Sexualstrafrecht in Österreich verschärft: Keine Milde mehr für Vergewaltiger
In Österreich sollen Sexual- und Gewaltdelikte härter bestraft werden. Das Gesetzespaket stößt in Fachkreisen auf große Kritik.
Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, findet die Maßnahmen „eher populistisch“. Für ihn sind sie „mehr ein Zeichen hin zum Wähler als ein positiver Beitrag“. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) entkräftete diesen Verdacht nicht, als er bemerkte: „Wer in Österreich sich an Frauen und Kindern vergeht, der hat keine Milde verdient.“
Die vorgesehene Erhöhung der Mindeststrafe für Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre soll verhindern, dass Täter mit einer Bewährungsstrafe davonkommen können. In der Praxis sei das in der gängigen Rechtsprechung kaum der Fall, wenden Richter ein.
Für Maria Rösslhumer vom Verein autonomer Frauenhäuser liegt das Problem in der niedrigen Verurteilungsrate von nur 13 Prozent. Höhere Strafandrohungen würden die Opfer von Gewalt in der Familie eher davon abhalten, gewalttätige Partner anzuzeigen. Auch Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, weist darauf hin, dass es „keine wissenschaftlich fundierten Belege“ für die Wirksamkeit höherer Strafen gebe. Kritisiert wird auch, dass die Regierung vorprescht, bevor die jüngste Strafrechtsreform evaluiert ist.
Eine „Taskforce Strafrecht“, an der rund 120 ExpertInnen und PraktikerInnen mitwirkten, hat in einem Jahr mehr als 50 Einzelmaßnahmen vorgeschlagen, von denen viele auch unumstritten sind. Etwa die Erhöhung der Strafandrohung für Stalking oder mehr Investitionen in Männer- und Antiaggressionsarbeit. Die 2018 von dieser Regierung abgeschafften, aber sehr erfolgreichen „Fallkonferenzen“, bei denen Jugendämter, Polizei und Opferschutzstellen kritische Fälle mit den Tätern aufarbeiten, werden wieder eingeführt.
Die Kritik wies Edtstadler im „Ö1 Morgenjournal“ zurück: „Ich kann das nicht nachvollziehen“. Als ehemalige Richterin habe sie die abschreckende Wirkung hoher Strafen erfahren. Sie will, dass Vergewaltiger, „wenn es zur Anklage kommt, in Haft müssen“. Das Reformpaket soll noch dieses Jahr vom Parlament beschlossen werden und 2020 in Kraft treten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich