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Sexualisierte Gewalt in der Kirche„Evangelische Kirche versteckt sich“

Eine neue Studie arbeitet sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche auf. Ein Betroffener kritisiert, dass es immer noch zu wenig beachtet wird.

Aufklärung von sexualisierte Gewalt in der Kirche bleibt zu wenig entschieden Foto: Lino Mirgeler/dpa

München dpa/epd | Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche in Deutschland bekommt nach Ansicht des Betroffenen Detlev Zander immer noch zu wenig Beachtung. „Die EKD hat das schon immer gut verstecken können, ihre sogenannten Skandale“, sagte er am Donnerstag in München bei der Vorstellung einer neuen Betroffenen-Studie, an der er mitarbeitet. Und das sei ihr auch gelungen, „weil sich die evangelische Kirche gern hinter der katholischen versteckt“.

Die neue Studie will einen Beitrag zur Aufarbeitung leisten. Durchgeführt wird sie vom Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), das auch schon Missbrauch in Kinderheimen und im katholischen Kloster Ettal aufgearbeitet hat.

Ziel der Studie ist laut IPP-Mitteilung „eine Gesamtanalyse evangelischer Strukturen und systemischer Bedingungen, die sexualisierte Gewalt begünstigen und ihre Aufarbeitung erschweren“.

Die IPP-Untersuchung ist eine von fünf Teilstudien, die ein Gesamtbild über die Situation in der evangelischen Kirche in Deutschland geben sollen. Finanziert wird das Projekt von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ergebnisse sollen Ende 2023 vorliegen. Dafür werden allerdings noch Betroffene benötigt, die sich an der Studie beteiligen wollen, wie Zander betonte.

Weitere Betroffene meldet sich im Fall Oesede

Im Missbrauchsfall in der evangelischen König-Christus-Gemeinde in Oesede in den 1970er Jahren hat sich eine weitere Betroffene bei der hannoverschen Landeskirche gemeldet. Die Frau habe berichtet, dass sie von dem damaligen angehenden Diakon Siegfried G. sexuell missbraucht worden sei, sagte ein Sprecher der Landeskirche am Donnerstag dem epd. Sie sei zudem Zeugin bei weiteren Vorfällen gewesen. Weitere Details könne er derzeit nicht nennen.

Vor zwei Wochen hatte eine Frau unter dem Pseudonym Lisa Meyer öffentlich gemacht, dass Siegfried G. sie in den Jahren 1973 und 1974 im Jugendkeller der Gemeinde sexuell missbraucht und während einer Gemeinde-Freizeit schwer missbraucht habe. Nach heutigem Straftatbestand sei es eine Vergewaltigung gewesen. Sie wirft der evangelischen Kirche Versäumnisse und Vertuschung im Umgang mit Missbrauch vor.

Siegfried G. war von der Kirchengemeinde 1977 entlassen worden, nachdem in einem anderen Fall Vorwürfe gegen ihn laut wurden. Angezeigt wurde er nie, so ergeben es Akten. Ihm wurde ein gutes Zeugnis zum Abschluss seiner Diakon-Ausbildung ausgestellt. Gemeinde und Kirchenkreis gehen davon aus, dass es weitere Opfer gibt. Siegfried G. war auch nach seiner Entlassung noch ehrenamtlich in einem Sportverein tätig. Er starb Mitte 2018.

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1 Kommentar

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  • Asymmetrische zwischenmenschliche Machtverhältnisse fördern sexualisierte Gewalt nicht nur in Kirchen, ebenso in vielen Arbeitsverhältnissen und auch in Familien bzw. in sozialen Gruppen, wohl immer schon, seit es starke Triebe, Kontrollverluste und falsche Toleranz gibt. Wahrscheinlich gibt es auch hier das Lernen am Erfolg und die pervers geplante Kopie von vertuschbarem niederträchtigen Fehlverhalten. Wir selbst denken oft noch da apodiktisch positiv von unserer Spezies oder Community, wo wir die Wahrnehmung dieser Voraussetzungen negieren, unachtsam übersehen oder gar bedenkliche Abweichungen dulden. Das kann man ändern, als erstes. Schau hin! Sonst endet es nie.