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Sexuelle Belästigung am ArbeitsplatzDie Führungsebene sensibilisieren

Ein Viertel aller Frauen erlebt sexualisierte Belästigung in Schule, Ausbildung und Beruf. Dagegen macht nun das neue Projekt „make it work“ mobil.

„Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in der Pflege ein großes Thema“, sagt Anita Eckhardt Foto: dpa

Berlin taz | Ein Bürokollege beugt sich von hinten über die Kollegin und berührt wie zufällig ihren Arm und Rücken. Eine Pflegerin hilft einem Patienten beim Toilettengang, der Patient greift ihr an die Brust. Eine Frau wird im Bewerbungsgespräch gefragt, ob sie einen BH trägt. All das sind Fälle, die Stefanie Koch vom Frauennotruf Bielefeld berichtet wurden, einer Fachberatungsstelle für Frauen, die sexualisierte Belästigung oder Gewalt erlebt haben.

Längst nicht alle Fälle sexualisierter Belästigung passieren am Arbeitsplatz – aber für diejenigen, die dort passieren, gibt es nun ein neues Projekt: „make it work“, finanziert vom Bundesfrauenministerium, organisiert vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bff, der bundesweit mehr als 180 Beratungsstellen und Notrufe vertritt.

„25 Prozent aller Frauen erleben in Schule, Ausbildung und Beruf sexuelle Belästigung“, sagt Anita Eckhardt vom bff – und das seien vorsichtige Zahlen. Die Auswirkungen auf Betroffene allerdings seien enorm: „Es schadet der Gesundheit von Frauen, ihrer ökonomischen Situation, ihrer Leistungsfähigkeit und Karriere“, sagt Eckhardt. Dabei könnten auch schon tägliche Sprüche oder Blicke massive Folgen haben.

Durch die #metoo-Bewegung, die ab Oktober 2017 ins Rollen kam, sei das Bewusstsein dafür gewachsen, dass sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz ein großes Problem seien, sagt Eckhardt. „Diese Chance wollen wir jetzt nutzen.“

Best Practice identifizieren

Mit dem Projekt will der bff ArbeitgeberInnen und Leitungspersonal im Umgang mit sexualisierter Gewalt schulen, zudem dabei helfen, dass Maßnahmen zur Prävention in den Organisationen verankert werden. „Wir wollen dafür sorgen, dass sich das Bewusstsein, das jetzt da ist, in Strukturen übersetzt“, sagt Eckhardt.

Momentan sei der Verband deshalb bereits mit den Mitgliedsorganisationen in Kontakt, um herauszufinden, wo die größten Probleme bei sexueller Belästigung in der Arbeitswelt liegen – aber auch, wo gute Erfahrungen gemacht wurden und worauf das zurückzuführen ist.

Im Mai soll dann bekannt gegeben werden, in welchen beiden Modellregionen gearbeitet werden soll, um vor Ort auszuprobieren, welche Strategien am besten funktionieren. Auf insgesamt vier Jahre ist das Projekt ausgelegt.

Jetzt schon klar ist, dass es neben den Modellregionen auch eine konkrete Branche geben soll, mit der der bff beispielhaft arbeiten will: Pflege. „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in der Pflege ein großes Thema“, sagt Anita Eckhardt, auch Stefanie Koch vom Frauennotruf Bielefeld bestätigt das.

Betroffene entlasten

Ein dementer Patient etwa habe immer dann onaniert, wenn eine bestimmte Pflegerin zu ihm ins Zimmer kam. Andernorts berichtete eine Frau, die im Rollstuhl saß, dass ein Pfleger ihre Situation ausgenutzt und sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen habe. „Das geht in beide Richtungen“, sagt Koch.

In der Beratung würden den Betroffenen oft Handlungstipps gegeben, sagt Koch: „Klar ‚Nein‘ sagen, sofort aus der Situation rausgehen.“ Das helfe zwar, greife langfristig aber zu kurz, weil so den Einzelnen Verantwortung übertragen werde. „Wir müssen aber schauen, wie wir Lösungen für die gesamte Institution entwickeln.“ Betroffene müssten wissen, dass sie im Fall der Fälle unterstützt werden und schlimmstenfalls nicht etwa ihnen vorgeworfen wird, „sich anzustellen“.

Der bff will nun zusammen mit einem Träger entwickeln, wie Personal geschult werden oder wie Wissen schon in Berufsschulen vermittelt werden kann. „Ein wichtiger Fokus ist außerdem die Führungsebene“, sagt Eckhardt. „Wenn die nicht sensibilisiert ist, dann kämpfen einzelne Personen gegen Windmühlen.“

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