Sicherheit im Hamburger Straßenverkehr: Tot trotz Abbiegeassistenz
Am Montag tötete ein Lkw-Fahrer eine Radfahrerin beim Rechtsabbiegen. Für Samstag hat der ADFC zu einer Mahnwache aufgerufen.
Erneut entfacht ein tödlicher Verkehrsunfall in Hamburg die Debatte über die Sicherheit für Radfahrer:innen auf den Straßen. So befand sich die Radlerin etwa auf einer Veloroute, die von der Stadt als besonders sicher angepriesen werden. Anwohner:innen sollen jedoch nach Angaben des Radverbandes ADFC schon mehrfach bei der Polizei darauf hingewiesen haben, dass die Kreuzung für Radler:innen nicht sicher ist.
Hinzu kommt: Der Lkw-Fahrer tötete die Radlerin, obwohl im Laster ein Abbiegeassistent installiert war. Für Samstagnachmittag hat der ADFC zu einer Mahnwache für die getötete Radfahrerin am Unfallort aufgerufen.
Beim Hamburger ADFC-Sprecher Dirk Lau mischt sich die Trauer über die getötete Radfahrerin mit einer großen Wut auf die Polizei und die Verkehrsbehörde. „Es gab dringende Bitten der Anwohner:innen nach mehr Sicherheit für Radfahrende an dieser Kreuzung“, sagt Lau. „Doch die Politik schaut einfach zu.“
Zahl des Verkehrsunfälle ist gestiegen
So räume die Stadt den Radfahrenden dort zu wenig Platz ein. Stattdessen gebe es für den Kfz-Verkehr an der Kreuzung auch noch einen zusätzlichen Rechtsabbiegestreifen. Dass für die dicht aneinandergedrängten Verkehrsteilnehmer:innen – abbiegende Kfzs einerseits, Radfahrer:innen auf dem nur durch Farbe markierten Radstreifen andererseits – keine getrennten Ampelphasen eingerichtet sind, sei ein weiteres Problem.
Gerade auf einer Veloroute seien diese Umstände unhaltbar, findet Lau. 14 Velorouten gibt es mittlerweile in Hamburg. Das bezirksübergreifende, insgesamt rund 280 Kilometer lange Netz soll den Radverkehr auf verkehrsarme Strecken führen und die Wohngebiete der inneren und äußeren Stadt mit den Stadtteilzentren und der City verbinden. Die Velorouten seien „attraktiv sowie sicher und zügig zu befahren“, verspricht die Stadt. „Das ist angesichts vieler Kreuzungen, die für Radfahrende ähnlich unsicher sind wie am Unfallort in der Hafencity, zynisch“, sagt Lau.
Tatsächlich kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen, wenn rechtsabbiegende Lastwagenfahrer:innen Radler:innen übersehen. Erst vorige Woche erfasste in Hannover ein Lkw-Fahrer eine 59 Jahre alte Radfahrerin beim Rechtsabbiegen an einer Kreuzung und schleifte sie noch 700 Meter mit. In Hamburg kam es zuletzt im vergangenen Oktober zu einem ähnlichen tödlichen Unfall.
Entgegen ersten anders lautenden Meldungen war im unfallverursachenden Lastwagen in Hamburg ein Abbiegeassistent installiert. Wie die Hamburger Polizei auf Nachfrage mitteilt, handelte es sich dabei allerdings nicht um eine zugelassene Assistenz. Offenbar war im Laster ein Gerät installiert worden, das zwar den Fahrer beim Abbiegen mit einer Kamera unterstützt, aber ihn nicht, etwa durch ein Tonsignal, warnt, wenn sich ein Zusammenstoß mit Radfahrer:innen beim Abbiegen anbahnt.
Ob Hamburgs Straßen für Radler:innen durch den Kfz-Verkehr zunehmend gefährlicher werden, ist jedoch unklar. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist 2022 von Januar bis Ende November die Zahl der verunfallten Radfahrer:innen um 19 Prozent gestiegen. Das geht aus der Antwort des Hamburger Senats auf die Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervor. Demgegenüber steht ein Anstieg des Radverkehrs von lediglich neun Prozent. Der Senat sagt, er könne grundsätzliche Trends erst mit Vorliegen der Zahlen für das Gesamtjahr einschätzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz