergebracht werden.

Für den justizpolitischen Sprecher der Linken, Martin Dolzer, ist der Knastumbau „mehrfach zynisch“. Angesichts der Justizmisere „Geld in den Bau einer Kurzzeit-Haftanstalt zu stecken, ist völlig verantwortungslos“, so Dolzer. „Und im Vorfeld durch den Bau der U-Haftanstalt eine Eskalation herbeizuplanen“, komme einer Kriminalisierung der legitimen G-20-Proteste gleich.

Theoretisch könnte der neue alte Knast Hahnöfersand schon für das OSZE-Treffen im Dezember geöffnet werden. „Zur OSZE werden die Baumaßnahmen fertig sein“, sagte Baehr. „Es gibt aber bislang keine Anzeichen darauf, Hahnöfersand in Betrieb nehmen zu müssen.“

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